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Der Wettlauf um Rohstoffe geht in die Tiefsee

Derzeit laufen im Rahmen der Vereinten Nationen Verhandlungen über ein Schutzabkommen für die Hohe See. Anlass ist der Vorstoß der Bergbau­industrie und einzelner Staaten, Mineralien in der Tiefsee abzubauen. Schließen sich Wirtschaftsinteressen und Umweltschutz dabei aus?

Eine Karte zeigt die Lage der Clarion Clipperton Zone im Nordpazifischen Ozean zwischen Japan und Mexiko.
Die Clarion-Clipperton-Zone im Nordpazifik ist im Rennen um die besten Schürfgebiete besonders begehrt.

(Grafik: Wikimedia / USGS / Public Domain)

Der globale Verbrauch von mineralischen Rohstoffen wie Metallen und Erden steigt rapide. Europa ist die größte rohstoffimportierende Region der Welt, mit zwei Dritteln aller Importe weltweit. „Wir sind die größte Volkswirtschaft der Welt. Deshalb brauchen wir ungehinderten Zugang zu Rohstoffen“, so brachte der ehemalige EU-Handelskommissar Karl de Gucht beispielhaft die geo-politischen Interessen auf den Punkt, die global zu einer immer offensiveren Rohstoffpolitik führen.

Kosten und Nutzen sind dabei gerade beim Bergbau höchst ungleich verteilt. Während die Industrien in importierenden Ländern an möglichst geringen Preisen interessiert sind, bringt der Bergbau für die Menschen in abbauenden Ländern eine Reihe von sich häufenden Konflikten mit sich, die von Steuervermeidung, staatlicher Repression, Wasserknappheit, Artensterben bis zu systematischen Menschenrechtsverletzungen reichen können. Giftige Substanzen zum Abbau oder Veredlung von Mineralien bedrohen die Qualität von Wasser, Luft und Boden und führen weltweit zu hunderten Auseinandersetzungen, wie in Griechenland. Die wachsenden Gefahren für Mensch und Natur durch immer aggressivere Abbaustrategien verschärfen sich wegen der Verknappung und dem geringeren Mineralgehalt von leicht zugänglichen Vorkommen.
 

Die Tiefsee wird profitabel

So machen steigende Preise für Mineralien immer sensiblere Ökosysteme profitabel, wie die weitgehend unbekannte Tiefsee. Der Abbau von Mineralien in Tiefen von 3000 – 6000 Metern geschieht durch die Ernte sogenannter Manganknollen. In Form dieser kartoffelgroßen Mineral­anreicherungen beherbergt der Meeresgrund große Vorkommen unter anderem an Kupfer, Nickel, Kobalt sowie Spuren Seltener Erden. Damit ist das Wettrennen um die Tiefsee entfacht. Der EU-Rohstoffinitiative von 2008, die eine aktivere Liberalisierung des Rohstoffmarktes anstrebt, folgte 2012 die EU-Initiative für “Blaues Wachstum”.

So stecken die führenden Industrienationen weitgehend unbemerkt ihre Ansprüche in den Weltmeeren ab, insbesondere in der pazifischen Clarion-Clipperton-Zone. Neben der Hoffnung auf sinkende Preise spielt dabei auch die enorme Macht eine Rolle, die einzelne Länder wie beispielsweise China wegen ihrer Monopole oder Oligopole auf relevante Rohstoffe genießen.
 

Tiefseeabbau als Chance für den Green New Deal?

Als Argument für den Abbau in der Tiefsee wird ins Feld geführt, dass die Gefahr von direkten Menschenrechts­verletzungen auf Null reduziert und Rohstoffgeschäfte mit autoritären Regimen überflüssig würden. Neben einer gerechteren Welt könne auch eine grünere erreicht werden, behaupten Bergbau-Unternehmen wie Deep Green in eigenen Studien. Denn der Ausbau grüner Technologien benötigt große Menge an seltenen Mineralien, die in der Tiefsee vorkommen. Im Sinne des siebten Ziels für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goal, SDG) für nachhaltige Energie wäre dies begrüßenswert. Ob aber mit blauem Wachstum eine grüne Energiewende einhergeht, wird von Umweltschutzinitiativen bezweifelt. Sie wollen die Schädigung der letzten unberührten natürlichen Lebensräume (von Plastikverschmutzung abgesehen) unbedingt verhindern. Dies wäre im Sinne von SDG 14 zum Schutz der Biodiversität im Meer und SDG 12 für nachhaltigen Konsum und Produktion.

Wie also kann das Leben im Meer geschützt werden kann und wer sollte vom Abbaus profitieren? Sollte das Meer unter dem Prinzip der Freiheit der Meere oder des gemeinsamen Erbes behandelt werden? Diese Fragen spaltet die Regie­rungen, je nachdem ob sie selbst überhaupt Zugang zum Meer haben, und ob es ihnen technologisch möglich ist, vom Tiefseeabbau zu profitieren. Während zum Beispiel Russland und die USA für das liberale Freiheitsprinzip werben, sprach sich die 54-Staaten umfassende Afrika-Gruppe für das Welterbe-Prinzip aus, nachdem alle Gewinne geteilt werden sollten.

Michael Lodge (links), Ständiger Beobachter bei der Internationelen Meeresbodenbehörde (ISA), bei seinem Antrittsbesuch bei Generalsekretär António Guterres im Februar 2018.
Michael Lodge (links), Generalsekretär der Internationalen Meeresboden­be­hörde (ISA), und UN-Generalsekretär António Guterres im Februar 2018. (UN Photo/Eskinder Debebe)

Das UN-Seerechtsabkommen Kritik an der bisherigen Praxis

Bisher läuft die Verwaltung von maritimen Bodenschätzen und die Vergabe von Lizenzen für die kommerzielle Exploration der Tiefsee im Rahmen des UN-Seerechtsübereinkommens von 1994 und die Internationale Meeres­bodenbehörde (ISA). Während bis jetzt noch keine Abbau-Genehmigungen erteilt wurden, vergab die Behörde bis Juli 2019 29 Forschungslizenzen über ein Gebiet, das der Größe Spaniens entspricht, unter andere an Deutschland und Frankreich. Mathew Gianni, Mitbegründer der Tiefseeschutzkoalition, warf der ISA unlängst vor, dass Abstimmungen über die Vergabe intransparent seien und kommerzielle Interessen über den Artenschutz dominieren würden. Um zu verhindern, dass dies auch bei der späteren Vergabe von Förderlizenzen die Praxis wird, versuchen zahlreiche Umweltschutzorganisationen, Einfluss auf die Debatte und die Verhandlungen zu nehmen.
 

Unabsehbare Risiken des Schürfens in der Tiefsee

Der Abbau von Mineralen in der Tiefsee soll durch etwa 250 Tonnen schwere Maschinen durchgeführt werden, welche die Manganknollen wie Kartoffeln vom Boden ernten und durch Panzerschläuche an die Oberfläche transportieren. Damit sich der Abbau kommerziell lohnt, müssten nach Expertenschätzungen Gebiete von der Größe Bayerns umgepflügt werden. Die Folgen für die Ökosysteme sind unabsehbar, auch weil die Artenvielfalt der reichen Fauna in der Tiefsee sowie deren komplexe Wechselwirkungen selbst Biologen noch weitgehend unbekannt sind.
Klar ist, dass der von Maschinen aufgewirbelte Meeresboden Tiere ersticken kann, der Lärm und das Licht andere vertreibt oder desorientiert. Entstehende Abfälle sollen nach bisherigen Vorstellungen als Metallschlamm wieder auf den Grund geleitet werden.

Unklar bleibt, ob sich der Boden von den Schürfungen regenerieren kann, und wenn ja, wie lange das dauert. Denn die Manganknollen können kaum ohne den an sie haftenden Sedimenten geborgen werden, in denen vermutlich ein Großteil der Organismen lebt, die wiederum Tieren und Pflanzen als Nährstoff dienen.
 

Zähe Verhandlungen und die Gefahr vollendeter Tatsachen

Während Mineralien in der Tiefsee einerseits zu CO2-ärmeren Technologien beitragen könnten, würde ihre Förderung zugleich Millionen Jahre alte Ökosysteme zerstören. Ursprünglich sollten die Verhandlungen bis Frühling dieses Jahres abgeschlossen sein, aber viele halten dies nicht für realistisch. Umweltschutzinitiativen fordern, dass 30 Prozent der Hoch- und Tiefsee komplett von Schürfungen ausgenommen werden und ein umfangreiches Regelwerk besteht, bevor Tatsachen geschaffen werden. Des Weiteren sollte ein unabhängiges Gremium geschaffen werden, die Risiken für die Ökosystem kontrollieren, allerdings findet diese Forderung wenig Unterstützung. Sollten Regierungen und Firmen letztlich selbst für die Abwägung von Rohstoffinteressen und Artenschutz verantwortlich sein, wäre ein Interessenkonflikt vorprogrammiert.
 

Wasil Schauseil

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