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Ebola-Epidemie im Kongo: komplexer Kampf oder falsche Strategie?

Seit über einem Jahr wütet eine Ebola-Epidemie in der Demokratischen Republik Kongo. Warum ist sie noch immer nicht besiegt? Was wurde aus dem Ebola-Ausbruch 2013/2014 in Westafrika gelernt? Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht erneut in der Kritik.

Eine Frau impft ein Kind gegen Ebola im Nordosten der Demokratischen Republik Kongo.
Erstmals werden Impfungen erfolgreich gegen Ebola eingesetzt (UN Photo/Martine Perret)

Der Ebola-Virus hat die Demokratische Republik Kongo* weiterhin fest im Griff. Nach Angaben der Vereinten Nationen haben sich seit August 2018 mindestens 3.150 Menschen mit dem Virus infiziert, mehr als 2.100 von ihnen ließen bereits ihr Leben. Damit ist die Sterberate von rund 67 Prozent höher als beim Ausbruch in den Jahren 2013/2014 in Westafrika.

Doch es gibt auch Hoffnung. Laut dem Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, ist seit dem Ausbruch vor einem Jahr erstmals ein Rückgang der Neuinfektionen zu verzeichnen. Trotzdem warnt er: Das Risiko einer internationalen Ausbreitung sei weiterhin hoch.

Erinnerungen an die Ebola-Epidemie in Westafrika werden wach

Ebola wird durch Körperflüssigkeiten übertragen und ist hochansteckend. Eine einzige Berührung kann ausreichen. Unbehandelt verläuft die Krankheit meist tödlich. Unvergessen bleibt die dramatische Entwicklung 2013/2014, als sich der Virus ausgehend von Guinea in den Nachbarstaaten Sierra Leone und Liberia verbreitete – und später auch Mali, Nigeria und Senegal erreichte. Der WHO waren gerade die finanziellen Mittel gekürzt worden, weshalb sie viel zu spät aktiv wurde. Die betroffenen Länder waren im Kampf gegen Ebola lange Zeit auf sich allein gestellt. Insgesamt starben 11.300 Menschen.

Weitere Ebola-Fälle auch in Tansania?

Dementsprechend alarmiert verfolgen die anderen ostafrikanischen Staaten den aktuellen Ausbruch im Kongo. Trotz aller Sicherheitsmaßnahmen an den Grenzen sind sie bislang nicht ganz verschont geblieben: In Uganda starben nach offiziellen Angaben vier Menschen an Ebola. Auch in Tansania vermutet die WHO mehrere erkrankte Personen. Die tansanischen Behörden verneinen dies jedoch und lehnen zusätzliche Bestätigungstests ab. Dabei ist jedes Land nach den internationalen Gesundheitsvorschriften verpflichtet, Ebola-Verdachtsfälle direkt an die WHO zu melden. Noch ist unklar, warum die Behörden die Kooperation verweigern. Die WHO hat vorsorglich ihr Personal in Tansania aufgestockt und mehr Mittel wie Schutzanzüge und Impfstoffe bereitgestellt.

Seuchenschutz in einem aktiven Konfliktgebiet

Vom “komplexesten Kampf gegen Ebola in der Geschichte” spricht der UN-Koordinator für die Ebola-Nothilfe, David Gressly. Zwar wurden im Kongo erstmals Impfungen und spezielle Medikamente erfolgreich eingesetzt, doch sind diese nicht der ganzen Bevölkerung zugänglich. Der Kongo ist groß, es gibt viele abgelegene Gebiete, die Infrastruktur ist marode. Aufgrund zahlreicher Bürgerkriege mit Millionen Toten ist das Land politisch tief gespalten. Der Hotspot der Ebola-Epidemie liegt im Osten des Landes – genau dort, wo etwa 160 Rebellengruppen aktiv sind und es regelmäßig zu Gewaltausbrüchen kommt. Für Ärztinnen und Ärzte ist es äußerst schwierig, Erkrankten und ihren Kontaktpersonen vor Ort zu helfen. Immer wieder musste die UN-Friedensmission MONUSCO Gesundheitshelferinnen und -helfer bei ihrer Arbeit schützen.

Politische Instrumentalisierung von Ebola

Mehrere Gräber von Opfern der Ebola-Epidemie.
Ebola ist bittere Realität im Kongo. Mehr als 2.100 Menschen sind bereits daran gestorben. (UN Photo/Ari Gaitanis)

Hinzu kommt, dass unterschiedliche politische Akteure versuchen, die Krankheit für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. So wurden im Dezember 2018 Präsidentschaftswahlen in Teilen des Landes verschoben, weil es angeblich eine Ansteckungsgefahr an den Touchscreens der Wahlmaschinen gäbe. Die Begründung der Wahlkommission war aus medizinischer Perspektive äußerst fragwürdig und führte zu Protesten und Ausschreitungen.

Diese angespannte Situation nutzten lokale Gruppen für ihre eigene politische Agenda. Sie behaupteten, Ebola sei eine Erfindung der Regierung, um Oppositionelle von der Wahl abzuhalten. In der Folge kam es vermehrt zu Angriffen auf Ebola-Behandlungszentren. Seitdem kämpfen die Regierung unter dem neuen Präsidenten Félix Tshisekedi und die WHO darum, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. In einem Konfliktgebiet wie dem Kongo, in dem viele Menschen jahrelang unter der Gewalt nationaler Streitkräfte litten und traumatisiert sind, ist das eine große Herausforderung.

Impfstrategie der Weltgesundheitsorganisation in der Kritik

Für die nichtstaatliche Organisation Ärzte ohne Grenzen ist das Misstrauen in die Helferinnen und Helfer jedoch nicht der alleinige Grund für den ausbleibenden Erfolg. Sie werfen der WHO im Kampf gegen Ebola vor, Impfstoffe zu stark zu rationieren. Bisher wurden mehr als 220.000 Menschen im Kongo geimpft. Fast genauso viele Dosen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch vorrätig. Da im Kongo aber über 80 Millionen Menschen leben und die WHO für den Fall massenhafter Neuinfektionen gerüstet sein möchte, setzt sie auf sogenannte Ring-Impfungen – eine Impfstrategie, die von einem unabhängigen Expertenkomitee entwickelt wurde. Dabei wird immer nur im Umkreis von Ausbruchsherden und nicht flächendeckend geimpft. Konkret bedeutet dies: Infiziert sich eine Person mit Ebola, werden alle Personen geimpft, die zu ihr direkten Kontakt hatten (erster Ring), sowie  alle Personen, zu denen diese Kontaktpersonen wiederum direkten Kontakt hatten (zweiter Ring).

Dieses Prozedere ist sehr aufwendig und die Identifizierung der Kontaktpersonen ist nicht immer lückenlos möglich. Daher fordert Ärzte ohne Grenzen die WHO auf, schneller zu reagieren und großzügig ganze Gebiete zu impfen, statt Impfdosen zurückzuhalten und nach komplizierten Verfahren zu vergeben. Die WHO hat die Kritik zurückgewiesen und hält in Anbetracht sinkender Neuinfektionen an ihrer Impfstrategie fest.

Hoffnung auf zweiten Impfstoff

Eine deutliche Verbesserung der Lage könnte ein neuer Impfstoff bringen, der ab Mitte Oktober 2019 zusätzlich eingesetzt werden soll. Er besteht aus zwei Dosen, die mit einem Abstand von 56 Tagen verabreicht werden. Allerdings eignet sich dieser Impfstoff eher für die Prävention, da er erst nach der zweiten Dosis seine schützende Wirkung entfaltet. Geplant ist, den Impfstoff vor allem in gefährdeten Gebieten einzusetzen, in denen es bis dato noch zu keinem Ausbruch kam.

Am Ende wird jeder Impfstoff und jede Behandlung nur erfolgreich sein, wenn die Bevölkerung sie auch in Anspruch nimmt. Dazu müssen die Menschen von den unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten erfahren und Vertrauen aufbauen. Vermittlern vor Ort, zum Beispiel Vertreterinnen und Vertreter von Kirchen, kommt dabei eine zentrale Rolle zu. Die WHO muss noch mehr von diesen Schlüsselfiguren identifizieren und sie entsprechend einbinden. Das ist durchaus eine Mammutaufgabe für die chronisch unterfinanzierte WHO. Eine langfristige Investition in lokale Strukturen wird sich aber auszahlen – nicht nur bei der Bekämpfung von Ebola.

Maheba Goedeke Tort

 

* 'Demokratische Republik Kongo' wird im Verlauf des Textes mit 'Kongo' abgekürzt. Damit ist nicht das Land 'Republik Kongo' gemeint.


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