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Unbekannte Geburtshelfer: Wie die UN-Regionalkommissionen den Nachhaltigkeitszielen ins Leben helfen

Es ist das bisher ehrgeizigste Projekt der Vereinten Nationen. Bis 2030 sollen 17 Nachhaltigkeitsziele erreicht werden: Armut bekämpft, Hunger gestoppt, Gleichberechtigung erreicht und der Klimawandel ausgebremst. Die Ziele stehen fest, aber wie setzt man sie ganz konkret um? Eine wichtige Rolle spielen dabei eher unbekannte Akteure: die fünf UN-Regionalkommissionen und ihre Regionalen Foren für nachhaltige Entwicklung.

Regionalforen für nachhaltige Entwicklung: Plattformen für Erfahrungsaustausch
Regionalforen für nachhaltige Entwicklung: Plattformen für Erfahrungsaustausch

An Visionen mangelt es den Vereinten Nationen nicht. Neu ist allerdings, Visionen mit Enddaten zu belegen. Und damit Wunschvorstellungen in konkrete Zielsetzungen umzuwandeln.

Die Vision: 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)

Vor drei Jahren, im Jahr 2015, haben die 193 UN-Mitgliedsstaaten das bisher ehrgeizigste Projekt der Vereinten Nationen beschlossen: die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung. In 17 visionären Zielen für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) wird beschrieben, was bis 2030 erreicht werden soll: Armut bekämpft, Hunger gestoppt, Gleichberechtigung erreicht und der Klimawandel ausgebremst. Alle Staaten haben sich dieser Ziele verpflichtet, auch Deutschland. Die Ziele stehen fest, aber wie setzt man sie ganz konkret um?

UN-Regionalkommissionen: Globale Politik regional umsetzen

Genau hier kommen eher unbekannte Akteure ins Spiel: die UN-Regionalkommissionen (UN Regional Commissions). Sie bilden die regionalen Außenposten der UN und sind in fünf Regionen der Welt verteilt:

Die Aufgaben der UN-Regionalkommissionen variieren von Region zu Region. Gemeinsam ist ihnen aber das Ziel, die regionale Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen. Das heißt konkret: alle fünf Regionalkommissionen richten in ihrer jeweiligen Region ein sogenanntes Regionalforum für nachhaltige Entwicklung aus.

Regionalforen für nachhaltige Entwicklung: Plattformen für Erfahrungsaustausch

Die Regionalforen leisten Hilfestellungen bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele. Die eigentliche Verantwortung für die Umsetzung liegt bei den Ländern. Obwohl die Agenda 2030 also ein globales Projekt ist, schnürt jedes Land sein eigenes nationales Maßnahmenpaket. Dabei gilt das Prinzip Freiwilligkeit: die SDGs sind nicht rechtsverbindlich. Sie sind lediglich politische Absichtserklärungen.

Welche Rolle spielen dann die Regionalforen? Herausforderungen, vor denen viele Länder bei der Umsetzung der Ziele stehen, ähneln sich. Ein gegenseitiger Austausch über Erfahrungen und Lösungsansätze macht Sinn. Die Foren bieten Ländern deshalb eine regionale Plattform für einen intensiven Wissens- und Erfahrungsaustausch über die konkrete Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele.

Regionalforen: Sprungbrett für das globale Hochrangige Politische Forum (HLPF)

Die Regionalforen finden als Vorbereitung auf das globale Hochrangige Politische Forum für nachhaltige Entwicklung (High Level Political Forum on Sustainable Development, HLPF – siehe Textbox unten) in New York statt. Das globale HLPF findet im Juli statt, die vorgeschalteten Regionalforen in den Monaten von März bis Mai. Die Dauer variiert dabei von Regionalforum zu Regionalforum und reicht von eineinhalb bis zu drei Tagen.

Wie das Wort „Forum“ schon erahnen lässt: Regionalforen verstehen sich als Austauschplattform, um in ihren Regionen den multilateralen Dialog zu fördern. Sie stehen von daher der Teilnahme von Regierungsvertreter/-innen und allen relevanten Akteuren, einschließlich internationaler und regionaler Organisationen, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Privatwirtschaft, offen.

"Regionalforen sind ein wichtiger Ort, um voneinander zu lernen, Erfahrungen auszutauschen, praktische Lösungen zu diskutieren und grenzüberschreitende Probleme anzugehen", betont auch die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina J. Mohammed. Sie sieht in den Regionalforen „Sprungbretter für ein noch lösungsorientiertes Hochrangiges Politisches Forum“.

Regionalforum für Europa: Wissensaustausch an runden (bzw. eckigen) Tischen
Regionalforum für Europa: Wissensaustausch an runden (bzw. eckigen) Tischen (Foto: UNECE)

Regionalforum für Europa: Intensiver Wissensaustausch in Genf

Das erste Regionalforum in diesem Jahr fand am 1. - 2. März für die Region Europa in Genf statt. Es hat gezeigt: Die Stahlkraft der Agenda 2030 ist enorm. Beim europäischen Forum tauschten sich rund 600 Teilnehmer/-innen, darunter Regierungsvertreter/-innen aus mehr als 50 Ländern und wichtige Akteure der Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Privatwirtschaft, über ihre Nachhaltigkeitsprioritäten aus. Die hohe Teilnehmerzahl zeigt: das Prinzip Freiwilligkeit funktioniert.

Die Regionalforen sind eng mit den Themen des Hochrangigen Politischen Forums (HLPF) verknüpft. Das diesjährige globale Thema "Transformation zu nachhaltigen und widerstandsfähigen Gesellschaften" ist damit auch das Leitmotto der Regionalforen.

Wie beim HLPF in New York, stehen auch bei den Regionalforen jedes Jahr andere Nachhaltigkeitsziele im Fokus. Damit wird jedes Jahr der Fortschritt bei einer handvoll Nachhaltigkeitszielen diskutiert, ohne die Gesamtheit der 17 Ziele aus den Augen zu verlieren. In Genf haben sich die Regierungs- und andere Interessensvertreter/-innen an runden Tischen zu folgenden Themen ausgetauscht:

  • Wie geht man mit wachsender Wasserknappheit um? Wie fördert man den universellen Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen? (SDG 6)
  • Welche Maßnahmen sind erforderlich, um den Übergang zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen? Wie lässt sich die Energieeffizienz verbessern? (SDG 7)
  • Welche Ansätze werden verfolgt, um widerstandsfähige und nachhaltige Städte zu fördern? Wie kann dieser Übergang zu diesen Städten finanziert werden? (SDG 11)
  • Welche Herausforderungen müssen angegangen werden, um ein nachhaltiges Konsum- und Produktionsverhalten bis 2030 zu erreichen? Wie kann eine „Circular Economy“ erreicht werden? (SDG 12)
  • Wie erreicht man eine nachhaltige Bewirtschaftung von Wälder? Wie lässt sich die Artenvielfalt besser schützen? (SDG 15).

Basierend auf ihrer nationalen Erfahrungen, haben die Teilnehmer/-innen „Best Practices“ vorgestellt und darüber diskutiert, wie Lösungsansätze von anderen Ländern übernommen werden können.

SDGs: Der Mentalitätswandel beginnt bei uns, Quelle: UNDP
SDGs: Der Mentalitätswandel beginnt bei uns. (Foto: UNDP)

Agenda 2030: Die Zeit des Schubladendenkens ist vorbei

Regionalforen beeinflussen damit zum einen den nationalen, zum anderen aber auch den globalen Prozess. Durch den Erfahrungsaustausch werden Regierungen dabei unterstützt, die nationalen Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda 2030 zu beschleunigen. Aber auch auf globaler Ebene kommen die Ergebnisse der Regionalforen an: die Berichte der Foren bilden den offiziellen Beitrag der Regionen für das HLPF.

Die Regionalforen machen deutlich: die Agenda 2030 verlangt nichts weniger als einen Mentalitätswandel. Es bedarf mehr Austausch, mehr Kooperation, sowohl innerhalb eines Landes als auch zwischen Ländern. Es geht darum aus altem Schubladendenken herauszukommen und den Dialog zwischen Sektoren und Gesellschaftsgruppen zu fördern. Die Nachhaltigkeitsziele hängen mit einander zusammen, entsprechend müssen auch Lösungsansätze ganzheitlich gedacht werden. Die Regionalforen leisten dazu einen Beitrag. Ob die 17 Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreicht werden, ist aber nicht abhängig von jährlich stattfindenden Foren.

Es liegt an uns: Die Agenda 2030 dringt bis auf die persönliche Ebene vor. Wir müssen umdenken - wie wir leben, konsumieren und produzieren. Der Mentalitätswandel muss in unseren Köpfen stattfinden, innerhalb der nächsten 12 Jahre.  Die Frage, die wir uns alle stellen müssen: Sind wir selbst bereit nachhaltiger zu denken, handeln, leben?

Hintergrund: Das Hochrangige Politische Forum (HLPF)

Regierungen können in freiwilligen Berichten (Voluntary National Reviews, VNRs) ihren Fortschritt bei der nationalen Umsetzung der Agenda 2030 schildern. Diese Staatenberichte bilden die Grundlage der Diskussionen des Hochrangigen Politischen Forums für nachhaltige Entwicklung (High Level Political Forum on Sustainable Development, HLPF). Das HLPF wurde als das zentrale Gremium für die Überprüfung der Agenda 2030 auf globaler Ebene geschaffen.  Es tritt jedes Jahr im Juli für acht Tage in New York zusammen und untersteht der Schirmherrschaft des Wirtschafts- und Sozialrates (Economic and Social Council, EcoSoc). Dieses Jahr wird das HLPF vom 9. bis zum 18. Juli 2018 stattfinden, einschließlich einer dreitägigen Ministertagung vom 16. bis zum 18. Juli 2018. Im Jahr 2016 und 2017, bei den ersten beiden Hochrangigen Politischen Foren für Nachhaltige Entwicklung in New York haben bereits 65 Staaten ihre Berichte über die nationale Umsetzung der Agenda 2030 vorgelegt. In diesem Jahr planen 44 Staaten die Vorstellung ihrer Berichte. Deutschland war bereits in der ersten Runde mit dabei und hat im Jahr 2016 über seine Umsetzung der Agenda 2030 berichtet – der nächste deutsche Staatenbericht folgt beim HLPF im Jahr 2021.

Elise Zerrath


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