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Es knirscht gewaltig

Die erste Woche Klimaverhandlung in Bonn ist um. Der Fahrplan für die Umsetzung des Pariser Abkommens soll detaillierter ausgehandelt und die finanziellen Mittel gestärkt werden. Parallel dazu sind in Berlin die Sondierungsgespräche in die heiße Phase der Kompromissfindung gestartet. Nicht nur Umweltverbände fordern Restkontingente für Kohlendioxid, der Rufe nach einem höheren CO2-Preis werden von allen Seiten her lauter. Macht Bonn Berlin endlich Beine?

Große Windräder an stehen an der Küste
Bei den Klimaverhandlungen steht auch der Stand der Energiewende auf dem Prüfstand. Wie groß ist die Lücke zwischen den Verpflichtungen der Länder und den nationalen Umsetzungsplänen? Quelle: UN Photo/Noel Gomez

Die erste Woche Klimaverhandlung in Bonn ist um. Der Fahrplan für die Umsetzung des Pariser Abkommens soll detaillierter ausgehandelt und die finanziellen Mittel weiter gestärkt werden. Parallel dazu sind in Berlin die Sondierungsgespräche in die heiße Phase der Kompromissfindung gestartet.  Nicht nur Umweltverbände fordern Restkontingente für Kohlendioxid, der Rufe nach einem höheren CO2-Preis werden von allen Seiten her lauter. Macht Bonn Berlin endlich Beine?

615 m. So nah wohne ich seit vier Wochen entfernt von einem Windrad der neuesten Generation. Es ächzt und knarrt laut im Getriebe, angeblich ein Transportschaden. Symptomatisch für die Energiewende in Deutschland, denke ich, und darüber soll ich schreiben? Mein Gehörsinn ist geschärft. Es geht zuerst nach Bonn.

Auf der Klimakonferenz (COP23) treffen sich zurzeit die Staatenvertreter der 197 UNFCCC-Vertragsparteien. Die Länder sollen konkrete Ziele zur Verminderung des CO2-Ausstoßes formulieren. Daraus soll ein Regelbuch erarbeitet werden, das Maßnahmen zum Erreichen der Pariser Klimaziele festschreibt. Auf der nächsten Klimakonferenz im polnischen Katowice 2018 soll es bereits verabschiedet werden. Bei den Verhandlungen geht es darum, wie die Maßnahmen konkret gemessen und die Beiträge der Staaten miteinander verglichen werden können. Und natürlich genauso um die Fragen, wie die Weltgemeinschaft dann kontrollieren kann, dass alle sich für das Klimaschutzziel genug anstrengen.

Aktuelle Pressekonferenzen und wichtige Reden im Plenum können im Internet live oder on-demand verfolgt werden. Das weltweite Interesse ist groß, getwittert wird viel, auch wir berichten von unseren Eindrücken vor Ort (DGVN bei Twitter).

Auf dem COP23-Plenum: Begrüßung der TeilnehmerInnen begrüßt
Die Eröffnung der Konferenz (COP23, 6. - 17. November 2017) fand vor dem Hintergrund diesjähriger Hurricanes, Brände, Fluten, Dürren, schmelzender Gletscher und den Folgen für die Landwirtschaft statt, die weltweit die Nahrungssicherheit bedrohen. Quelle: unbonn.org

„Überall auf der Welt leiden viele Menschen – fassungslos gegenüber den Kräften, die sich gegen sie richten. Unsere Aufgabe als Führungspersönlichkeiten ist es, auf dieses Leid mit allen verfügbaren Mitteln zu antworten“, sagte der neu gewählte COP23-Präsident, der Premierminister Fidschis, Frank Bainimarama. „Das bedeutet, dass wir unsere Pflichten voll erfüllen müssen und uns nicht vor ihnen wegducken.”

Welche CO2-Minderung braucht Deutschland, um seine Klimaziele zu erreichen?

Auch und gerade Deutschland wird nach seinen Zielen gefragt. Bereits vor sieben Jahren hat die Bundesregierung beschlossen, bis 2020 die CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Eine Prognose des Umweltbundesamts geht davon aus, dass bisher nur ca. 340 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden konnten. Unerreichbar scheint das Klimaschutzziel 2020 von 500 Millionen Tonnen CO2 zu sein. Doch woran liegt das? Es passiert doch scheinbar so viel und es ist unübersehbar: Die Windkraft wurde doch in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut? Bundesweit stehen mittlerweile 27.270 Windenergieanlagen (31. Dezember 2016). Für 2017 wird ein neuer Rekordzuwachs erwartet. Und es gibt doch bereits seit 2005 ein europäisches Emissionshandelssystem, um den Ausstoß von Kohlendioxid im großen Stil zu verringern?

„Die Lücke, die durch die Verfehlungen und Versäumnisse der vergangenen Jahre entstanden ist, lässt sich in der kurzen verbleibenden Zeit nur sehr begrenzt kompensieren. Sie ist inzwischen so groß, dass viermal so viel CO2 pro Jahr eingespart werden müsste, um die Klimaziele bis 2020 doch noch zu schaffen.“ Das schreibt Andreas Löschel, Wirtschaftsprofessor an der Universität Münster und Vorsitzender der Expertenkommission der Bundesregierung zur Energiewende diese Woche in der ZEIT mit Blick auf die aktuellen Sondierungsverhandlungen in Bonn. Dort wird gerade heftig über den Zeitpunkt des Kohleausstiegs verhandelt.

Wo knarrt es im System?

Um den Klimawandel abzuschwächen, muss der Ausstoß von Kohlendioxid drastisch reduziert werden, denn CO2 ist die Hauptursache für die Erderwärmung. In allen Bereichen muss eingespart werden. Da reicht es nicht, nur den Ausstieg aus der Kohle als schnelle Lösung zu betrachten.

Vor über 10 Jahren hat sich die EU für das sogenannte Emissionshandelssystem, also ein Handel mit CO2-Zertifikaten, entschieden. Die starke Idee dahinter: Wenn CO2 etwas kostet, dann bekommen Unternehmen einen höheren Anreiz, in alternative Technologien zu investieren und so ihre Emissionen zu reduzieren. Bisher war das jedoch nicht wirkungsvoll genug. Es wurden zu viele Zertifikate ausgegeben. Es galt zu verhindern, dass energieintensive Branchen aus der EU abwandern. Dies und andere Gründe führten dazu, dass es ein Überangebot von Zertifikaten gibt und damit der CO2-Preis fällt. Es gibt keine Anreize mehr, Emissionen zu reduzieren.

Mit Kompromissen voran

Nun will die EU die Zertifikate künftig verknappen, um so den Preis für CO2 zu erhöhen. Nach monatelangen Verhandlungen ist eine Reform des Emissionshandels in der EU auf dem Weg: Ein Kompromiss sei erreicht und werde jetzt Vertretern der Mitgliedsstaaten vorgelegt, dies wurde am Donnerstag, 9.11.2017, mitgeteilt. Die Einigung ist vorläufig und muss noch von den EU-Staaten und vom Parlament bestätigt werden.

Interview mit Jochen Flasbarth am 09.11.17 auf der Klimakonferenz in Bonn. Quelle: phoenix-Reporter Marlon Herrmann, YouTube

Ein gutes Signal, so Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB). Es brauche jetzt eine robuste, starke Klimapolitik auch in Deutschland.

Made in Germany, stand mal für ein hohes Maß an Qualität und es bleibt zu hoffen, dass dies auch bald für die Energiewende in Deutschland gilt. Da sollte es meiner Meinung nach nicht im Getriebe knirschen. Ich hoffe, eine Lösung wird jetzt schnell gefunden.

(Birgit Linde)

 


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