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Friedenskonsolidierung in der Elfenbeinküste – Eine Erfolgsgeschichte?

Sechs Jahre nach Ende der ivoirianischen Wahlkrise 2010/2011, der 3000 Menschen zum Opfer fielen, bereitet sich die Mission der Vereinten Nationen ONUCI (Opération des Nations Unies en Côte d’Ivoire) auf den baldigen Abzug aus der Elfenbeinküste vor. In Anbetracht der zunehmenden Stabilität ordnete der UN-Sicherheitsrat mit der Resolution 2284 im April 2016 das Ende der Mission an, die oftmals als besonders erfolgreiches Beispiel der Friedenssicherung und -konsolidierung der Vereinten Nationen angeführt wird. Doch wie ist die Lage heute in der Elfenbeinküste? Kann tatsächlich von einem stabilen Frieden gesprochen werden?

Ende Juni 2017 werden die Truppen der Vereinten Nationen die Elfenbeinküste verlassen. (UN Photo/ Patricia Esteve)

Anlässlich des Endes der UN-Mission drückte die Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs, Aïchatou Mindaoudou am 8. Februar 2017 ihre Zuversicht bezüglich der Zukunft der Elfenbeinküste aus. Ihr zufolge befinde sich das Land auf dem besten Weg zu einer dauerhaften Stabilität. Gleichzeitig stellte Mindaoudou jedoch fest, dass bezüglich der nationalen Versöhnung sowie der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte weitere Bemühungen der Regierung notwendig seien, um einen dauerhaften, sich selbsttragenden Frieden zu schaffen.

Ein angespanntes politisches Klima  

In den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2015 wurde Präsident Alassane Ouattara mit großer Mehrheit für eine zweite Amtszeit gewählt. Anders als von vielen befürchtet, verliefen die Wahlen ohne größere Zwischenfälle. Die Sondergesandte des UN-Generalsekretärs bezeichnete den ersten Urnengang seit der Krise 2010/2011 als entscheidenden Schritt hin zu einer dauerhaften Stabilität in der Elfenbeinküste. Auch die Parlamentswahlen im Dezember 2016 verliefen friedlich. Das Verfassungsreferendum, das unter anderem die Abschaffung der umstrittenen Klausel zur Nationalität der Präsidentschaftskandidaten vorsah, fand im Oktober 2016 hingegen in einem von Spannungen und Antagonismen geprägten Kontext statt. Die Opposition bezeichnete die Verfassungsänderung als undemokratisch und rief ihre Anhänger zum Boykott auf. Die angespannte Stimmung wurde überdies durch hetzerische Rhetorik und Hassreden der Medien angeheizt. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wurden am Tag des Referendums 100 gewaltsame Zwischenfälle verzeichnet. Die hitzigen Kontroversen über die Verfassungsänderung verdeutlichten, dass die ivoirianische Bevölkerung auch sechs Jahre nach der Wahlkrise entlang politischen und ethnischen Linien gespalten ist. Das umstrittene Referendum ebenso wie der Streik des öffentlichen Diensts Anfang dieses Jahres zeugen von der dringenden Notwendigkeit eines inklusiven politischen Dialogs in der Elfenbeinküste. Sollte Ouattara auch in Zukunft wenig Bereitschaft für den Einbezug der Opposition und der Zivilgesellschaft zeigen, wird dies schwerwiegende Folgen für die politische Stabilität des Landes haben.

Eine unvollständige Sicherheitssektor-Reform

Trotz des nahenden Abzugs der ONUCI-Truppen sind derzeit insbesondere im Bereich der Sicherheit ernstzunehmende Defizite zu verzeichnen. Wenngleich seit der post-elektoralen Krise 2010 beachtliche Fortschritte erzielt werden konnten, sorgen bewaffnete Überfälle, lokale Konflikte sowie die Aktivitäten bewaffneter Gangs und krimineller Jugendbanden weiterhin für Unsicherheit. Dem Bericht des UN-Generalsekretärs vom 31. January 2017  zufolge kommt es insbesondere im Westen des Landes aufgrund der Rückkehr zahlreicher Geflüchteter aus Liberia zu gewaltsamen Auseinandersetzungen um Landbesitz. Die ausbleibende Stabilität in der Elfenbeinküste ist nicht zuletzt auf die unvollständige Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration (DDR) der ehemaligen Kämpfer zurückzuführen. Wenngleich die Regierung den DDR-Prozess am 30. Juni 2015 für abgeschlossen erklärt hatte, konnten nicht alle ehemaligen Kämpfer entwaffnet werden. Auch der Waffenzirkulation konnte der DDR-Prozess nur eingeschränkt Einhalt gebieten. Ähnlich wie der DDR-Prozess verläuft auch die 2012 initiierte Reform des ivoirianischen Sicherheitssektors stockend. Entgegen der Zielsetzungen der Regierung ist der Sicherheitssektor bis heute stark fragmentiert. Tatsächlich hat die post-elektorale Krise tiefe Spuren hinterlassen, weswegen auch heute noch Misstrauen zwischen den verschiedenen Sicherheitsinstitutionen herrscht. Hinzu kommen Korruptionsprobleme sowie mangelhafte Ausrüstung und Training, was sich negativ auf die Handlungsfähigkeit der Sicherheitskräfte auswirkt. Die Fragilität des ivoirianischen Sicherheitssektors wurde überdies durch die Meutereien der Sicherheitskräfte Anfang dieses Jahres verdeutlicht: Im Januar und Februar hatten Soldaten in mehreren Städten der Elfenbeinküste in die Luft geschossen, um ihrer Frustration über ihre Einsatz- und Lebensbedingungen Ausdruck zu verleihen. Die Regierung hatte anschließend den Forderungen der Meuterer ohne großes Zögern nachgegeben und Prämien versprochen. Zum einen verdeutlichen die Forderungen der Sicherheitskräfte, dass weitere Bemühungen notwendig sind, um eine Umsetzung der Reform des Sicherheitssektors voranzutreiben. Zum anderen wirft die Reaktion der Regierung Fragen bezüglich der politischen Stabilität der Elfenbeinküste auf. Wenn der Eindruck entsteht, dass Forderungen nur durch Gewalt Gehör verschafft werden können, bewegt sich die Stabilität der Elfenbeinküste auf dünnem Eis.

Präsident und Generalsekretär der Vereinten Nationsn
Der ivoirianische Präsident Alassane Ouattara gemeinsam mit dem ehemaligen UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. (Foto: UN)

Einseitige Strafverfolgung: Ein Hindernis für nationale Versöhnung

Ein weiteres Element, welches einer dauerhaften Stabilität in der Elfenbeinküste bislang im Weg steht, ist die fortbestehende Lücke in der Strafverfolgung. Nicht alle Täter, die sich während der Wahlkrise für Menschenrechtsverletzungen schuldig machten, wurden bisher für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. Wie eine Reportage  des Nachrichtensenders Al Jazeera suggeriert, geht die ivoirianische Justiz bislang nur halbherzig gegen die Verantwortlichen vor. Auch der UN-Generalsekretär drückte in seinem Bericht seine Besorgnis gegenüber einer einseitigen Justiz aus. Tatsächlich lässt einiges darauf schließen, dass die Unterstützer des ehemaligen Präsidenten Gagbo heute staatlicher Willkür ausgesetzt sind, während die Verbrechen der nationalen Armee und der Forces Nouvelles während der Wahlkrise weitgehend ohne Konsequenzen blieben. Die Versäumnisse der Strafverfolgung sowie die zweifelhafte Unabhängigkeit der Justiz stehen einem tiefgreifenden Versöhnungsprozess der Ivoirianer bislang im Weg. Dem Versprechen Ouattaras, der nationalen Versöhnung in seiner zweiten Amtszeit oberste Priorität beizumessen, sind bislang keine konkreten Maßnahmen gefolgt. So lange jedoch eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und den Konfliktursachen ausbleibt und den Bedürfnissen der Opfer wenig Beachtung geschenkt wird, bleibt der Frieden in der Elfenbeinküste zerbrechlich.

Wirtschaftswachstum: Grundlage für Frieden?

Im Gegensatz zur angespannten politischen Lage und der stockenden Reform des Sicherheitssektors erzielt der wirtschaftliche Wiederaufbau der Elfenbeinküste gute Fortschritte. Dem Internationalen Währungsfond zufolge ist die Elfenbeinküste heute mit 8,5% die wachstumsstärkste Wirtschaft des afrikanischen Kontinents. Dies ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass Präsident Ouattara die Wiederbelebung der Wirtschaft nach der Wahlkrise zu seiner obersten Priorität erkor. Ouattara vertritt die Überzeugung, dass die Wunden der Vergangenheit vor allem durch Wohlstand geheilt werden können. Die blühende Lage der Volkswirtschaft kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit 43% knapp die Hälfte der Ivoirianer noch immer in Armut lebt. Die Arbeitslosenquote lag 2016 bei 25% und  insbesondere junge Menschen leiden unter Perspektivlosigkeit. Vom Boom der Wirtschaft profitieren also bei weitem nicht alle. Dringende Bemühungen von Seiten der Regierung sind notwendig, um die ivoirianische Wirtschaft inklusiver zu gestalten und eine ausgewogene Verteilung des Wohlstands zu garantieren. Nur auf diese Weise kann das Wirtschaftswachstum seine positive Wirkung auf die politische Stabilität und den Frieden in der Elfenbeinküste auch tatsächlich entfalten. 

Prognosen für die Zukunft

Die aktuelle politische, sicherheitstechnische und sozioökonomische Lage in der Elfenbeinküste verdeutlicht, dass trotz des baldigen Abzugs der UN-Mission noch nicht von einem stabilen, sich selbsttragenden Frieden gesprochen werden kann. Die Bereitschaft und das finanzielle Engagement der ivoirianischen Regierung wird in den kommenden Jahren entscheidend sein, um die Errungenschaften der bisher umgesetzten friedenskonsolidierenden Bemühungen zu festigen. Nur wenn über die Wirtschaftserfolge hinaus tiefgreifende Maßnahmen im Bereich der Versöhnung, der Reform des Sicherheitssektors und des politischen Dialogs ergriffen werden, können sich politische Stabilität und Frieden dauerhaft in der Elfenbeinküste entfalten. 

Lisa Heinzel


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