Abschluss der Klimaverhandlungen in Bonn – darf endlich getanzt werden?

Von der UN-Klimakonferenz (COP23) in Bonn geht für die Weltgemeinschaft ein klares Zeichen aus: We are on track. Alles läuft nach Plan. Doch viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben während der letzten zwei Wochen ein anderes Gefühl wahrgenommen. Es passiere zu wenig, Frustration machte sich breit. Mutiert die Konferenz zu einem unbefriedigenden Konferenztourismus oder strahlt von ihr neue weltweite politische Tatkraft aus?
„Wie ein Dieb in der Nacht. Er stiehlt nicht nur, er tötet und zerstört.“ Das sagt der zwölfjährige Timoci Naulusale und meint damit den Klimawandel, den er in seiner Heimat Fidschi bereits hautnah erlebt musste. Auf der Konferenz durfte er im Plenum von seinen Erfahrungen berichten.
Erschütternd sind auch die Berichte von deutschen Austauschschülern, die u. a. von im Meer versunkenen Friedhöfen auf Fidschi berichteten. Der Klimawandel ist für die Inselstaaten im Südpazifik keine ferne Bedrohung mehr, so wie vielleicht für uns hier in Deutschland, er ist längst im Herzen der dort lebenden Menschen angekommen und fügt dem Leben und seiner Kultur täglich tiefe Schmerzen zu.
Timoci Naulusala, 12 Jahre alt, aus Tailevu in Fidschi. Dieser Film zeigt ihn vor der Konferenz in seiner Heimat. Quelle: COP23fj, UNFCCC, YouTube
Wie sieht also das eigentliche Gastgeberland Fidschi die Ergebnisse der Konferenz? Der COP23-Präsident und der Premierminister Fidschis, Frank Bainimarama, sagte zum Abschluss: „Wir verlassen Bonn mit bemerkenswerten Erfolgen, darunter dem Ocean Pathway, dem historischem Abkommen zur Landwirtschaft, dem Gender-Action-Plan und der Indigenous Peoples Platform. Es wurden uns mehr finanzielle Mittel für die Anpassung an den Klimawandel zugesichert und es wurde eine globale Partnerschaft ins Leben gerufen, um Millionen von dem vom Klimawandel geschädigten Menschen auf der Welt eine erschwinglichen Zugang zu Versicherungen zu ermöglichen.“
In einer Pressemitteilung („Concrete Climate Action Commitments at COP23“) hat die UNFCCC weitere Erfolge des Klimagipfels zusammengefasst.
We are on track - auch in Deutschland?
Auf der Pressekonferenz der deutschen Delegation war man sich ebenfalls einig, dass die auf der Agenda stehenden Schritte erfolgreich im Zeitplan abgehakt wurden. Alle Staaten hätten jetzt ihre Texte geliefert, so Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) auf der Abschlusspressekonferenz.
„Wir haben alle Texte auf den Tisch bekommen. Aber sie sind noch nicht sortiert und bewertet. Das heißt zu einzelnen Themen gibt es durchaus auch widersprüchliche Aussagen. Es ist wichtig, dass sie auf Papier sind, damit man an diesen Texten arbeiten kann. Deshalb ist das Ziel dieser Konferenz auch erreicht.“ Die Aussage die er von vielen Seiten höre, so Flasbarth, es hätte hier an Mut gefehlt, sei schlicht und einfach falsch. Die Konferenz habe das geliefert, was jetzt erforderlich sei, um den Zeitplan des Pariser Abkommens einzuhalten.
Die Staaten, Städte und alle Akteure sind nun aufgerufen, alle dringenden Maßnahmen zu ergreifen, um ihre im Text verfassten Klimaschutzziele auch zu erreichen.
Wer ist bereit, bis über die Schmerzgrenze gehen?
Während aus einigen Ländern dann tatsächlich im Laufe der zwei Wochen klare Zusagen sowohl zeitlich als auch finanziell gemacht wurden, hielt sich Deutschland mit Versprechungen in Hinblick auf zum Beispiel Zeitpläne zum Kohleausstieg zurück. Denn parallel zum Ende der Klimakonferenz schaute man gespannt nach Berlin auf das zähe Ringen um den Einstieg in Koalitionsverhandlungen zur Bildung einer neuen stabilen Regierung. Die Verhandlungen hatten sich unter anderem auch am Thema Klimaschutz festgefressen. Besonders Bündnis 90/Die Grünen, die sich hartnäckig dafür stark gemacht haben, betonten in den letzten Tagen immer wieder, dass sie bereit seien, bis über die Schmerzgrenze hinauszugehen, um noch eine Einigung zu erreichen. Doch am Sonntagabend wurde verkündet, dass diese Gespräche nach vier Wochen gescheitert sind.
„Ich glaube, es wäre für dieses Land ein gutes Signal gewesen, so gespalten wie es zu sein scheint, wenn sich so unterschiedliche Partner darauf verständigen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. “ Dies sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen Katrin Göring-Eckardt am Montag nach Abbruch der Sondierungen.
Atomstrom ist keine Klimaschutztechnologie
Doch welche Schmerzgrenzen eine weltweite Energiewende einfordert, wird auch schon während der Klimakonferenz deutlich. Hier wurde von 25 Ländern und Städten eine Allianz für den Kohleausstieg, - die sogenannte „Powering Past Coal“ - gegründet, dabei sind unter anderem die Länder Österreich, Belgien, Kanada, Dänemark, Finnland, Frankreich, Neuseeland und die Städte Vancouver und Washington.
Mit Blick auf dieses Bündnis und ob sie nicht gerne dabei gewesen wäre, antwortete Barbara Hendriks, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit auf der Abschlusspressekonferenz der COP23: „Man muss in dem Zusammenhang allerdingst auch darauf hinweisen, dass diese neue Initiative aus Ländern besteht, die nur zu einem sehr geringen Anteil tatsächlich ihre Energiewirtschaft auf der Verbrennung von fossilen Rohstoffen aufbauen, und manche doch auch sehr deutlich in Richtung Atomenergie, entweder schon immer orientiert waren oder sich weiterhin orientieren.“ Und da müsse man aufpassen, dass sich die Atomenergie nicht plötzlich wieder als Klimaschutztechnologie hervortue, so Hendriks.
Und natürlich ruhte der Blick während der Konferenz gespannt auf der US-Regierung. Der US-Präsident Donald Trump hatte im Frühjahr verkündet, dass er aus dem Klimaabkommen von Paris ganz auszusteigen werde. Das Abkommen benachteilige die Vereinigten Staaten. Man setze weiterhin auf Kohle und Atomkraft.
Konstruktiv neutral
Auf den letzten Klimagipfeln waren die US-Delegationen immer mit einem großen Länder-Pavillon vertreten und in zahlreichen Veranstaltungen präsent, jetzt hatte die offizielle Delegation nur einen einzigen kurzen, öffentlichen Auftritt, mit dem Thema "Energiesystem der Zukunft". Dagegen wurde dann auch gleich mit einem singenden Flashmob protestiert.
Aktivisten singen Delegation von Donald Trump nieder, Quelle: RP-Online, YouTube
„Wir haben hier keine Blockade der Vereinigten Staaten erlebt.“ Das sagt die Umweltministerin Hendriks auf der Abschlusspressekonferenz in Bonn. Sie hätten sich konstruktiv neutral verhalten.
Ein neuer Trend? Die Länder zeigen nicht mehr dorthin, wo zu viel CO2 ausgestoßen wird, jetzt dreht es sich um und es geht darum, sich im guten Licht zu präsentieren und zu zeigen, wer hier bereits am Saubersten ist. Es scheint notwendiger denn je, die Vergleichbarkeit der CO2-Einsparungen wirklich nach einem einheitlichen Maßstab messbar zu machen, damit hier nicht geschummelt werden kann.
Doch nicht genug. „Eine Kontrolle der Klimaschutzzusagen allein reicht nicht aus.“ Das sagt Weiger, Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Alle Staaten müssen ihre Klimaschutzanstrengungen verstärken und schnell aus fossilen Energien aussteigen. Die Welt sei abhängig von fossilen Energien, sie müsse auf Entzug. Es sei ein deutlicher Auftrag an alle Staaten, bis zum nächsten Klimagipfel den Ausstieg aus den Fossilen einzuleiten.
Bis zur nächsten Konferenz in Katowice, Polen, vom 3.-14. Dezember 2018, soll der ausgehandelte 200 Seiten starke Text finalisiert werden, so dass er dann als Regelbuch verabschiedet werden kann.
Ich hoffe, dass wird keine Karnevalveranstaltung, sondern ein Treffen von Ex-Junkies, die ihre Schmerzgrenzen bereits weit hinter sich gelassen haben.