Recherchereise zu WFP-Projekten nach Bangladesch
Die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen besuchte vom 16. bis 23. Februar 2024 mit einer Gruppe von sechs Journalistinnen und Journalisten das Land Bangladesch. Ziel war es, Recherchen zu den Wechselwirkungen von Klimawandel, Migration und Flucht durchzuführen. Gastgeber war das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen.

Im Jahr 2023 waren laut dem Amt des Hohen Flüchtlingskommissars (UNHCR) 114 Millionen Menschen auf der Flucht – 5,6 Millionen mehr als 2022. Dieser globale Höchstwert zeigt, dass Flucht und Migration bereits jetzt eine der bestimmenden Phänomene des 21. Jahrhunderts sind. Der Klimawandel wird diese Dynamik weiter verstärken: Die Internationale Organisation für Migration (IOM) der UN rechnet bis 2050 mit 1,5 Milliarden Enviromental Migrants – Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt aufgrund veränderter Umweltbedingungen wie Überschwemmungen, Dürren und Stürmen dauerhaft verlegen müssen.
Bangladesch ist für beide Herausforderungen auf vielen Ebenen exemplarisch: Das Land nimmt fast eine Million Rohingya-Flüchtlinge auf, welche vor einem Völkermord aus Myanmar geflohen sind. Gleichzeitig gehört Bangladesch aufgrund der flachen Küstenlinie und der Anfälligkeit für Tropenstürme zu den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Ländern weltweit. Schätzungen zufolge werden mehr als 13 Millionen Einwohner Bangladeschs – fast 10% der Bevölkerung – das Land bis 2050 aufgrund veränderter Umweltbedingungen verlassen müssen.
Die Vereinten Nationen arbeiten in vielfältiger Weise an dieser wahrscheinlich größten Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Während sich UN-Organisationen wie UNHCR oder IOM um die Versorgung von Flüchtlingen in akuten Krisensituationen kümmern, arbeiten das Umweltprogramm (UNEP) oder das Entwicklungsprogramm (UNDP) der Vereinten Nationen an der Prävention von Umweltkatastrophen. Am Querschnitt zwischen humanitärer Hilfe und langfristiger Resilienzbildung ist das Welternährungsprogramm (WFP) angesiedelt. Deshalb haben wir im Rahmen der DGVN-Recherchereise 2024 die WFP-Aktivitäten in Bangladesch besucht, um den Zusammenhang zwischen Flucht und Klimawandel genauer zu untersuchen.

Ausgangspunkt für die sechs ausgewählten Journalistinnen und Journalisten war die Hauptstadt Dhaka. Nach einem kurzen Aufenthalt und einem langen Gespräch mit dem deutschen Botschafter Achim Tröster ging es in den Süden nach Cox’s Bazar. Von dort besuchte die Gruppe das Rohingya Flüchtlingslager Kutupalong und konnte sich umfassend über die Herausforderungen der Versorgung von fast einer Millionen Flüchtlingen im größten Flüchtlingslager der Welt informieren. Wie können wir die Menschen angesichts sinkender Zahlungen der Geberländer mit ausreichend Nährstoffen versorgen? Wie funktioniert die gesundheitliche Versorgung von Neugeborenen in einer humanitären Ausnahmesituation?
Weiter ging die Reise in den Norden. Im Bezirk Kurigram wurde der Klimawandel und der Einfluss auf die Bevölkerung sichtbar: Zahllose Hochwasser vernichten hier regelmäßig die Lebensgrundlagen und zwingen Menschen eine neue Heimat auf aufgeschwemmten Sandinseln im Fluss Brahmaputra zu suchen. Die Journalistinnen und Journalisten konnten sich hier mit verschiedenen Maßnahmen des WFP auseinandersetzen: Dazu zählen neue Anbaumethoden in der zunehmend schwerer zu bewohnenden Region, Versicherungen gegen Hochwasser und Maßnahmen zur Förderung wirtschaftlicher Selbstständigkeit der Anwohnerinnen und Anwohnern der Flutgebiete. Durch Übersetzerinnen gab es umfassende Möglichkeiten sich mit den Betroffenen auszutauschen.
Zurück in Dhaka hatte die Gruppe die Chance, Fragen, die während der Reise aufgekommen sind, an den Regierungssprecher von Bangladesch zu richten: Wie geht Bangladesch mit dem Migrationsdruck in Folge des Klimawandels um? Kann eine Integration der Rohingya-Flüchtlinge gelingen? Was erwartet Bangladesch von Deutschland und den Vereinten Nationen, um die Herausforderungen von Klimawandel und Flucht zu stemmen? In einem abschließenden Austausch mit dem WFP-Landesdirektor Dom Scalpelli wurde über das Verhältnis von UN und Regierung sowie die zukünftigen Herausforderungen für die Arbeit des Welternährungsprogramms gesprochen.
Veröffentlichte Beiträge
- Klimawandel in Bangladesch von Julia Theres Held, ZDF-Mittagsmagazin
- Umsiedeln gegen die Klimakrise von Benjamin Bathke, Deutschlandfunk-Kultur
- Das vergessene Leid der Rohingya: Gefangen in einem Land, das sie nicht will von Susann Kreutzmann, Neue Zürcher Zeitung
- Wenn die Versicherung schon vorab zahlt: Fluthilfe-Unterstützung in Bangladesh von Michael Stang, Deutschlandfunk
- Vertrieben von den Fluten des Brahmaputra von Susann Kreutzmann, Schwäbische Zeitung
- Klimaanpassung: Kürbisanbau im Hochwassergebiet von Michael Stang, Deutschlandfunk
- Die ewigen Flüchtlinge: Das Leid der Rohingya-Frauen von Julia Theres Held, ZDF-Auslandsjournal
- Leben mit Überflutung: Hilfe zur Selbsthilfe in Bangladesch von Michael Stang, Deutschlandfunk
Gefangen, wo man sie nicht will von Susann Kreutzmann, Welt-Sichten