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#1325: Frieden, Sicherheit und die umfassende Beteiligung von Frauen

Im Jahr 2000 wurde die Resolution 1325 vom UN-Sicherheitsrat verabschiedet: Frauen müssen ihr zufolge an der Wahrung und Förderung von Frieden und Sicherheit gleichberechtigt und in vollem Umfang beteiligt, ihre Rolle in Entscheidungsprozessen ausgebaut werden. Wie ist die Bilanz 20 Jahre später?

die Stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina Mohammed und Michelle Müntefering, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, halten ein T-Shirt hoch, auf dem #1325 steht.
Amina Mohammed, Stellvertretende Gene­ralsekretärin, und Staatsministerin Michelle Müntefering 2018 bei der Sicherheitsrats­sitzung zu 1325. (UN Photo/Mark Garten)

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Am Anfang stand die Windhuk-Erklärung und der Aktionsplan von Namibia. Auf Einladung der damaligen Frauenministerin Netumbo Nandi-Ndaitwah waren auf einem Seminar im Mai 2000 die Geschlechterperspektive bei friedenserhaltenden Maßnahmen umfassend untersucht worden. Der UN-Sicherheitsrat nahm die Analysen und Empfehlungen daraus auf und stufte die Notwendigkeit als besonders „dringlich"  ein, eine solche Perspektive bei Peacekeeping-Maßnahmen einzubeziehen. Dies führte zur Ausarbeitung und Verabschiedung der Resolution 1325. Ein wichtigen Meilenstein: Denn zum ersten Mal befasste sich der Sicherheitsrat explizit und eingehend mit den Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Frauen.

Seitdem ist der Rat jedes Jahr Ende Oktober zusammengetreten, um die Umsetzung der Resolution zu erörtern in diesem Jahr also zum 20. Mal. Der jährliche Bericht des UN-Generalsekretärs über Frauen, Frieden und Sicherheit ergänzt dies, der letzte Bericht wurde im Juni 2020 vorgelegt. Seit der Verabschiedung der Resolution 1325 hat der Sicherheitsrat neun weitere Resolutionen zum Thema Frauen und Frieden und Sicherheit verabschiedet. Die Einzigartigkeit von "1325" besteht darin, dass sie nicht nur einen recht­lichen Rahmen schafft, sondern auch die Arbeit zivilgesellschaftlicher Orga­nisationen fördert, die für die Aufnahme von Regelungen zur Bekämpfung sozialer Ungleichheiten entscheidend sind.
 

Frauen und bewaffnete Konflikte

Schon in der Erklärung und Aktionsplattform von Beijing von 1995 waren die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Frauen und Mädchen ein wichtiges Thema. Die Resolution 1325 ging auf diesen Problembereich dann näher ein. Denn obwohl Frauen in der Regel keine Kriege beginnen, sind sie davon stark betroffen. Gegenwärtig leben weltweit 264 Millionen Frauen in fragilen, von Konflikten betroffenen Ländern, und Millionen Frauen wurden aufgrund von Konflikten gewaltsam vertrieben. Nach Einschätzung des Georgetown Institute for Women, Peace and Security sind Frauen „häufiger als Männer von Vertreibung betroffen, ihre Ausbildung wird unterbrochen und sie haben schlechter Zugang zu Arbeitsplätzen und Einkommensmöglichkeiten. Sie sind zudem mit übergreifenden Herausforderungen wie Armut, geschlechtsspezifischer Gewalt und diskriminierenden Normen konfrontiert“.
 

Konflikt-Prävention und -Beilegung: Die Rolle von Frauen

Studien zeigen, dass „die direkte Beteiligung von Frauen an Friedensverhandlungen die Nachhaltigkeit und Qualität des Friedens fördert“, so UN Women . Wenn Frauen an Friedensverhandlungen beteiligt sind, ist es wahrscheinlicher, dass in den unterzeichneten Abkommen mehr Regelungen enthalten sind, die auf politische Reformen abzielen, und dass diese Regelungen häufiger umgesetzt werden. Das bedeutet, dass die Beteiligung von Frauen auch längerfristige Vereinbarungen gewährleisten kann, in denen soziale Ungleichheiten wie z.B. Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern thematisiert werden. Außerdem können Regelungen aufgenommen werden, die allen Geschlechtern zugute kommen und die von Männern in der Regel nicht berücksichtigt werden.

Damit Frauen gleichberechtigt und in vollem Umfang an der Erhaltung und Förderung des Friedens beteiligt werden, erklärt die Resolution 1325, dass die Mitgliedstaaten dafür sorgen sollten, dass Frauen auf allen Entscheidungsebenen in nationalen, regionalen und internationalen Institutionen stärker vertreten sind. Es sollten mehr Frauen als Sonderbeauftragte und Gesandte im Auftrag des Generalsekretärs ernannt werden, und die Rolle und der Beitrag von Frauen in UN-Missionen, insbesondere bei Militärbeobachtern, der Polizei, bei Menschenrechts- und humanitärem Personal muss ausgeweitet werden.

Die Vertretung von Frauen auf allen Entscheidungsebenen in nationalen, regionalen und internationalen Institutionen ist nach wie vor inakzeptabel gering. Zwar nimmt sie auf vielen Ebenen durchaus zu, doch geschieht dies leider äußerst langsam. Auf nationaler und regionaler Ebene zum Beispiel waren im Februar 2019 nur 24,3% aller nationalen Parlamentsmitglieder Frauen. Auf Ministerebene lag der Frauenanteil bei 20,7%. Was die Vertretung von Frauen im Bereich Frieden und Sicherheit in den Vereinten Nationen betrifft, so waren im Dezember 2018 35% Frauen als Leiterinnen und 48% als stellvertretende Leiterinnen von friedenserhaltenden und politischen Sondereinsätzen der UN tätig, im Vergleich zu 26% bzw. 35% im Jahr 2017. Seit Dezember 2018 stieg auch der Anteil an weiblichem Polizeipersonal bei UN-Friedenssicherungseinsätzen auf 12,8%. Im Juni 2019 waren etwa 25% Frauen als ständige Vertreterinnen der Mitgliedstaaten bei der UN in New York tätig, und von 15 Sitzen im Sicherheitsrat waren nur drei Sitze mit weiblichen Botschafterinnen besetzt.

Im April 2019 forderten Deutschland und das Vereinigte Königreich die Mitgliedstaaten, UN-Einrichtungen und regionalen Organisationen auf, sich zu Maßnahmen zu verpflichten, die in der Resolution 1325 erwähnt werden. Von 193 Mitgliedstaaten gingen nur 64 Verpflichtungen ein, wobei acht UN- und drei regionale Organisationen ebenfalls Verpflichtungen eingingen. Im Hinblick auf die Rolle und den Beitrag von Frauen bei UN-Feldmissionen verpflichteten sich mehrere Länder, darunter auch Deutschland, die Teilnahme uniformierter Frauen an Friedenssicherungsmissionen zu fördern. Deutschland erklärte, dass es dies durch einen finanziellen Beitrag von 2 Millionen Euro zum Elsie Trust Fund (ein Fonds für uniformierte Frauen in Friedenseinsätzen) tun werde. Diese Selbstverpflichtung wurde im Dezember 2019 eingegangen. Kanada erklärte, dass es sich bemühen werde, bei der Entsendung von militärischen und polizeilichen Friedenstruppen in UN-Missionen die in der Uniformed Gender Parity Strategy festgelegten Jahresziele zu erreichen. Hierbei handelt es sich um eine Strategie, die die gemeinsame Entsendung von mindestens zwei weiblichen uniformierten Offizierinnen an die Standorte der Missionsteams vorsieht, wo immer dies möglich ist. Und Albanien erklärte, dass es sich bemühen werde, den Einsatz von Frauen in den Streitkräften, der Polizei und in Friedenssicherungseinsätzen stärker zu fördern. Bisher hat Albanien zwei Soldatinnen der Friedenstruppe in den Südsudan entsandt. Inzwischen sind zahlreiche Fälle von Machtmissbrauch in Form von sexuellem Missbrauch durch UN-Friedenstruppen bekannt geworden. Dadurch wird deutlich, dass die Auswirkungen eines bewaffneten Konflikts auf Frauen und Kinder auch den Missbrauch durch diejenigen beinhalten können, die eigentlich zu ihrer Unterstützung entsandt wurden. Eine verstärkte Beteiligung uniformierter Frauen an Friedensmissionen könnte dazu beitragen, diesen Missbrauch zu bekämpfen.
 

Vielfalt ist wichtig

Die Vereinten Nationen legen großen Wert auf die Vielfalt zwischen Männern und Frauen. Dies wird im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter formuliert. Vielfalt ist jedoch nicht nur für die Gleichstellung der Geschlechter wichtig, es ist auch unerlässlich, die Vielfalt in unser Verständnis der Kategorie „Frauen“ einzubeziehen. Es reicht nicht aus, lediglich Geschlechterquoten zu verabschieden und damit das Thema Frauen/Geschlechtergleichstellung abzuhaken. Für eine stärkere Vertretung von Frauen muss eine Vielfalt von Stimmen, Aktionen und Erfahrungen berücksichtigt werden, die zur Umsetzung und Weiterentwicklung bereits bestehender Regelungen in Bezug auf Konflikte und Rechte beitragen und bei der Schaffung und Umsetzung neuer, verbesserter Regelungen helfen können - Regelungen, die die Vielfalt der Menschen und ihrer Bedürfnisse anerkennen. Lesbische, schwule, bisexuelle, nicht-geschlechtskonforme und Transgender-Individuen (LGBTQ) und Frauen mit Behinderungen sind in bewaffneten Konflikten einem erhöhten Gewaltrisiko ausgesetzt. Nichtsdestotrotz werden sie in der Regel nicht in die Politik- und Entscheidungsprozesse einbezogen. Sämtliche Gruppen und  Geschlechter müssen auf allen Entscheidungsebenen in nationalen, regionalen und internationalen Institutionen vertreten sein.

Da Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt weit verbreitet sind, ist die Konzentration auf Vielfalt und Rechenschaftspflicht ein notwendiger Schritt, um die negativen Auswirkungen von Konflikten auf das Leben von Frauen zu verringern. Nicht nur sollte eine vielfältige Vertretung von Frauen in Führungsrollen und Entscheidungsprozessen gefördert werden. Es müssen auch Systeme geschaffen werden, um diejenigen, die Machtpositionen einnehmen, für ihre Handlungen zur Rechenschaft ziehen zu können  seien es Führungskräfte von Ländern oder Nichtregierungsorganisationen oder Friedenstruppen, die für Organisationen wie die UN arbeiten. Egal ob Männer, Frauen oder jedes andere Geschlecht.
 

Teri Shardlow
Übersetzung: Angela Großmann


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