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„Nothing about us without us“ - ein Gespräch mit den UN-Jugenddelegierten 2021

Welche Themen bewegen junge Menschen in Deutschland? Wie politisch sind sie? Was interessiert sie an den Vereinten Nationen? Anlässlich des Internationalen Tags der Jugend hat die DGVN am 12. August 2021 mit Franka und Ruszlan, den UN-Jugenddelegierten zur Generalversammlung 2021, gesprochen.

Franka ist 23 Jahre alt, studiert Rechtswissenschaften in Heidelberg, war als Schulsprecherin und Jugendleiterin für die Kindernothilfe im Libanon tätig und ist in der Jugend Task Force der Globalen Bildungskampagne aktiv. Ruszlan ist 21 Jahre alt, studiert Volkswirtschaftslehre in Mannheim und hat sich in seiner Schulzeit bei UNICEF für Kinder- und Jugendrechte engagiert. Aktuell ist er außerdem Nationaler Jugendbotschafter für die Globale Partnerschaft für Bildung (GPE).

Was sind oder machen eigentlich UN-Jugenddelegierte zur Generalversammlung?

Ruszlan: Überall auf der Welt gibt es Jugenddelegierten-Programme, die von den jeweiligen Nationalstaaten unterschiedlich ausgestaltet werden. In Deutschland gibt es Jugenddelegierte seit 2005 und hier haben wir das Glück, zu zweit arbeiten zu dürfen. Als Jugenddelegierte ist es einerseits unsere Aufgabe, mit Jugendlichen aus Deutschland aus unterschiedlichen Kontexten zusammen zu kommen und sie nach ihren Perspektiven zu fragen und danach, was sie aktuell bewegt – politisch und persönlich. Andererseits nehmen wir diese Themen dann mit in unsere Gespräche bei den Vereinten Nationen mit Entscheidungsträgern oder Diplomatinnen.

Franka: – oder ganz einfach das Sprachrohr der Jugend bei den Vereinten Nationen:  Eine junge Stimme bei den Vereinten Nationen, die sich stark macht für ihre Generation. Weltweit sind 40 Prozent der Menschen unter 25 Jahren. Wir sind die größte junge Generation, die jemals auf dieser Welt gelebt hat, aber in politischen Institutionen und Strukturen unterrepräsentiert. Deshalb sind wir so ein bisschen der „ShortCut“ für junge Menschen direkt in die Vereinten Nationen hinein.

Welche Themen bewegen junge Menschen aktuell?

Franka: Es ist wahrscheinlich keine Überraschung, dass der Klimawandel ein großes Thema ist. Ein weiteres Thema ist auch der Online-Unterricht und seine Begleiterscheinungen. Aber auch ganz konkrete Gerechtigkeitsfragen wie das Lieferkettengesetz zum Beispiel. Insgesamt bewegt junge Menschen eine große Vielfalt an Themen. Das ist auch keine Überraschung, da junge Menschen schon heute von allen Themen betroffen sind und zwar nicht nur von Entscheidungen im Bildungssektor, sondern auch in der Finanzpolitik. Und deshalb sollten wir an allem, was uns betrifft, auch die Chance haben, mitzuwirken.

In eurem Amt als UN-Jugenddelegierte fungiert ihr als Sprachrohr, das heißt ihr versucht die Interessen der Jugendlichen in Deutschland zu vertreten. Wie gelingt es euch, von eigenen Interessen zurückzutreten?

Ruszlan: Seine eigenen Interessen auszublenden ist gar nicht die größte Schwierigkeit im Amt. Viel schwieriger ist es, wenn es total gegensätzliche Positionen in einem Workshop gibt: Wenn jemand für viel mehr Klimaschutz ist und auf der anderen Seite jemand ist, der sich um seinen Ausbildungsplatz sorgt und der findet, dass für Klimaschutz viel zu viel getan wird – das ist dann natürlich schwierig. Aber was man daraus mitnehmen kann, ist, dass junge Menschen alle eine sichere Zukunft haben möchten und mitgenommen werden wollen – und das kann man als Botschaft ja trotzdem weitergeben. Auch wenn sich dann einzelne Positionen widersprechen, der Grundgedanke bleibt: Ich möchte eine sichere Lebensgrundlage haben.

Franka: Es geht vor allem darum, in Gesprächen klarzumachen, dass junge Menschen von vielen oder allen Fragestellungen betroffen sind und definitiv das Bedürfnis haben, gehört zu werden. In der Politik müssten aktive Beteiligungsformate für mehr Menschen geschaffen werden.

Wie geht ihr vor, um möglichst unterschiedliche Jugendliche zu treffen und unterschiedliche Stimmen einzufangen?

Franka: Das ist gerade der Finger in der Wunde, weil wir natürlich im Moment online arbeiten und dadurch das Problem haben, dass ganz klassische Formate, – wie z.B. der Besuch von Schulklassen, für uns pandemiebedingt weggefallen sind. Dadurch, dass alles online stattfindet, wurden die Räume, in denen man sich organisieren konnte, enger, analoge Begegnungen und der Austausch sind einfach weggebrochen.

Ruszlan: Vielleicht ist es wichtig noch einmal festzuhalten, dass man uns in jede Schulform einladen kann, in jeden Verein, in jeden Lesekreis. 

Abgesehen von den Schwierigkeiten durch Corona, welchen Eindruck habt ihr, wie politisch ist die Jugend?

Franka: Schon sehr politisch.

Ruszlan: Ich glaube, es gibt eine Gruppe, die zunehmend stärker politisch interessiert ist, die dann eben auch danach strebt über den Aktivismus hinaus Funktionsämter in der Gesellschaft anzustreben. Aber ich nehme auch wahr, dass es eine Gruppe von Jugendlichen gibt, die sich sehr wenig für Politik interessiert.

Franka: Ich habe schon den Eindruck, dass alle junge Menschen das Bedürfnis haben, ihre Umgebung mitzugestalten. Manche lassen sich nur mehr als andere von den Strukturen abschrecken. Aber ich denke, genau dieses Abgeschreckt-Sein von Strukturen nimmt eher ab. Ich glaube, es gibt mehr Leute, die sagen, „okay, warum sollte ich eigentlich nicht Bundestagsabgeordneter werden?“. Da gibt es eine positive Entwicklung.

Ruszlan: Die Leute besinnen sich mehr auf kommunales Engagement in ihrer unmittelbaren Umgebung, auf greifbare Veränderung.