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50 Jahre deutsche Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen: Impulse für eine zukünftige deutsche UN-Politik

Der DGVN-Bundesvorstand hat im Juni 2023 ein Positionspapier zum 50. Jubiläum der deutschen Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen erstellt. Unter anderem werden die Themen Frieden und Sicherheit, Nachhaltige Entwicklung und Klimagerechtigkeit und Menschenrechte und Völkerrecht behandelt.

 

1.  Wo wir stehen

Das 50. Jubiläum des UN-Beitritts der damals beiden deutschen Staaten bietet eine Gelegenheit, neu über Deutschlands Ziele und Profil in den Vereinten Nationen nachzudenken. Das internationale System befindet sich in einer Wendezeit, die aktiv gestaltet werden muss. Uns eint die Überzeugung, dass nur ein starkes multilaterales System mit den Vereinten Nationen im Zentrum ein friedliches, stabiles und nachhaltiges Miteinander der Staaten ermöglichen kann. Starke Vereinte Nationen liegen deshalb im ureigensten deutschen Interesse – und unser Land kann noch mehr tun, um die Vereinten Nationen zu stärken.

 

2.  Frieden und Sicherheit

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Fragen von Frieden und Sicherheit und die Handlungsfähigkeit des UN-Systems ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Angesichts globaler Implikationen kann und darf diese Zeitenwende nicht nur national oder europäisch verstanden werden. Deshalb sollte Deutschland...

  • ... seine Rolle als Ko-Verhandlungsführer des Zukunftsgipfels im Jahr 2024 nutzen, um mit Partnern, insbesondere aus dem Globalen Süden, Reformvorschläge zur Steigerung von Effektivität und Legitimation der UN-Governance zu diskutieren.
  • ... neben bestehenden Verpflichtungen gegenüber NATO und EU weiterhin angemessene zivile, polizeiliche und militärische Beiträge zu UN-Friedensmissionen leisten, sein Engagement für die Reform der UN-Peacekeeping weiter ausbauen und dazu verstärkt in Partnerschaften mit Ländern des Globalen Südens investieren.
  • ... noch gezielter Personalaufbau (zivil, polizeilich und militärisch) für die Wahrnehmung herausgehobener Aufgaben in politischen Missionen sowie in UN-Friedensmissionen betreiben.
  • ... weiterhin für ein breites Verständnis von Friedens- und Sicherheitspolitik eintreten, welches sich auf menschliche Sicherheit fokussiert und darauf abzielt, alle Formen von Gewalt zu reduzieren, Zivilpersonen zu schützen und Konfliktzyklen zu durchbrechen.
  • ... zivilgesellschaftliche Akteure aller Geschlechter, insbesondere junge Menschen, bei deren Einsatz für Frieden und Sicherheit in bilateralen Beziehungen wie auch in den Vereinten Nationen stärken

 

3.  Nachhaltige Entwicklung und Klimagerechtigkeit

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen bildet eine globale Richtschnur für die Transformation unserer Welt zu einer nachhaltigen Entwicklung. Die Armuts-, Hunger-, Biodiversitäts- und Klimakrise lässt sich nur im globalen Maßstab lösen; Frieden, Stabilität und Resilienz sind ohne nachhaltige Entwicklung unerreichbar. Deshalb sollte Deutschland...

  • ... verstärkt dafür eintreten, die von der Agenda 2030 geforderte Transformation weltweit umzusetzen und zu finanzieren. Hierfür sind bilaterale Energie- und Klimapartnerschaften grundsätzlich geeignet. Im Sinne der Agenda 2030 sollten sie alle Dimensionen von Nachhaltigkeit einbeziehen, um effektiv zu sein. Zusätzlich sollte Deutschland den G7-Beschluss umsetzen, die im Jahr 2021 ausgeschütteten IWF-Sonderziehungsrechte u.a. in Klima- und Entwicklungsfinanzierung zu investieren.
  • ... es zu einer Priorität seiner Entwicklungspolitik machen, die globale Staatenverschuldungskrise zu bewältigen – in multilateraler Zusammenarbeit und unter Einbeziehung privater Gläubiger. So können betroffenen Staaten Räume für notwendige Investitionen in nachhaltige Entwicklung erhalten.
  • ... mit seiner Klimapolitik eine Vorbildrolle einnehmen und einen mit der 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaübereinkommens vereinbaren Dekarbonisierungspfad einhalten. Für mehr Transparenz sollte das Klimaschutzgesetz um einen regelmäßigen Abgleich mit dem deutschen CO2-Budget ergänzt werden, wie es vom Sachverständigenrat für Umweltfragen berechnet worden ist.
  • ... die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) systematisch ins politische Handeln integrieren. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sollte so überarbeitet werden, dass Nachhaltigkeitspolitik nicht parallel zur Fachpolitik betrieben wird, sondern jedes Politikfeld seinen notwendigen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele leistet.

 

4.  Menschenrechte und Völkerrecht

75 Jahre nach Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechtestellen mächtige Staaten – insbesondere Russland mit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine – die Geltung des Völkerrechts und den internationalen Menschenrechtsschutz grundsätzlich infrage. Eine friedliche und gerechte Weltordnung kann jedoch nur auf Grundlage des Völkerrechts, im Einklang mit der UN-Charta und unter Achtung der Menschenrechte gelingen. Deshalb sollte Deutschland...

  • ... mit anderen Staaten das UN-Menschenrechtssystem finanziell, personell und politisch so unterstützen, dass es seine Aufgaben wahrnehmen kann und für Individuen wie Zivilgesellschaft ohne Repressalien zugänglich bleibt. Deutschland muss sich entschieden allen Narrativen entgegenstellen, die internationalen Menschenrechtsschutz mit einem absoluten Souveränitätsverständnis abblocken.
  • ... die Glaubwürdigkeit des Menschenrechtsrats stärken, indem die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Menschenrechtsrat neu diskutiert und die Rechenschaftspflicht der Ratsmitglieder durch einen Verhaltenskodex erhöht werden.
  • ... sich als treibende Kraft für die Fortentwicklung der internationalen Strafgerichtsbarkeit einsetzen. Bei Strukturermittlungen und der Sicherung von Beweisen kann Deutschland notwendige Ressourcen und wichtiges Know-how bereitstellen.

 

5.  Starke und handlungsfähige Institutionen

Die Vereinten Nationen sind nur so stark und nur so handlungsfähig, wie ihre Mitgliedstaaten es erlauben – und zu finanzieren bereit sind. Deutschland kann durch finanziellen Einsatz und eine strategisch aufgestellte UN-Politik wichtige Beiträge leisten. Deshalb sollte Deutschland...

  • ... auf dem Weg zu einer ausreichenden Finanzierung des UN-Systems weiter vorangehen, mehr freiwillige Beiträge leisten und Pflichtbeiträge stets pünktlich und vollständig begleichen. Freiwillige Beiträge für Entwicklung und humanitäre Hilfesollten langfristig angekündigt werden, um Planungssicherheit zu schaffen, und mindestens zur Hälfte ohne Zweckbindung geleistet werden.
  • ... die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen, damit das gesetzte Ziel einer ODA-Quote von 0,7 Prozent des BIP in künftigen Haushaltsjahren eingehalten wird.
  • ... sein UN-Engagement sowie Ziele und Fortschritte der deutschen UN-Politik jährlich im Plenum des Bundestags debattieren und Experten und Expertinnen aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft regelmäßig anhören.
  • ... sich aktiv dafür einsetzen, dass als Nachfolge von UN-Generalsekretär António Guterres erstmals in der UN-Geschichte eine Frau zur UN-Generalsekretärin gewählt wird.