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Fortsetzung der UN-Beobachtermission in Kolumbien

Der UN-Sicherheitsrat hat sich in seiner Sitzung am 30. Juni 2017 für eine Stärkung der Beobachtermission in Kolumbien ausgesprochen und eine zweite Mission in Aussicht gestellt.

Soldaten der FARC geben ihre Waffen ab
UN Photo

Seit 2016 sind die Vereinten Nationen damit beauftragt, das Waffenstillstandsabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und den Rebellen der Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (FARC-EP) zu überwachen. Auch wenn das Abkommen weiter Bestand hat, steht die kolumbianische Gesellschaft vor großen Herausforderungen.

Der Guerillakrieg in Kolumbien

Bereits seit 1964 führt die FARC-EP einen Guerillakrieg gegen den kolumbianischen Staat. Die sich selbst als marxistische Kampfgruppe des kolumbianischen Volkes bezeichnende Organisation entstand in Folge der gewalttätigen Auseinandersetzungen konservativer und liberaler Parteien in Kolumbien, die von 1948 bis 1958 andauerten. In dem Konflikt, La Violencía genannt, organisierten sich verschiedene Guerillaeinheiten zum Kampf gegen das staatliche Militär. Vorübergehend beenden konnte den Konflikt nur eine vierjährige Militärdiktatur.  Da die FARC-EP zunächst vor allem aus Bauern und Landwirten bestand, erhob sie fast ausschließlich landwirtschaftliche Forderungen und trat vor allem im gering besiedelten Süden des Landes auf. Seit den 1980er Jahren schlossen sich jedoch zunehmend politisch motivierte Studierende der FARC-EP an und weiteten deren Aktivitäten auf kolumbianische Großstädte aus. Der Konflikt verschärfte sich, Korruption und Drogenhandel verbreiteten sich: bis zum Jahr 2016 fielen insgesamt circa 220.000 Menschen dem Guerillakrieg zum Opfer. 

Nachdem Ende der 1990er Jahre Friedensbemühungen zwischen Kolumbien und den Rebellen gescheitert waren, strebte die damalige Regierung eine militärische Lösung des Konflikts durch ein hartes militärisches Vorgehen gegenüber der FARC an. Erst im Jahr 2013 nahm Staatspräsident Juan Manuel Santos die Friedensbemühungen wieder auf, obwohl sowohl die FARC als auch die kolumbianische Armee weiterhin militärisch gegeneinander vorgingen. Nach schwierigen Verhandlungen einigten sich am 26. September 2016 beide Seiten schließlich auf ein Friedensabkommen. Präsident Santos wurde für seinen Einsatz um eine politische Lösung der Auseinandersetzung der Friedensnobelpreis verliehen. 

Jean Arnault spricht vor dem Sicherheitsrat.
Der Leiter der UN-Mission in Kolumbien Jean Arnault spricht vor dem Sicherheitsrat. (UN Photo)

Fortsetzung der UN-Beobachtermission in Kolumbien

Nachdem die Kolumbianer in einer nicht bindenden Volksabstimmung im Oktober 2016 das historische Friedensabkommen mit der FARC zunächst ablehnten, wurden die Friedensbemühungen fortgesetzt und Ende November ein Waffenstillstand zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Vertretern vereinbart. Der überarbeitete Friedensvertrag sieht vor, dass die Guerillas ihre Waffen vollständig an die Vereinten Nationen abgeben, zukünftig ihre Ziele aber mit politischen Mitteln verfolgen dürfen. Im Gegenzug verpflichtete sich die kolumbianische Regierung, inhaftierte FARC-Anhänger freizulassen. Bestandteil des 300-seitigen Vertrags sind zudem die Behebung von Konfliktursachen, die Regelung der Landreform und die Entschädigung der Opfer.

Zur Überwachung des Abkommens und zur Durchführung der beschlossenen Maßnahmen richteten die Vereinten Nationen eine UN-Beobachtermission in Kolumbien ein. Die UN-Mission konnte zunächst schnelle Erfolge vorweisen. So gaben bereits Anfang Februar 200 FARC-EP-Streitkräfte ihre Waffen an die Vereinten Nationen ab. In den letzten Monaten geriet der Friedensprozess allerdings zunehmend ins Stocken, die Entwaffnung verzögerte sich. Nur durch intensive Friedensbemühungen der Vereinten Nationen und der kolumbianischen Regierung konnte die Entwaffnung der FARC vorangetrieben werden. Am 27.06.2017 dann die historische Nachricht: Die FARC-Rebellen haben alle der 7.132 registrierten Waffen an die Vereinten Nationen abgegeben. 

Der UN-Sicherheitsrat befasste sich Ende Juni mit der aktuellen Lage in Kolumbien und beglückwünschte die Regierung Santos und die FARC-Rebellen zur erfolgreichen Umsetzung der friedensschaffenden Maßnahmen. In den nächsten Wochen wird die UN-Mission mit der Zerstörung der abgegebenen Waffen fortfahren. Geht es nach dem Sicherheitsrat, soll die in Kolumbien angewandte Strategie eines dreigliedrigen Überwachungs- und Verifikationsmechanismus auch in anderen Konflikten eingesetzt werden.  So haben beide Parteien an der gegenseitigen Überprüfung der Einhaltung des Abkommen unter Koordination der Vereinten Nationen teilgenommen. Es konnte dadurch soweit Vertrauen aufgebaut werden, dass die kolumbianische Regierung gemeinsam mit der FARC-EP beantragt hat, eine zweite Beobachtermission der Vereinten Nationen einzurichten. „Wir fühlen uns geehrt durch den Antrag“, so Jean Arnault, der Leiter der UN-Mission in Kolumbien.

Aktuelle Herausforderungen und eine zweite UN-Mission in Kolumbien

Eine zweite UN-Mission soll damit mandatiert werden, den politische Prozess in Kolumbien, die ökonomische und soziale Wiedereingliederung der FARC-EP, die Umsetzung  individueller und kollektiver Sicherheitsmaßnahmen sowie Schutzprogramme für Gemeinden und Organisationen in den betroffenen Regionen zu überprüfen und voranzutreiben. Aktuell befinden sich die FARC-Rebellen in sogenannte Friedenscamps, bereiten sich auf ein normales Leben und die Gründung einer politischen Partei vor. Im Zuge des Friedensprozesses wurde der FARC-EP in den ersten Jahren zehn Sitze im kolumbianischen Kongress garantiert. Die Anliegen der armen Landbevölkerung und die Forderung nach einer gerechten Bodenreform soll so auf politischen Wegen weiter verfolgt werden. Mit einer zweiten Beobachtermission reagieren die Vereinten Nationen angemessen auf die aktuellen Herausforderungen in Kolumbien. 

 

Zu einem dauerhaften und stabilen Frieden ist es für Kolumbien allerdings noch ein weiter Weg. So versuchen seit dem Friedensschluss mehrere Guerillagruppen das nun entstandene Machtvakuum in den Gebieten, die seit Jahrzehnten von der FARC-EP kontrolliert werden, auszufüllen. Auch mit diesen Organisationen muss verhandelt werden. Hier sollten sich die Vereinten Nationen auch zukünftig als Vermittler anbieten und weitere Friedensgespräche ermöglichen. Im Zuge dieser Bemühungen konnten bereits Gespräche mit der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) vorbereitet werden. 

Zu einer dauerhaften Befriedigung Kolumbiens muss zudem der Kampf gegen den illegalen Drogenhandel intensiviert, staatliche Korruption bekämpft, Opfer der militärischen Konflikte der letzten Jahrzehnte entschädigt und der sozial benachteiligten Landbevölkerungen Perspektiven aufgezeigt werden. Die Friedensverhandlungen haben gezeigt, dass die Stärkung von Demokratisierungsprozessen ein Schlüssel dabei sein kann. Politische Partizipation und ein Leben unter gesicherten und gerechten Einkommensverhältnissen zu ermöglichen, wirkt somit friedenssichernd und trägt nachhaltig zur Stabilisierung des Landes bei

Den komplexen und schwierigen Friedensprozess sowie die aktuelle ökonomische und soziale Lage Kolumbiens nimmt die diesjährige Studienreise der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen in den Blick. Von Ende August bis Anfang September reist die Studiengruppe nach Bogotá und Medellín. Informationen zur Reise finden Sie hier: http://www.dgvn.de/meldung/dgvn-studienreise-nach-kolumbien/

Christian Buschmann


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