Deutschland und die Vereinten Nationen
Deutschland ist kein Gründungsmitglied der Vereinten Nationen – unmittelbar nach der Gründung der BRD und der DDR war eine Mitgliedschaft noch undenkbar. Seit dem Beitritt der beiden Staaten im Jahr 1973 und nach der Wiedervereinigung leistet Deutschland zahlreiche Beiträge zum UN-System und setzt sich für ein friedliches, menschenwürdiges und nachhaltiges Miteinander ein.
Die Vereinten Nationen nehmen als Forum, Instrument und eigenständiger Akteur eine bedeutende Rolle in der deutschen Außenpolitik ein. Für die Wahlperiode 2019/20 war Deutschland nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats und gestaltete so das internationale System mit. Zudem sind derzeit über 1100 deutsche Soldatinnen und Soldaten weltweit in UN-Friedenseinsätzen stationiert und Deutschland ist einer der größten Beitragszahler der Organisation.
Deutschland in den Vereinten Nationen
Deutschland setzt sich seit Beginn seiner UN-Mitgliedschaft stark für die Ziele der Vereinten Nationen ein. Dabei wurden mehrere Schwerpunktthemen gesetzt, die sich vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und seiner Rolle in den beiden Weltkriegen besonders im Verständnis einer klaren Verantwortung für eine friedliche Weltgemeinschaft offenbaren. Begründet auf diesem Selbstverständnis setzt sich Deutschland innerhalb der Vereinten Nationen für multilaterale Lösungen ein. Multilateral bedeutet in diesem Zusammenhang die umfassende Zusammenarbeit mit möglichst allen UN-Mitgliedstaaten, um die globalen Probleme zu lösen.
Die Friedenssicherung spielt für Deutschland eine wichtige Rolle, wobei es in diesem Bereich ein vergleichsweise junger Akteur ist. Seit dem Beitritt beteiligt sich die Bundesrepublik durch Bereitstellung von Ausrüstung und Transportkapazitäten, aber die weltpolitische Lage sowie innenpolitische Einschränkungen verhinderten bis Anfang der 1990er Jahre eine nennenswerte Beteiligung an internationalen Friedenssicherungseinsätzen. Wegbereitend war hierfür das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr im Jahr 1994. Heute sind über 1100 deutsche Soldatinnen und Soldaten in UN-Einsätzen stationiert – damit nimmt Deutschland aber nur den Platz 33 der truppenstellenden Staaten ein, weit hinter Staaten wie Äthiopien, Bangladesch, Ruanda oder Indien. Durch verschiedene Maßnahmen möchte die Bundesregierung diesen geringen Anteil schrittweise erhöhen: Das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) leistet beispielsweise durch Rekrutierung, Ausbildung und Betreuung von zivilen Fachkräften einen wichtigen Beitrag. Zugleich wurde die soziale Absicherung der zivilen Einsatzkräfte deutlich verbessert.
Der Bereich Menschenrechte hat ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert in der deutschen UN-Politik, auch aufgrund der historischen Erfahrungen des Landes. Deutschland ist Vertragspartei nahezu aller einschlägigen Menschenrechtskonventionen und -protokolle, war Wegbereiter des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court) und unterstützt die strafrechtliche Aufarbeitung von im Syrien-Krieg begangenen Kriegsverbrechen. Auch bei normativen Weiterentwicklungen wie der Debatte um die Schutzverantwortung bei schwersten Menschenrechtsverletzungen („Responsibility to Protect“, kurz: R2P) wirkt Deutschland intensiv mit – auch wenn die deutsche Enthaltung im Sicherheitsrat bei der Entscheidung für die militärische Umsetzung der Schutzverantwortung im Fall Libyen im Jahr 2011 für viel Kritik gesorgt hat.
Schließlich hat sich Deutschland bei der Förderung nachhaltiger Entwicklung und beim Umweltschutz als wichtiger Akteur etabliert. Deutschland engagiert sich dementsprechend auf den internationalen Umwelt- und Entwicklungskonferenzen und fungiert oft am Standort Bonn als deren Gastgeber. Deutschland war intensiv an der Ausarbeitung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) beteiligt und starker Unterstützer des im Dezember 2015 verabschiedeten Übereinkommens von Paris zur Bekämpfung des Klimawandels.
Deutschlands Engagement
Deutschland ist schon lange einer der größten Geldgeber der Vereinten Nationen – nach den USA, China und Japan sogar der größte Beitragszahler für den ordentlichen UN-Haushalt, der sich an der relativen Zahlungsfähigkeit der Staaten orientiert. Rund 170 Millionen US-Dollar überweist die Bundesrepublik derzeit jährlich nach New York.
Generell wird Deutschland für sein Engagement in den Vereinten Nationen durchaus geschätzt. Als ein ausgesprochener Unterstützer der multilateralen Weltordnung und einer der größten Geldgeber trägt Deutschland sowohl ideell als auch finanziell zu den Vereinten Nationen bei.
Bei Friedensmissionen beteiligt sich Deutschland allerdings substanziell weniger als viele andere Länder, stellt vergleichsweise wenige Truppen für weltweite Friedenseinsätze und beteiligt sich nur zurückhaltend an Maßnahmen der zivilen Konfliktlösung (z.B. durch Polizeikontingente). Dies wird häufig kritisiert, im Verbund mit der Forderung nach einer höheren militärischen wie auch zivilen Personalbeteiligung bei Friedensmissionen.
Deutschlands Geschichte in den Vereinten Nationen
Eine deutsche Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen war nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und auch nach der Gründung der beiden deutschen Staaten vorerst undenkbar. Gemäß der Artikel 53 und 107 der UN-Charta wurden sowohl die Bundesrepublik Deutschland (BRD) als auch die Deutsche Demokratische Republik (DDR) als "Feindstaaten" eingestuft. Diese Artikel ermöglichten sofortige Zwangsmaßnahmen der UN-Gründerstaaten gegenüber ehemaligen Kriegsgegnern bei einer erneuten Aggression. An eine eigenständige deutsche Außenpolitik war zunächst nicht zu denken.
Seit dem Jahr 1952 war die Bundesrepublik aber bereits am Amtssitz der UN in New York mit einer "Ständigen Beobachtermission" vertreten. Sie steuerte in erheblichem Maße finanzielle Mittel zum UN-System bei und wurde Mitglied in allen UN-Sonderorganisationen, sodass von einer "Quasi-Mitgliedschaft" gesprochen werden kann. Auch die DDR bemühte sich in dieser Phase um eine aktive Rolle, um ihren im Jahr 1966 gestellten Antrag auf Mitgliedschaft zu stützen. Vollmitglied wurden sowohl die DDR als auch die BRD erst am 18. September 1973 im Zuge der Entspannungspolitik zwischen den beiden Staaten.
Beide Staaten arbeiteten im Rahmen ihrer unterschiedlichen Interessen, Spielräume und Ressourcen sowie ihrer jeweiligen Bündniszugehörigkeit in zahlreichen UN-Bereichen intensiv und wurden in den Jahren 1977/1978 und 1987/1988 (BRD) beziehungsweise 1980/1981 (DDR) als nichtständige Mitglieder für zwei Jahre in den Sicherheitsrat gewählt.
Die weltpolitischen Umbrüche im Jahr 1989 und die Wiedervereinigung beider Staaten im Oktober 1990 beendeten die 17-jährige Doppelmitgliedschaft und schufen völlig neue Rahmenbedingungen für die deutsche UN-Politik. Der "Zwei-plus-Vier-Vertrag" vom 12. September 1990, der die außenpolitischen Aspekte der deutschen Wiedervereinigung regelte, brachte dem vereinten Deutschland die vollständige Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten. In diesem außenpolitischen Schlüsseldokument wird mehrfach auf die UN-Charta Bezug genommen, vor allem mit der Verpflichtung zu einer friedlichen, an das Völkerrecht gebundenen Außenpolitik: Deutschland werde "keine seiner Waffen jemals einsetzen, es sei denn in Übereinstimmung mit seiner Verfassung und der Charta der Vereinten Nationen“. Diese Regelungen stehen in engem Bezug zum Grundgesetz, aus dem Leitprinzipien wie das Friedensgebot und die bewusste Abkehr von einer unilateralen, nationalen Machtpolitik zugunsten eines kooperativen und integrationsbereiten Multilateralismus direkt ableitbar sind.
Bereits zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 kündigte der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl eine aktivere Rolle Deutschlands an, auch im Bereich der UN-Friedenssicherung. Seitdem setzt Deutschland diese Rolle in verschiedenen Zusammenhängen um, beispielsweise als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats in den Perioden 2003/2004, 2011/2012 und 2019/2020. Auch an Friedenseinsätzen ist Deutschland als Truppensteller beteiligt, was seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Auslandseinsätzen der Bundeswehr im Jahr 1994 möglich ist.