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Ungenutzter Mehrwert – Polizistinnen bleiben in Friedensmissionen die Ausnahme

Weibliche Einsatzkräfte machen Friedenseinsätze effektiver, stellen den besseren Kontakt zur Zivilbevölkerung her und tragen zu einem besseren Schutz und Prävention von sexualisierter Gewalt bei. Bei der Rekrutierung und im Einsatz stellen sich den Frauen jedoch Hürden in den Weg.

Eine rein weibliche Polizeieinheit aus Bangladesch tritt ihren Dienst in der United Nations Stabilization Mission in Haiti an.
Eine rein weibliche Polizeieinheit aus Bangladesch tritt ihren Dienst in der United Nations Stabilization Mission in Haiti an. (UN Photo/Marco Dormino)

Sexualisierte Gewalt wird in bewaffneten Konflikten oft systematisch und flächendeckend, manchmal sogar gezielt als Kriegswaffe eingesetzt, um die gegnerische Seite an ihrem wundesten Punkt zu treffen. Das bestätigen sowohl internationale Kriegstribunale als auch der UN Generalsekretär. Diese Art der Gewalt hinterlässt oft generationenübergreifende, höchst traumatische Erfahrungen, die selbst durch jahrelange Versöhnungsprozessen und Mechanismen der Übergangsjustiz nicht vollständig bewältigt werden können. Viele dieser Gewalterfahrungen bleiben unausgesprochen, aus Angst vor Rache, Stigma und Ausgrenzungen. Kinder, die aufgrund dieser Form der Gewalt zur Welt kommen, haben es schwer anerkannt und akzeptiert zu werden, sowohl von der Mutter als auch von darüber hinaus in der Gesellschaft.

Ein besserer Zugang und Schutz der Zivilbevölkerung

Internationale Friedenseinsatzkräfte und insbesondere Polizeikräfte kommen mit Überlebenden sexualisierter Gewalt in fast jeder Friedensmission in Kontakt. Dabei spielt der sensible und professionelle Umgang mit den Überlebenden für den Erfolg der Mission selbst eine wesentliche Rolle. Um Täter dieser Gewalt zu identifizieren und die Zivilbevölkerung vor weiteren Gräueltaten zu schützen, müssen die Einsatzkräfte exzellent ausgebildet und geschult sein. Trauma-sensible Interviewtechniken als auch adäquate und professionelle forensische Arbeit gehören zu der Polizeiarbeit vor Ort. Theoretisch sind diese Fähigkeiten von Männern als auch Frauen im Polizeidienst erlernbar. Die überwiegend weiblichen Betroffenen haben jedoch gegenüber männlichem uniformiertem Personal oft Hemmungen bis hin zu Angst, über das Erlebte zu berichten. Polizistinnen gegenüber verhalten sich betroffene Frauen – aber auch Männer – wesentlich offener. Um sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten als auch innerhalb von Friedensmissionen zu begegnen, ist weibliches Polizeipersonal also fast unabdingbar.

Auch der Kontakt mit der weiblichen Zivilbevölkerung wird leichter durch weibliche Polizeiangehörige hergestellt, berichten UN-Friedensmissionen. Das dient nicht nur dazu, dem Mandat des Schutzes der Zivilbevölkerung (PoC) gerecht zu werden, sondern es trägt auch generell zu einer erfolgreichen Polizeiarbeit, beispielsweise in der Informationsbeschaffung, bei. Außerdem werden interne Spannungen reduziert und es kommt zu deutlich weniger Vorfällen von sexuellem Missbrauch, dort wo auch Frauen im Einsatz sind.

Aus der Friedensmission in Liberia (UNMIL) wird berichtet, dass beispielsweise die weibliche Truppeneinheit aus Indien als Vorbild für die einheimische Bevölkerung diente. Weibliche Friedenseinsatzkräfte tragen auch dazu bei, dass Probleme in Bezug auf reproduktiven Gesundheit schneller an die relevanten Stellen getragen werden, Informationen, Fakten und Daten umfassender erfasst werden und Entwaffnungsprozesse insbesondere von weiblichen Kämpfern effektiver durchgeführt werden können. Wie weibliche Friedenseinsatzkräfte selbst berichten, erfüllen sie neben speziellen Aufgaben vor Ort die gleiche Polizeiarbeit wie ihre männlichen Kollegen, sei es in Haiti oder im Sudan.

Neben den Zahlen muss auch die Missionskultur stimmen

Trotz der vielen allgemein anerkannten Vorteile weiblicher Polizisten liegt ihr Anteil in den meisten Missionen nach wie vor nur zwischen 10-30%. Die Bemühungen der UN-Hauptabteilung für Friedenseinsätze (Department of Peace Operations, DPO) die Agenda für Frauen, Frieden und Sicherheit umfassend umzusetzen, erzielen bisher noch nicht die erwünschten Ergebnisse. Studien zufolge berichten Frauen von Ungleichbehandlung in Rekrutierungsprozessen, aber vor allem auch von einer Missionskultur, die eher abschreckend als einladend ist. Zum negativen Bild tragen auch Fälle von sexueller Belästigung in den Missionen und Missbrauchsfälle gegenüber der Zivilbevölkerung bei, die leider keine Seltenheit sind.

Es ist eine der Prioritäten von UN-Generalsekretär António Guterres, dem sexuellen Missbrauch vor allem von Minderjährigen ein Ende zu setzen, zu dessen Prävention er eine Initiative  ins Leben gerufen hat. Mehr weibliches Einsatzpersonal ist dabei ein zentrales Anliegen. Neben den Bemühungen, mehr weibliches Personal zu rekrutieren, soll auch eine Atmosphäre geschaffen werden, welche die Förderung von Gleichberechtigung und Vielfalt ermöglicht. Politische Richtlinien, gezieltes Training und Aufklärungsarbeit sollen dazu beitragen, dass Frauen nicht nur dabei sind, sondern ihre Arbeit in einem produktiven Arbeitsumfeld verrichten können. Damit sich der Mehrwert und das Potential von Frauen in Friedensmissionen auch entfalten können, bedarf es Strukturen und einer Einsatzkultur, die diese fördern – und nicht systematisch unterminieren.

Nicola Popovic und Madeleine Prior


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