Klimaabkommen: Ratifizierungsprozess im Eiltempo
„Die bemerkenswert große Unterstützung für das Abkommen bringt die Dringlichkeit und das Ausmaß der Herausforderung zum Ausdruck. Die Emissionen steigen weiter. Das Gleiche gilt für das globale Thermostat – und für die Risiken.“ UN-Generalsekretär Ban Ki-moon lud die Regierungen der Welt für den 21. September 2016 zu einem „special event“ nach New York ein, um am Rande der Generalversammlung den Prozess der Ratifizierung des Klimaabkommens von Paris zu beschleunigen.
Dies ist ihm gelungen, denn 31 Staaten brachten ihre Ratifizierungsurkunden mit nach New York. Damit haben 60 Staaten das Abkommen ratifiziert, für das Inkrafttreten des Abkommens waren 55 Ratifizierungen erforderlich.
Schwieriger ist die zweite Bedingung für ein Inkrafttreten zu erfüllen. Es müssen ausreichend viele Staaten das Abkommen ratifizieren, um zusammen mindestens 55 % der globalen klimaschädlichen Emissionen zu erreichen. Dass Anfang September mit China und den USA die beiden Länder mit den weltweit höchsten Emissionen das Abkommen ratifizierten, war ein wichtiger Schritt auf diesem Weg. Mit den in New York vorgelegten Ratifizierungen ist der Anteil nun auf 47,76 % gestiegen. Es wird erwartet, dass mithilfe weiterer Industrie- und Schwellenländer die Marke von 55 % in Kürze überschritten wird. Einen Überblick über den Ratifizierungsstand gibt die Website des UN-Klimasekretariats UNFCCC.
Der lange Schatten des Donald Trump
Die rasche Ratifizierung des Klimaabkommens ist nicht nur Ausdruck eines gewachsenen internationalen Bewusstseins für die Dringlichkeit von Maßnahmen gegen den Klimawandel und seine Folge. Viele Regierungen wollen außerdem vollendete Tatsachen schaffen, bevor eventuell Donald Trump am 8. November 2016 zum nächsten US-Präsidenten gewählt wird. Er hat im Wahlkampf wiederholt seine Ablehnung des Abkommens kundgetan und angekündigt, er werde Barack Obamas Unterschrift unter das Abkommen wieder zurückziehen und das Abkommen neu aushandeln.
Diejenigen, die länger an den UN-Klimaverhandlungen beteiligt sind, erinnern sich daran, dass US-Präsident Bill Clinton 1997 das „Kyoto-Protokoll“ unterzeichnet hatte, sein Nachfolger George W. Bush diese Zustimmung aber umgehend zurückzog, sodass die USA sich nicht an dieser internationalen Klimainitiative beteiligten.
Die Strategie ist nun, das Abkommen noch vor den US-Präsidentschaftswahlen offiziell in Kraft zu setzen, denn dann kann ein neuer amerikanischer Präsident nach allgemeiner Rechtsauffassung die Ratifizierung durch den Vorgänger nicht wieder zurücknehmen.
Um ganz sicher zu gehen, ist ein zweiter Schritt geplant. Wenn es gelingt, bei der nächsten UN-Klimakonferenz in Marrakesch/Marokko vom 7. bis 18. November 2016 mit der Verabschiedung der Ausführungsbestimmungen des Abkommens zu beginnen, wäre eine Annullierung der Mitwirkung durch die USA noch weniger möglich.
Dafür müssen aber ausreichend viele Staaten das Abkommen 30 Tage vor der Klimakonferenz ratifiziert haben. Das Abkommen sieht nämlich vor, dass eine Ratifizierung erst nach dieser Frist rechtlich wirksam wird und damit eine Mitwirkung an der Festlegung der Ausführungsbestimmungen möglich ist. Deshalb ist Eile geboten, um noch vor dem 7. Oktober möglichst viele Ratifizierungsurkunden vorliegen zu haben.
Bundesrepublik ratifiziert Abkommen spät, aber dann rasch
Anders als zahlreiche andere Länder hat sich Deutschland Zeit mit der Ratifizierung des Klimaabkommens gelassen. Zwar hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Ratifizierung Anfang Juli beschlossen, aber es war vorgesehen, das Gesetzgebungsverfahren im November abzuschließen, womit die Ratifizierung erst nach der Klimakonferenz in Marrakesch wirksam geworden wäre. Deutschland hätte sich dann nicht offiziell an den Beratungen über die Ausführungsregelungen des Abkommens in Marrakesch beteiligen können, eine durchaus peinliche Situation.
Auf Initiative von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und mit Zustimmung aller Bundestagsfraktionen gelang es nun, die Gesetzgebung so zu beschleunigen, dass Bundestag und Bundesrat den Gesetzentwurf innerhalb dieser Woche behandeln und beschließen. Anschließend soll das Gesetz zügig vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden. Es kann damit voraussichtlich bis Anfang Oktober in Kraft treten, gerade noch rechtzeitig zur nächsten Klimakonferenz.
Die EU sucht weiterhin nach einem Einvernehmen
Zunächst war vorgesehen, dass die EU-Mitgliedsstaaten – wie bei solchen Abkommen üblich – ihre Ratifizierungsurkunden gemeinsam übergeben und die EU bis dahin als Unterzeichner des Klimaabkommens ebenfalls den Ratifizierungsprozess durch das Europäische Parlament abgeschlossen haben würde. Aber es bleibt offen, ob die konträren Positionen innerhalb der EU so rechtzeitig zu einem Konsens geführt werden können, dass ein gemeinsamer Abschluss des Ratifizierungsprozesses noch in diesem Jahr zu gewährleisten ist.
Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie rasch auch das letzte der EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifiziert haben wird, sondern die Europäische Union als Gemeinschaft muss sich auch einigen, welchen Anteil an den von der Gemeinschaft als Ganzer zugesagten Emissionsreduzierungen jedes einzelne Land übernimmt. Länder wie Polen bestehen darauf, dass sie weniger als andere Mitglieder zur Umsetzung dieser Zusagen beitragen müssen. Ob eine Ratifizierung der EU mit der Ankündigung, die Liste der Treibhausgasreduzierungen durch die einzelnen Mitgliedsstaaten später nachzureichen, rechtswirksam sein kann, ist umstritten. Politisch wäre es in jedem Fall ein Zeichen der Schwäche der Gemeinschaft.
„Die Annahme, Unterzeichnung und Ratifizierung des Abkommens von Paris sind wunderbare Nachrichten, aber bilden in keiner Weise einen Abschluss. Die Sicherung einer klimasicheren Welt und die Unterstützung der Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele sind eine über Jahrzehnte angelegte Anstrengung der kontinuierlichen Verbesserungen.“
Patricia Espinosa, Exekutivsekretärin des UN-Klimasekretariats UNFCCC in Bonn
Durch den Brexit sind zudem ganz neue Probleme für die gemeinsame Klimapolitik entstanden. Um zu vermeiden, dass die EU-Staaten ohne eine einzige Ratifizierung nach Marrakesch reisen müssen, ist deshalb inzwischen vereinbart worden, dass jedes Mitgliedsland einzeln den Ratifizierungsprozess abschließt und die erforderlichen Dokumente dem UN-Klimasekretariat übergibt (bisher haben allerdings einschließlich Deutschland erst vier EU-Mitgliedsstaaten das Abkommen ratifiziert). Die EU als Gemeinschaft will ihren Ratifizierungsprozess möglichst bald abschließen.
Das positive Signal von New York
Viele Regierungen, aber auch Umwelt- und Klimaschutzorganisationen wie Greenpeace haben es begrüßt, dass das Klimaabkommen von Paris so rasch in Kraft treten kann.
Ein Effekt kann sein, dass bei einer vorgesehenen Bestandsaufnahme der bisherigen nationalen Klimaschutzprogramme und der gegenwärtigen Veränderungen des globalen Klimas im Jahre 2018 der Druck auf die Regierungen der Industrie- und Schwellenländer wachsen wird, ihre bisherigen Klimaschutzzusagen signifikant nachzubessern.
Vor allem ist das rasche Inkrafttreten des Klimaabkommens ein deutliches Zeichen, dass die internationale Gemeinschaft die Klimaprobleme und ihre Folgen ernst nimmt und erkannt hat, dass nur eine vereinte Anstrengung den Prozess der globalen Erwärmung noch bremsen kann.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon betonte zum Abschluss des Treffens in New York zum bevorstehenden Inkrafttreten des Abkommens: „Dies wird ein großer Erfolg für den Multilateralismus sein. Er wird eine neue Ära der globalen Zusammenarbeit beim Aufbau einer sichereren, widerstandsfähigeren und prosperierenden Welt markieren.“
(Frank Kürschner-Pelkmann)