Menü

Hochschulbildung für die SDGs

Bildung ist mehr als nur eines der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs). Sie ist der Schlüssel für einen Übergang zur Nachhaltigkeit und somit essentiell für die Erreichung einer Vielzahl der 17 Ziele globaler Entwicklung. In Anbetracht der großen Veränderungsprozesse, die im Rahmen der SDGs auf den globalen Norden wie den globalen Süden zukommen, ist es höchste Zeit, Probleme im höheren Bildungssystem zu identifizieren und durch gemeinsame Lösungsansätze zu ihrer Überwindung beizutragen. In der Aktuellen Kolumne des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik erklärt Andreas Stamm, wo die großen Herausforderungen liegen und was internationale Zusammenarbeit jetzt tun kann, um das gemeinsame praxisorientierte Lernen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Ländern zu fördern.

© UN Photo/Rick Bajornas
(UN Photo/Rick Bajornas)

Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals - SDGs) erfordern wissensbasierte Konzepte, sonst wird ihre Umsetzung scheitern. Entwicklungszusammenarbeit versteht sich schon lange als Know-how-Vermittler, oft im Rahmen technischer Zusammenarbeit. Die notwendige globale Transformation, wie sie sich auch in den SDGs als Vision widerspiegelt, verlangt ein radikal anderes Herangehen. An die Stelle eines Nord-Süd-Wissenstransfers muss das gemeinsame praxisorientierte Lernen von Wissenschaftlern aus vielen Ländern treten. Akteure des globalen Südens müssen frühzeitig einbezogen werden, um Problemlagen und Lösungsansätze zu identifizieren und zu ihrer Überwindung beizutragen.

Diese Themen wurden am 20. und 21. März in Berlin auf der Konferenz „Role of Higher Education, Science and New Alliances – 2030 Agenda” diskutiert. Sie wurde organisiert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Alexander von Humboldt-Stiftung. Gemeinsam mit Partnern des globalen Südens wurde analysiert, welche Rolle Hochschulbildung und Wissenschaft für das Erreichen der SDGs haben und wie sich die internationale Zusammenarbeit hierauf einstellen kann.

 

Tertiäre Bildung und die SDGs

Ein globaler Übergang zur Nachhaltigkeit kann auf Basis einer breiten und hochwertigen Hochschulausbildung auch im globalen Süden gelingen. Diese darf sich nicht auf die Vermittlung von Lehrbuch- und Faktenwissen beschränken, sondern muss Menschen befähigen, komplexe und drängende Herausforderungen zu antizipieren, zu analysieren und Lösungen zu finden. Neugierde am gemeinsamen Lernen mit internationalen Partnern gehört ebenso zu den zu vermittelnden Werten wie die Bereitschaft, überliefertes Wissen zu hinterfragen und eventuell zu revidieren. Diese Anpassungen sind im Norden wie im Süden notwendig.

 

Hochschulbildung im globalen Süden steht vor großen Herausforderungen

Der Bevölkerungszuwachs der kommenden Jahrzehnte wird fast ausschließlich im globalen Süden stattfinden. Immer mehr junge Menschen erwerben die Qualifikation, um sich an einer Hochschule einzuschreiben. Das wird die Nachfrage nach Studienplätzen stark erhöhen. Damit setzt sich ein Trend fort, der seit Jahren vor allem in Ländern mit mittlerem Einkommen beobachtet werden kann. Zwischen 2000 und 2014 stieg die Zahl der Studierenden in Middle Income Countries von 60 auf 122 Millionen. In vielen Ländern des globalen Südens sind Hochschulen und ihr Personal schon heute systematisch überlastet. Wenn wenige Professoren immer mehr Studierende unterrichten müssen, dann leidet die Qualität der Lehre und für eigene Forschungen bleibt keine Zeit. Das Humboldtsche Bildungsideal einer Einheit von Forschung und Lehre rückt in weite Ferne.

 

Die internationale Zusammenarbeit Deutschlands muss sich anpassen

Die Trennung von internationaler Wissenschafts- und Bildungskooperation auf der einen und Entwicklungszusammenarbeit auf der anderen Seite ist nicht mehr zeitgemäß. Sie verhindert Synergien. Dass es auch anders geht, zeigt beispielhaft das Programm Novas Parcerias (NoPa). Im Rahmen der mit Brasilien vereinbarten entwicklungspolitischen Schwerpunkte Schutz der Tropenwälder und der Artenvielfalt arbeiten die brasilianische Förderagentur für Hochschulbildung CAPES, GIZ und DAAD seit 2010 daran, Kooperationen in der Spitzenforschung zwischen brasilianischen und deutschen Universitäten zu initiieren und zu begleiten. Dies ist ein vielversprechender Ansatz, der ausgebaut werden muss. Sinnvoll wäre auch, wenn nicht nur die Durchführungsorganisationen zusammenarbeiten, sondern auch die federführenden Ministerien, das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), vor allem in der Kooperation mit Schwellenländern.

Weniger entwickelte Länder müssen beim Aufbau ihrer Hochschulen massiv unterstützt werden, damit die vielen bildungsorientierten jungen Menschen nicht frustriert zurückbleiben. Angesichts der massiven Herausforderungen werden hierfür umfangreiche Mittel benötigt. Ein international koordiniertes Vorgehen ist zwingend. Hochschulen sollten jedoch nicht isoliert gefördert werden. Hochschulabsolventen muss die Möglichkeit gegeben werden, attraktive und zukunftsträchtige Arbeitsplätze zu finden. Sonst steigt der Druck, in die Länder des globalen Nordens abzuwandern, wo qualifizierte Fachkräfte zunehmend gesucht werden. Privatsektor- und Gründungsförderung sind sinnvolle komplementäre Handlungsfelder.

Neue Techniken kreativ und innovativ nutzen

Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, vielen Menschen hochwertige tertiäre Bildungsinhalte zu vermitteln. Research4Life ist eine Plattform, die Lernenden aus Entwicklungsländern Zugang zu freien digitalen Bibliotheken eröffnet. Massive Open Online Courses (MOOC) stellen eine spannende Möglichkeit dar, weitgehend frei von geographischen Beschränkungen aktuelle Bildungsinhalte zu entwickeln und an viele Lernende kostengünstig zu vermitteln. Warum sollten nicht deutsche und brasilianische Universitäten gemeinsam Kurse entwickeln und an brasilianische Lernhungrige genauso vermitteln wie an Studierende in Angola und Mozambique? Die Sprache wäre keine Barriere. Die technischen Möglichkeiten sind da, gefragt sind nun Kreativität und Innovationen, um sie zu nutzen.

Andreas StammDeutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Der Text wurde ursprünglich in "Die Aktuelle Kolumne" des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) veröffentlicht.

Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) zählt weltweit zu den führenden Forschungsinstituten zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik. Das DIE berät auf der Grundlage unabhängiger Forschung öffentliche Institutionen in Deutschland und weltweit zu aktuellen Fragen der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem DIE veröffentlichen wir die "Aktuellen Kolumnen" mit UN-Bezug auch auf den Portalen der DGVN.


Das könnte Sie auch interessieren


  • Friedensuniversität

    Friedensuniversität

    01.02.1981
    Friedensuniversität: Generalversammlung billigt Gründungsvertrag (18). mehr

  • Das Historische Archiv der Bibliothek der Vereinten Nationen in Genf

    Das Historische Archiv der Bibliothek der Vereinten Nationen in Genf

    01.08.1981
    Die Feststellung ist gewiss nicht übertrieben, dass es in der deutschen Öffentlichkeit um das Interesse an den Bemühungen der Nationen und ihrer Regierungen während der Zwischenkriegszeit, die internationalen Konflikte auf friedlichem Wege… mehr

  • Frauenforschung: Unsichtbares sichtbar machen

    Das Programm des Internationalen Forschungs- und Ausbildungsinstituts der Vereinten Nationen zur Förderung der Frau (INSTRAW)Frauenforschung: Unsichtbares sichtbar machen

    01.12.1992
    Santo Domingo, die Hauptstadt der Dominikanischen Republik, ist Sitz des Internationalen Forschungs- und Ausbildungsinstituts der Vereinten Nationen zur Förderung der Frau (United Nations International Research and Training Institute for the… mehr