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"Transforming Tourism": Tourismus und die SDGs

Mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung hat sich die internationale Gemeinschaft ein ambitioniertes Programm auf die Fahnen geschrieben. Damit es gelingt, die Ziele bis 2030 zu erreichen, sind in allen Lebensbereichen grundlegende Veränderungen nötig – auch im Tourismus. Unter dem Titel „Transforming Tourism“ haben Wissenschaftler und Nichtregierungsorganisationen ein Online-Kompendium zusammengestellt, das den Tourismus als Entwicklungsinstrument auf den Prüfstand stellt.

Drei asiatische Touristinnen in koreanischen Kostümen machen Selfies im Palast in Seoul
Nachhaltige Stadtentwicklung - eines der SDGs, für die der Tourismus eine besondere Rolle spielt (Foto: Christina Kamp)

Nicht nur die Agenda 2030, auch das Jahr 2017 als „Internationales Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung“ gibt Anlass, diesen wichtigen und mächtigen Wirtschaftsbereich genauer zu untersuchen. Denn dass der Tourismus zur Entwicklung beiträgt, geschieht nicht automatisch. Es ist von vielen Voraussetzungen abhängig. Zugleich hat der Tourismus negative Folgen, die weit über seinen unmittelbar sichtbaren Einflussbereich hinausgehen, wie beispielsweise die hohen CO2-Emissionen, die die Erderwärmung vorantreiben. Sie betreffen Milliarden von Menschen und besonders gravierend die Ärmsten der Armen.

Terminhinweis

DGVN-Veranstaltung „Tourismus – Chancen und Risiken für nachhaltige Entwicklung?“ im Vorfeld der Internationalen Tourismusbörse (ITB) am 7. März 2017 um 13.30 Uhr im Scandic Hotel Berlin am Potsdamer Platz. Anmeldung hier.

Inwiefern der Tourismus Entwicklung und Nachhaltigkeit tatsächlich voranbringen kann oder ob er die internationalen Zielvorgaben untergräbt, hat ein internationales Autorenteam anhand der einzelnen Ziele untersucht. Im neuen Online-Kompendium www.transforming-tourism.org werden besondere Herausforderungen in Bezug auf die einzelnen Ziele hervorgehoben. Schließlich zeigen die Autorinnen und Autoren konkrete Wege auf, um Veränderungen anzustoßen.

Alle Menschen mitnehmen

Das Anliegen, alle Menschen und insbesondere die Armen in die globale Entwicklung einzubeziehen, zieht sich durch alle Ziele. Doch der Tourismus ist nicht per se geeignet, Armut wesentlich zu mindern. Die Jobs, die er bietet, sind oft schlecht bezahlt, die Arbeitsbedingungen oft ausbeuterisch. Arme und benachteiligte Bevölkerungsgruppen erfüllen selten die Voraussetzungen, um im Tourismus Beschäftigung zu finden oder eigene gemeindebasierte Tourismusprogramme aufzubauen. Um die Armen oder sogar die Ärmsten der Armen zu erreichen und erfolgreich einzubeziehen, ist gezielte Unterstützung nötig.

Tourismus und die SDGs

In der Agenda 2030 ist der Tourismus in nur drei Zielen explizit benannt. Dennoch gibt es kein Ziel, für das er nicht eine wesentliche Rolle spielt. Das gilt für grundlegende Bereiche menschlicher Entwicklung wie Ernährung, Gesundheit, Bildung, und Wasser- und Sanitärversorgung, aber auch für menschenwürdige Arbeitsbedingungen, Infrastruktur und eine zukunftsfähige Siedlungsentwicklung. Der Tourismus treibt den Klimawandel voran und gefährdet natürliche Lebensgrundlagen wie z.B. die Ozeane. Er kann aber auch zum Schutz biologischer Vielfalt beitragen. Ohne deutliche Veränderungen der Konsum- und Produktionsmuster im Tourismus wird sich Nachhaltigkeit nicht erreichen lassen. Nicht zuletzt spielt der Tourismus eine ambivalente Rolle in Konfliktsituationen und Friedensprozessen. Auch bleibt die Herausforderung, der Ausbeutung von Kindern im Tourismus Einhalt zu gebieten.

Übergreifende Herausforderungen wie Good Governance, Geschlechtergerechtigkeit, die Überwindung von Ungleichheit und die Stärkung globaler Partnerschaften sind als separate Ziele definiert. Gleichzeitig haben sie für alle anderen Ziele ebenfalls große Bedeutung.

Partizpation als zentrale Herausforderung

Weitere zentrale Aspekte kommen in den SDGs zu kurz, werden aber wesentlich darüber mitentscheiden, ob sich die Ziele erreichen lassen. Dazu gehört die umfassende Beteiligung der Menschen in den Tourismusdestinationen, die in vielen Kapiteln des Online-Kompendiums eingefordert wird. Damit Partizipation Sinn macht, müssen alle Beteiligten über entsprechend umfassende Informationen verfügen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Um auch benachteiligte Bevölkerungsgruppen erfolgreich einzubinden, braucht es gezielte unterstützende Maßnahmen. Und schließlich wird Bürgerbeteiligung nur dann zu den gewünschten Ergebnissen führen, wenn die entsprechenden Mittel vorhanden sind, um gemeinsam getroffene Entscheidungen auch tatsächlich umzusetzen.

Erfolge anders messen

Um feststellen zu können, ob zum einen in Hinblick auf die Ziele für nachhaltige Entwicklung Fortschritte gemacht werden und ob zum anderen der Tourismus dabei hilft, ist ein geeignetes Monitoring nötig. Dies erfordert weitaus umfassendere Indikatoren, als bislang vereinfachend verwendet werden. Ebenso wenig wie sich Entwicklung anhand des Bruttoinlandsprodukts sinnvoll abbilden lässt, geben Touristenzahlen Auskunft darüber, inwieweit der Tourismus den Menschen vor Ort tatsächlich gut tut. Um Entwicklung und ihre Nachhaltigkeit bewerten zu können, müssen zum Teil völlig neue Daten erhoben werden und existierende müssen in neue Zusammenhänge gestellt werden.

Entwicklung als staatliche Aufgabe

Viele der im Online-Kompendium aufgeführten positiven Fallbeispiele zeigen, wie ein gut gesteuerter und entsprechend gestalteter Tourismus zur Erreichung einzelner Ziele beitragen kann. Dennoch ist und bleibt eine armutsmindernde und alle Menschen erreichende Grundversorgung eine zentrale staatliche Aufgabe. Der Tourismus darf die Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele nicht untergraben und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht zerstören. Gleichzeitig muss die Tourismusbranche auch durch Steuern und Abgaben ihren Beitrag dazu leisten, dass der Staat über die notwendigen Mittel verfügt, um die Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsprioritäten seiner Bevölkerung umzusetzen.

Christina Kamp

 

Weitere Informationen:

Online-Kompendium Transforming Tourism


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