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Die Weltgesundheitsorganisation zwischen Hoffnung und Ernüchterung

Im April machte die Weltgesundheits- organisation (WHO) mit gleich zwei optimistischen Berichten Hoffnung auf Erfolg im Kampf gegen globale Gesundheitsbedrohungen. In der Tat zeigen die gezielten Präventions- sowie Behandlungskampagnen der Organisation besonders im globalen Süden Wirkung. Getrübt wird das Bild durch die lange Liste akuter humanitärer Krisen und dem damit einhergehenden Zusammenbruch der Gesundheitssysteme in den betroffenen Regionen. Die Notlagen in Nigeria, Südsudan und dem Nahen Osten stellen die Organisation derzeit vor eine enorme Herausforderung.

WHO-Mitarbeiterin untersucht schwangere Frau in Nigeria (Foto: WHO/A. Clements-Hunt)

Mitte April stellte die WHO die Entwicklungen im Kampf gegen sogenannte vernachlässigte Tropenkrankheiten in einem neuen Bericht vor und erreichte dabei in den letzten zehn Jahren laut eigener Aussage einen „beispiellosen Erfolg“. Demzufolge verzeichnete die WHO weltweit einen starken Rückgang schwerer Tropenkrankheiten wie dem Denguefieber oder der Schlafkrankheit und registrierte 2016 nur noch 25 Infektionen mit dem Guineawurm, einer parasitären Infektionskrankheit, an der sich 1989 noch mehr als 900.000 Menschen infizierten.

Eine Frau befestigt ein von der WHO ausgeteiltes Mückennetz in Tansania. (Foto: WHO/S. Hollyman)

Auch der am 25. April stattgefundene Welt-Malaria-Tag wurde genutzt, um auf die Errungenschaften in der Zurückdrängung der lebensbedrohlichen Krankheit aufmerksam zu machen. Durch effektive Präventions- sowie Bildungsmaßnahmen sank die Infektionsrate zwischen 2010 und 2015 weltweit um 21%. Eine besonders ermutigende Nachricht kommt aus der wissenschaftlichen Forschung, die bereits Jahrzehnte auf der Suche nach einem wirksamen Malariaimpfstoff ist. Grund zum Optimismus ist die Zulassung des Impfstoffs RTS,S durch internationale Aufsichtsbehörden wie der Europäischen Arzneimittel-Agentur und die Ankündigung der WHO und deren Partner, den Impfstoff ab 2018 in Ghana, Kenia sowie Malawi in einem Pilotprogramm großflächig verteilen zu wollen. Dr. Matshidiso Moeti, die Regionaldirektorin der WHO in Afrika, zeigte sich vorsichtig zuversichtlich und wies auf das Potenzial des Impfschutzes hin, welcher in Kombination mit weiteren Eingriffen tausende Leben retten könne. Denn momentan bleibt Malaria eine globale Gesundheitsbedrohung, der im Jahr 2015 immer noch etwa 429.000 Menschen, besonders Kinder in Subsahara-Afrika, zum Opfer fielen.

Globale Gesundheitsversorgung in den SDGs

Auch im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat sich die WHO wichtige und ambitionierte Ziele gesetzt. So sieht das SDG 3 „Good Health and Well-Being“ unter anderem vor, eine allgemeine Gesundheitsversorgung sowie Zugang zu sicheren, effektiven und bezahlbaren Medikamenten und Impfstoffen für alle Menschen zu ermöglichen. Zudem wurde festgehalten, alle vermeidbaren Todesfälle von Müttern, Neugeborenen und Kindern bis 2030 zu beenden und allgemeinen Zugang zu sexueller Gesundheitsversorgung und Informationen für Familienplanung bereit zu stellen.

Ein WHO-Mitarbeiter misst den Armumfang eines Jungen und bereitet ihn auf eine Impfung vor. Borno State, Nigeria. (Foto: WHO/A. Clements-Hunt)

Gerade im Bereich der globalen Gesundheitsversorgung und den anderen im SDG 3 beschriebenen Zielen ist eine rasche Ausarbeitung und robuste Umsetzung von nationalen Gesundheitsstrategien notwendig. Für die Weiterentwicklung von Impfstoffen und Medikamenten werden in Zukunft Wissenschaft und moderne Technologien mit innovativen Ansätzen auch weiterhin neue Impulse schlagen und Durchbrüche für Gesundheit und Entwicklung ermöglichen. Dennoch, die effektive Umsetzung der WHO-Ziele und der Agenda 2030 im Grundsätzlichen, hängt auch von langfristigen Entwicklungen wie dem Klimawandel, der Weltwirtschaft, Migrationsbewegungen und regionalen Konfliktherden ab, die bereits heute die Handlungsspielräume der politischen EntscheidungsträgerInnen beeinflussen.

WHO in Konfliktregionen

Bewaffnete Auseinandersetzungen und Konflikte können relativ schnell zum Zusammenbruch der Gesundheitssysteme vor Ort führen. Die Zerstörung von Gesundheitseinrichtungen sowie personeller und materieller Mangel verschärfen die Versorgungslage der betroffenen Bevölkerung und unzureichende sanitäre Verhältnisse lassen Krankheits- und Infektionsrisiken dramatisch ansteigen. Vielerorts missachten die Konfliktparteien dabei auch humanitäres Völkerrecht, indem selbst vor gezielten Angriffen auf Hilfskonvois, Krankenhäuser und die Zivilbevölkerung nicht zurückgeschreckt wird. Darüber hinaus führen die Auswirkungen von akuter Unter- und Mangelernährung besonders bei Kindern und Jugendlichen längerfristig zu dauerhaften Schäden am Körper.

Die WHO verfolgt momentan aufgrund einer Vielzahl aktueller Krisen sogenannte „Emergency Response Plans“ mit ihren Partnerorganisationen in 25 Ländern, wobei die Konflikte und humanitären Notlagen in Syrien, Südsudan, Nigeria, dem Irak und im Jemen als besonders kritisch bewertet werden. Der Gesundheitsorganisation kommt in Konfliktsituationen eine Schlüsselrolle zu, da sie durch Koordinierungsmaßnahmen, technische und materielle Unterstützung der betroffenen Bevölkerung den Zugang zu einem Mindestmaß der Grundversorgung weiterhin ermöglichen kann.

 

Eine Infografik der WHO zeigt die dramatischen Auswirkungen des Bürgerkriegs auf die Gesundheitsversorgung im Jemen. (Foto: WHO Media Center)

So konnten im Nordosten Nigerias seit 2016 160 Gesundheitseinrichtungen mit Frühwarnsystemen für Krankheitsausbrüche wie Cholera ausgestattet werden, die 85% der Binnenflüchtlinge in der Borno-Provinz versorgen. Im Jemen wurden in den letzten Monaten etwa fünf Millionen Kinder gegen die hochansteckenden Krankheiten Polio und Masern geimpft. Frühwarnsysteme oder die landesweite Impfkampagne im Jemen spiegeln die länderübergreifende Strategie der WHO wider, bei der Prävention und Investitionen in entsprechende Strukturen die wichtigsten Komponenten bilden. Lokaler Kapazitätsaufbau heißt hier, besonders die Resilienz gefährdeter Bevölkerungsgruppen für die Zukunft zu stärken, nachhaltige Gesundheitssysteme zu gestalten und den Ausbau sozialer Sicherungsnetze voranzutreiben. Auf einer Geberkonferenz im April in Genf zu der dramatischen humanitären Lage im Jemen wurde erneut deutlich, wie schwierig es für Sonderorganisationen der Vereinten Nationen und ihre Partner ist, freiwillige Beiträge von Mitgliedsstaaten für humanitäre Maßnahmen zu sichern. Langfristige Finanzierungszusagen und zeitnahe Mittelüberweisungen würden die Planungssicherheit und Nachhaltigkeit der WHO-Programme erheblich stärken und somit direkt die Situation der Menschen vor Ort verbessern.

Doch selbst wenn keine Finanzierungsprobleme bestünden sollte deutlich werden, dass Prävention und humanitäre Hilfe alleine in Konfliktregionen wenig Wirksamkeit entfalten können. Gerade aktuelle humanitäre Notlagen wie die im Jemen, wo laut jüngsten UN-Berichten etwa 60% der Bevölkerung von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen ist und inadäquaten Zugang zu medizinischer Versorgung hat, sind durch das Vorgehen der Konfliktparteien menschengemacht und nicht auf Naturkatastrophen wie zum Beispiel eine Dürre zurückzuführen. Krisenprävention muss mit Waffenstillständen, ziviler Friedenskonsolidierung sowie fairer politischer und wirtschaftlicher Teilhabe stattfinden um Gesundheitssysteme funktionsfähig und nachhaltig zu gestalten. 

Artikel von Felix Manig.
Der Artikel spiegelt die persönliche Sichtweise des Autors wider.


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