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Klimaverhandlungen mit ägyptischen Spielregeln

Die 27. Klimakonferenz in Ägypten hat schon vor ihrem offiziellen Ende für so einige negative Nachrichten gesorgt, dabei besonders mit Themen, die sich abseits der eigentlichen Klimaverhandlungen abspielen. Bericht aus Sharm el-Sheikh.

Eine kleine Gruppe von Demonstrierenden steht auf einem leeren Platz eng beisammen. Sie halten ein Plakat mit folgender Aufschrift vor sich: Don't be scared of Climate Justice.
Fridays For Future-Aktivisten in der ausgewiesenen Protestfläche bei der COP27 in Sharm el-Sheikh. Foto: Jule Zentek

12 Uhr mittags auf einem Parkplatz in Sharm el-Sheikh, Ägypten. Die Sonne knallt auf die hellrosafarbenen Pflastersteine. Eigentlich könnten hier hunderte von Autos stehen, doch seit dem 6. November 2022 hat dieser Platz einen anderen Zweck. Er bildet die sogenannte „designated area“, die ausgewiesene Fläche für Proteste während der 27. Klimakonferenz der Vereinten Nationen. Hier dürfen angemeldet Proteste stattfinden, die von ägyptischen Behörden genehmigt werden. Es ist der einzige Ort außerhalb des offiziellen Konferenzgeländes, auf dem Demonstrationen erlaubt sind. Und es ist ein Ort, an dem niemand sonst etwas von den Protesten mitbekommen wird.

Eine Gruppe von Fridays for Future-Aktivistinnen, darunter auch einige aus Deutschland, sammeln sich am Eingang des Platzes. Zwanzig Minuten sind sie vom Konferenzgelände bis zu diesem offiziellen Protestort gelaufen, begleitet von einigen Pressevertretern. Hier werden zunächst ihre Reisepässe geprüft, ihre Konferenz-Badges abfotografiert und die Namen jedes einzelnen Protest-Teilnehmers notiert. Auch die anwesende Presse muss ihre Pässe vorzeigen. Dann darf die angemeldete Aktion auf dem Parkplatz starten.

Protest gegen die Protestregeln: Wovor habt ihr Angst?

„Who are you scared of?”, also „Wovor habt ihr Angst?”, steht auf einem der Plakate, die sie hochhalten. Diese Fragen richten die Aktivisten an die ägyptischen Behörden, die den Protest streng überwachen. Unscheinbar aussehende Männer gesellen sich zur Presse und filmen sowohl die Aktivistinnen als auch die Presseleute mit Handys und Camcordern. Die FFF-Gruppe lässt sich davon nicht beirren und liest die Protestregeln für die „designated area“ vor, die sie von den ägyptischen Behörden erhalten haben. So wollen sie ironisch auf die Einschränkung der freien Meinungsäußerung reagieren, doch man spürt Anspannung.

Ein Gefühl, dass viele Aktivistinnen, Menschenrechtler und politische Gegner des Regimes in Ägypten vermutlich jeden Tag begleitet. Für sie ist die Lage schwierig und gefährlich. Freie Meinungsäußerungen und öffentliche Demonstrationen sind kaum möglich und wer sich traut, muss mit Verhaftungen rechnen. Wie viele Menschen tatsächlich in den ägyptischen Gefängnissen sitzen, ist unklar. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights First schätzt die Zahl im Jahr 2019 auf mehr als 65.000.

Anspannung und Nervosität begleiten Aktivistinnen auf der Klimakonferenz

„Wenn man bei dem Protest ist, spürt man auf jeden Fall, dass die Stimmung angespannt ist. Nervosität ist auch dabei“, sagt Annika Kruse, Aktivistin bei Fridays for Future Germany. Die Ängste von Kruse und ihren Mitstreitenden würden sich außerdem in Grenzen halten, weil sie wissen, dass sie einen privilegierten Reisepass haben, mit dem sie ausreisen können. Außerdem würden sie zu Hause keine Repressionen erwarten. 

Die Aktivistinnen müssen sich aber auch auf dem offiziellen Konferenzgelände an bestimmte Regeln halten. Beispielsweise dürfen sie bei ihren Aktionen nicht den Namen einzelner Personen, Politiker, Unternehmen oder Länder nennen oder sie verunglimpfen. So steht es im Verhaltenskodex der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), dem alle Teilnehmenden zustimmen müssen. Bei einem Verstoß dagegen können Teilnehmende und auch ganze Gruppen, wie zum Beispiel Nichtregierungsorganisationen, von der Konferenz verwiesen werden.

Absurde Hotelpreise und nächtliche Passkontrollen

Doch auch abseits des Geländes, dort, wo die Teilnehmenden sich vom anstrengenden Konferenztrubel erholen oder zumindest in Ruhe übernachten möchten, mussten viele negative Erfahrungen machen. Viele Hotels haben die Preise für ihre Zimmer nachträglich angehoben und Zuschüsse verlangt. Einige berichten von Zuschlägen bis zu 1.000 Euro pro Nacht und pro Person – irre Summen, wenn man bedenkt, dass Ägypten normalerweise ein Land mit vergleichsweise kostengünstigen Hotelpreisen ist.

„Die Hotels verdienen in diesen zwei Wochen das, was sie sonst im Jahr verdienen“, sagt ein Einheimischer auf die Frage, wieso die Hotels diese Zuschläge verlangen. In seinen Augen sind es die Hotels selbst, die so von der Konferenz profitieren wollen. Doch es gibt Hinweise, dass die Anweisung für die Zuschläge von der ägyptischen Tourismusbehörde stammt.

Wer über die nachträglichen erhöhten Preise diskutierte, musste in manchen Fällen mit einer Stornierung des Zimmers rechnen. Andere versuchten sich als Touristen ins Hotel einzuschleusen, um so die Extrakosten zu umgehen. In manchen Hotels wurde dafür sogar eine Unterschrift von den Gästen verlangt, mit der sie bestätigen sollten, dass sie die Klimakonferenz nicht besuchen werden. Noch dramatischer sind die Berichte eines deutschen NGO-Mitarbeiters, der von nächtlichen Besuchen bei Delegationen berichtet, bei denen die Pässe gefordert und kontrolliert wurden.

Wo sollte eine Klimakonferenz stattfinden dürfen?

All diese Vorkommnisse werfen einen dunklen Schatten auf Ägypten als Austragungsort einer Klimakonferenz. Es lässt zudem die Frage aufkommen, ob eine Weltklimakonferenz in Ländern stattfinden sollte, in denen Menschenrechte und Meinungsfreiheit nicht geachtet werden. Denn schließlich ist es die Beteiligung der zivilen Bevölkerung, also von Menschen, die die Klimakrise jeden Tag hautnah erleben und für eine gerechte Welt kämpfen, die den Verhandlerinnen und Verhandlern viele wichtige Impulse geben sollten.

Der bisherige Prozess, der entscheidet, welches Land Gastgeber für eine Klimakonferenz wird, beginnt mit einer Bewerbung des Landes und anschließender Erkundung des UNFCCC. Dabei wird geprüft, ob das Land die Möglichkeiten hat, ein solches Großevent auszurichten. Wichtigste Regel dabei ist, dass die UN-Klimakonferenz jedes Jahr von einer anderen der fünf UN-Regionalgruppen ausgerichtet wird: Von der Gruppe der afrikanischen Staaten, der Gruppe der asiatisch-pazifischen Staaten, der Gruppe der osteuropäischen Staaten, der Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen Staaten oder der Gruppe der westeuropäischen und andere Staaten (WEOG).

Die afrikanische Gruppe hatte sich in diesem Fall für Ägypten als Bewerberland entschieden. Für die COP28 im nächsten Jahr wurde als Austragungsort in der Asien-Pazifik-Region Dubai in der Vereinigten Arabischen Emirate ausgewählt. Ein Land, das ebenfalls für stark beschnittene Meinungsfreiheit und Menschenrechtsverletzungen bekannt ist. Schon jetzt befürchten viele Teilnehmende in Ägypten, dass sie nächsten Jahr ähnliches erwarten könnte.

Von Jule Zentek


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