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Das High-Level Political Forum 2017: Zwischen ersten Erfolgen und wachsenden Herausforderungen

Seit der Konferenz der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung (Rio+20) im Jahr 2012 tagt jährlich unter dem Dach des UN Wirtschafts- und Sozialrat das sogenannte „High-Level Political Forum“ (HLPF), in dessen Rahmen die UN-Mitgliedstaaten seit der Verabschiedung der Agenda 2030 im Jahr 2015 gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen, privatwirtschaftlichen und weiteren Akteuren die Fortschritte in der Umsetzung der Agenda und ihrer 17 Nachhaltigkeitsziele diskutieren. In diesem Jahr tagte das Forum nun vom 10. bis zum 19. Juli 2017 in New York unter dem Titel "Armut auslöschen und Wohlstand fördern in einer sich verändernden Welt".

Ein Gesamtblick in den Saal am ersten Tag des Ministerial Meetings.
Das High-Level Political Forum fand in diesem Jahr vom 10. bis 19. Juli 2017 in New York statt. (UN Photo/Kim Haughton)

Während des „Expert Level Meetings“ der ersten Woche des HLPF wurden insbesondere die Fortschritte bei der Umsetzung der Ziele zur Bekämpfung von Armut (SDG1) und Hunger (SDG2), der Sicherstellung einer guten Gesundheitsvorsorge (SDG3), der Gleichstellung der Geschlechter (SDG5), zu Industrie, Innovation und Infrastruktur (SDG9), der nachhaltigen Nutzung der Meere (SDG14) sowie – hier findet eine jährliche Überprüfung statt – der internationalen Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG17) diskutiert. Während des dreitägigen „Ministerial Meetings“ der zweiten Woche lag hingegen ein besonderer Fokus auf den bisherigen Erfolgen in der nationalen Umsetzung der Agenda 2030.

Die erste Woche: Fortschritte und Herausforderungen in der Umsetzung der SDGs

In Bezug auf den Status der Implementierung von SDG 1 und 2 wurde in der Diskussion des ersten Tages betont, dass – trotz allen Fortschritts – noch immer etwa eine dreiviertel Milliarde Menschen in extremer Armut lebt. Die am stärksten Betroffenen seien zudem oft besonders schwierig zu erreichen, da sie häufig in fragilen, konfliktgefährdeten Gebieten leben oder in Gegenden, die potentiell wahrscheinlicher von Naturkatastrophen betroffen sind. Um Erfolge in Bezug auf die Umsetzung voranzutreiben, wurden verschiedene Maßnahmen diskutiert und vorgeschlagen, u. a.: vermehrte Investitionen in Infrastrukturprojekte; die Stärkung der sozialen Sicherungssysteme; verbesserter Zugang zu Land und sichere Grundbesitzverhältnisse; garantierter Zugang zu demokratischen Entscheidungsmechanismen; die Priorisierung von Bildung; ein garantierter Zugang zu natürlichen Ressourcen auch für die in Armut Lebenden; die Entwicklung inklusiver Politiken, die ein Recht auf Nahrung durchsetzen und eine Ernährungspolitik, die kleinbäuerliche Strukturen ins Zentrum setzt.

In der Diskussion um die Umsetzung von SDG 3 (Sicherstellung einer guten Gesundheitsvorsorge) wurden insbesondere die Notwendigkeit eines politischen Willens, von besserer Zusammenarbeit in Bezug auf Innovation und Wissenschaft und vermehrter Investitionen betont, während bezüglich SDG 5 (Gleichstellung der Geschlechter) u. a. fehlende Besitzrechte, Diskriminierung, Gewalt, sexuelle und reproduktive Rechte, Zugang zu Schulbildung und eine stärkere Repräsentation in Parlamenten bzw. legislativen Organen diskutiert wurden.

Am vierten Tag des HLPF standen SDG 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur), SDG 14 (nachhaltige Nutzung der Meere), sowie SDG 17 (Zusammenarbeit) auf der Agenda. Min Yongyi von UN DESA betonte in Bezug auf SDG 9, dass noch immer eine starke Konzentration der Produktion auf nur wenige geographische Gebiete zu beobachten sei. Grundsätzlich wurde es für notwendig erachtet, weiter in Infrastruktur – und hier auch digitale Infrastruktur – sowie Technologien und Innovation zu investieren, es wurde jedoch auch das Paradox zwischen zunehmender Innovation und der Schaffung weiterer Beschäftigung hervorgehoben. Auch in Bezug auf die nachhaltige Nutzung der Meere wurde hervorgehoben, dass bisherige Fortschritte wie beispielsweise die Ausweitung geschützter Meeresgebiete noch immer durch Klimawandel, Überfischung und Verschmutzung der Meere überschattet würden. SDG 17 wurde in zwei thematisch fokussierten Sitzungen diskutiert, eine mit dem Schwerpunkt auf Fragen der Finanzierung nachhaltiger Entwicklung und eine zweite zu Fragen von Wissenschaft, Technologie und Innovation – in beiden Sitzungen wurde noch immer großer Handlungsbedarf für eine verbesserte Zusammenarbeit auf allen Ebenen identifiziert.

Die zweite Woche: Berichte zur nationalen Umsetzung und UN Fortschrittsbericht

UN Generalsekretär Antonio Guterres spricht in ein Mikrofon
UN Generalsekretär António Guterres stellt den Bericht zu Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele 2017 vor. (Foto: UN Photo/Manuel Elias)

Die zweite Woche des Forums wurde mit dem Start des dreitätigen „Ministerial Meeting“ (Treffen auf Minister*innenebene) eingeläutet, in dessen Rahmen auch die sogenannten „Voluntary National Reviews“ (freiwillige Berichte zur Umsetzung auf nationaler Ebene) von 44 Mitgliedsstaaten stattfanden. Darunter befanden sich unter anderem große und einwohnerstarke Länder wie Brasilien, Indien, Indonesien und Japan. Aus Europa berichten unter anderem Belgien, Dänemark, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Schweden, Slowenien, Tschechien und Zypern. Aber auch Staaten wie beispielsweise Afghanistan, Bangladesch, Costa-Rica, El Salvador, der Iran, die Malediven, Nigeria oder Simbabwe legten in diesem Jahr ihre Berichte vor.

Ebenfalls zum Start der zweiten Woche präsentierte UN Generalsekretär António Guterres den Bericht zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele 2017. Hierbei betonte er die Wichtigkeit der Agenda 2030 nicht nur im Kampf gegen Hunger, Armut und wachsende Ungleichheiten, sondern auch für Stabilität, Sicherheit und Frieden:

„Die Agenda für Nachhaltige Entwicklung muss mit den Agenden der Konfliktprävention und Friedensförderung verknüpft werden. Aber: Diese Verknüpfung darf kein Vorwand sein, immer mehr Ressourcen von Entwicklung in Richtung Sicherheit zu verlagern; im Gegenteil, es sollte uns die Zentralität von Entwicklung in allem, was wir tun verdeutlichen und damit auch die Notwendigkeit, nachhaltige und inklusive Entwicklung selbst als einen der wichtigsten Faktoren bei der Prävention von Konflikten, bei der Prävention von Naturkatastrophen und anderer Faktoren, die die Resilienz von Gesellschaften herausfordern, anzuerkennen.“ (Guterres, 17.07.2017)

Weiterhin hob Guterres hervor, dass die Fortschritte der letzten Jahre nicht darüber hinwegtäuschen dürften, dass die bisherige Umsetzung der Agenda in vielen Bereichen bisher nur unzureichend gelungen ist und eine Umsetzung bis 2030 nur als gemeinsame Kraftanstrengung mit erheblich höherem Ambitionsniveau zu schaffen sei. Auch die zentrale Verknüpfung der Mechanismen und Ziele der Agenda 2030 mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens sei unumgänglich, da das Pariser Abkommen allein kein ausreichendes Instrument sei, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.

Kritik der Zivilgesellschaft: Menschen statt Profit

Auch die Zivilgesellschaft beteiligte sich in vielfältigen Formen an der Diskussion rund um das HLPF. Ein wesentlicher Baustein zivilgesellschaftlicher Arbeit zur Agenda 2030 wurde in Form des Berichts „Spotlight in Sustainable Development 2017: Reclaiming policies fort he public“ während der ersten Woche des Forums vorgelegt. Der Bericht, der von einem internationalen Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Gewerkschaften erarbeitet und veröffentlicht wurde und damit nach eigener Aussage die umfangreichste unabhängige Begutachtung der Umsetzung der Agenda 2030 darstellt, kritisiert die  - häufig in der Diskussion um die Agenda 2030 als wertvolle Instrumente beworbenen – „Public-Private Partnerships“ (öffentlich-private Partnerschaften): „Die Befürworter von Public-Private Partnerships (PPPs) stellen den Staat als verarmt und Handlungsunfähig dar, was den Privatsektor als einzig möglichen Akteur mit den nötigen Mitteln zur Umsetzung der SDGs übrig lässt.“ Aber, so folgert der Bericht, „PPPs können Ungleichheiten sogar noch verschlimmern, den Zugang zu essentiellen Leistungen verschlechtern und die Durchsetzung von Menschenrechten verhindern.“ Es sei daher an der Zeit den Bereich der öffentlichen Politik „zurückzuerobern“ und unter dem Motto „People over Profit“ (etwa: „Menschen statt Profit!“) umzugestalten. Den vollständigen Bericht in englischer Sprache gibt es hier einzusehen.


Das High-Level Political Forum endete am 19. Juli 2017 mit der Verabschiedung einer Joint Ministerial Declaration. Mit dem Dokument will das Forum wichtige Punkte der Einigkeit festhalten, wobei es unter anderem den Klimawandel als eine der größten Herausforderungen der Menschheit hervorhebt, Herausforderungen bei der Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit, Ernährungssicherheit sowie die Rolle von Infrastruktur, Industrie und Innovation für die Verbesserung der Lebensqualität von Millionen von Menschen betont.


Den gemeinsamen Tenor der zwei Wochen fasste der Untergeneralsekretär für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, Wu Hongbo, damit schon zu Beginn des Forums passend zusammen:

“Waren wir bis hierhin erfolgreich? Ja. Sind wir zufrieden? Nein.”

Helen Sharp
 


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