Menü

COP23: (Wie) geht es weiter?

Die 23. Klimakonferenz ging am 17. November zu Ende. DGVN-Vorstandsmitglied Gabriele Köhler blickt zurück auf die Konferenz und kommt zu dem Schluss: Manches ist maßgeblich durch den Druck der Zivilgesellschaft erreicht worden, darunter ein Gender-Aktionsplam und eine Plattform zu den Rechten indigener Völker. Doch es ist nach wie vor viel zu tun. Die angekündigten CO2-Reduzierungen reichen nicht aus und auch die Allianz zum Ausstieg aus der Kohleenergie hat ihre Schattenseite - sie setzt nämlich auf Atomkraft.

Zwei bedeutsame Erfolge...

Die 23. Klimakonferenz ging am 17. November zu Ende. Manches ist erreicht worden – maßgeblich durch den immensen und kreativen Druck der Zivilgesellschaft. Dazu gehören ein Gender-Aktions-Plan und eine Plattform zu den Rechten indigener Völker. Die zwei Beschlüsse machen bewusst, dass vor allem in einkommensarmen Ländern, Frauen und indigene Gruppen erheblich stärker von den Folgen des Klimawandels und dem Raubbau an Ressourcen betroffen sind als dominante Gruppen.  Positiv gewendet weisen sie darauf hin, dass geschlechtergerechte Politik dem Klimawandel Einhalt gebieten kann, und die indigenen Völker schon immer in Einklang mit den planetaren Grenzen gelebt und gewirtschaftet haben.

 

... und nach wie vor viel zu tun

Aber die Konferenz hat vieles - noch nicht - erreicht. Die derzeitigen Vorgaben zum Einhalt der Vereinbarungen von Paris (Nationally Determined Contributions) genügen bekanntlich nicht, um die C02-Emissionen, wie 2015 in Paris eigentlich vereinbart, einzuhegen, und die Vertragspartner haben ihre Zusagen nicht, wie für die COP23 geplant, nachgebessert.

Auch in der Finanzierungsfrage ging es nicht voran. Die horrenden Verwüstungen durch Klimakatastrophen intensiveren sich in den letzten Jahren. Betroffene Länder und Gruppen verlangen seit langem, dass Verluste und Schäden finanziell entschädigt werden. Die unendliche Trauer, Familienmitglieder z. B. in einem Hurrikan zu verlieren, oder das Trauma, seine Erwerbsgrundlage als Kleinbäuerin oder Fischer zerstört zu sehen, kann mit keinem Geld wiedergutgemacht werden. Aber die Produktionsmittel, die Wohnhäuser, die Straßen und Wege müssen wiederhergestellt werden, und dafür müssten die heute wohlhabenden  Länder als die historischen Verursacher des globalen Klimawandels aufkommen. Hierfür gab es keine Mehrheit bei EU- und anderen einkommensreichen OECD-Ländern. Geeinigt hat man sich lediglich auf eine vage Formel, genügend Finanzmittel mobilisieren zu wollen. Wir wissen, dass da vorerst  wenig zu erwarten ist, zumindest ist das die Lehre aus dem Bereich der  Nothilfe, wo die humanitären Appelle der Vereinten Nationen (consolidated appeals) bislang chronisch unterfinanziert blieben.

Im Nachgang der Konferenz ist auch angesagt, echte von falschen Freunden zu unterscheiden. Auf der COP23 durfte die Kernenergie als angeblich saubere Energie  für sich werben. Deswegen ist auch das Bündnis der Powering Past Coal Alliance mit großer Vorsicht zu genießen. Zu dieser neuen Allianz gehören Fidschi und die Marschallinseln, die als Klimageschädigte mehr als deutlich gemacht haben, wie sie vom  Klimawandel betroffen sind und wie sie alles tun, den Planeten und seine Meere zu schützen. Aber dem Bündnis haben sich auch  Länder  wie Frankreich, Großbritannen oder Kanada angeschlossen. Frankreich bezieht 75% seiner Energie aus Kernkraft, und hat zeitgleich mit der COP23 verkündet, dass es diesen Anteil frühestens im Jahr 2035 senken könne - auf 50%  – der höchste Anteil von Kernkraft global! Großbritannien bezieht 20% seiner Energie aus Kernkraft, und ist gerade dabei, einen neuen Kernreaktor aufzubauen – zusammen mit dem französischen Energiekonzern EDF. Auch Kanada will seine “grüne” Energiepolitik mit einem Ausbau von Kernkraftwerken umsetzen.

Es ist für Regierungen schick geworden, sich als Dekarbonisierer zu profilieren, und schlau, dabei eine schädliche Energiequelle  zu fördern. Deswegen ist es wichtig, auf Transparenz zu bestehen: was meint jeder Verhandlungspartner, wenn sie oder er von  erneuerbarer UND sauber Energie spricht?

Und dann verkündete Siemens  ausgerechnet am letzten Tag der Klimakonferenz den Abbau von 6900 Stellen, davon die Hälfte in Deutschland, wovon wiederum 920 Arbeitsplätze in Sachsen. Wegen der Energiewende würden immer weniger Großkraftwerke gebaut; dass Siemens nach wie vor grosse Gewinne macht und die erneuerbaren Energien dabei fast 10% zum 2017er Umsatzerlös beitrugen, bleibt unerwähnt. Aber die Botschaft ist genau die, die populärpolitisch befürchtet wird – dass durch Maßnahmen zum Stopp des Klimawandels massenweise Arbeitsplätze verloren gehen würden.

 

Wie es weitergeht

War also der ganze Aufwand der COP23 umsonst? Keineswegs. Gerade zu der Frage Arbeitsplätze und Klimaerhalt gibt es immer stärkere Stimmen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, die sich in die öffentliche Diskussion und in Gespräche mit den Verhandlungsparteien einbringen. Zur COP23 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler z.B. ein Memorandum zum Nexus von Klimapoliitk, Gerechtigkeit und Zusammenarbeit verabschiedet (The Climate – Justice – Cooperation Nexus“), das in 10 Punkten zeigt, wieso es nötig ist, die planetaren Grenzen einzuhalten, und wie es sehr wohl möglich ist, den Klimaschutz produktiv und konstruktiv mit sozialer Gerechtigkeit und Arbeitsplatzsicherung zu verknüpfen. Die kanadische Journalistin Naomi Klein hat mit ihrem Bestseller die Dekarbonisierungsbewegung mitangestossen (This Changes Everything: Capitalism vs. The Climate. New York,  Simon & Schuster); wirtschafts- und sozialpolitisch ausgebaut wurde dieser Ansatz 2017 mit Kate Raworths Doughnut Economics. Seven Ways to Think Like a 21st-Century Economist (Random House Business Books).

Die Diskussion um soziale Sicherung, möglicherweise in Form eines Grundeinkommens, wird immer lauter, schlagkräftiger und vernetzt sich zielstrebig (z.B. Basic Income Earth Network (BIEN); global coalition for social protection floors). Diese könnte die Umstrukturierung weg aus klimaschädlichen Produktions- und Konsumweisen abfedern und voranbringen. im Rahmen der UN wird in den nächsten Monaten die Debatte vorangetrieben, Menschen, die vom Klimawandel vertrieben werden, als Klimaflüchtlinge anzuerkennen – das hätte positive Auswirkungen auf Asylrecht und finanzielle Unterstützung (siehe New York Declaration for Refugees and Migrants).

Und: dass Finanzmittel da wären, haben die investigativen Journalisten nachgewiesen, erst mit den Panama-Papers und jetzt mit den Paradise-Papers. Es gibt Billionen Euros, die durch eine kohärente Steuerpolitik in die Staatshaushalte kämen.  Auch bekannt ist, dass  Trillionen US-Dollar in die Rüstung fliessen, die für die Klimapolitik umgewidmet werden könnten.

Vielleicht am wichtigsten: dass der derzeitige profitorientierte Kapitalismus eingehegt und reformiert wird,  wird noch dauern, aber der Widerstand dagegen ist analytisch und politisch vielfältig geworden. Trotz massiver Verfolgung war die Bewegung um Geschlechtergerechtigkeit und Klimaschutz noch nie so geeint. So hat z.B. die amerikanische Women’s March-Bewegung es geschafft,  vielerlei Interessengemeinschaften zu verknüpfen. Wie es Noelene Nabulivou  aus Fidschi im letzten COP-Plenum auf den Punkt brachte: Klimagerechtigkeit brauche Geschlechtergerechtigkeit sowie soziale, ökonomische und ökologische Gerechtigkeit  und es gehöre alles zusammen ( „There is truly no climate justice without gender, social, economic and ecological justice”).

 

Ein Meinungsbeitrag von DGVN-Vorstandsmitglied Gabriele Köhler.


Das könnte Sie auch interessieren