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50 Jahre UNESCO-Welterbekonvention

Vor fünfzig Jahren wurde die Welterbekonvention verabschiedet, um einzigartige Natur- und Kulturstätten der Welt durch internationale Zusammenarbeit zu schützen. Die UNESCO nahm das Jubiläum zum Anlass, eine Zwischenbilanz zu ziehen und Zukunftsperspektiven zu diskutieren.

Ein sandfarbenes kuppelförmiges und oben spitz zulaufendes Gebäude, davor der Schattenriss einer Frau.
Die Djingareyber-Moschee ist eines der Bauwerke, das der malischen Stadt Timbuktu den Titel „Weltkulturerbe“ der UNESCO einbrachte. Foto: UN Photo/Marco Dormino

Das Übereinkommen zum Schutz des Natur- und Kulturerbes der Welt (Welterbekonvention) ist das zentrale Instrument der internationalen Gemeinschaft zum Schutz von Kulturstätten und Naturräumen von außergewöhnlichem universellem Wert („Outstanding Universal Value“ - OUV). Das Übereinkommen ist mittlerweile von 194 Vertragsstaaten ratifiziert worden und genießt damit eine außerordentliche Akzeptanz. Federführend bei der Umsetzung ist die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO).

Werden Stätten in die Liste des Welterbes eingetragen, wird damit ihr außergewöhnlicher Wert für die gesamte Menschheit anerkannt. Inzwischen sind 1.154 Stätten in mehr als 167 Ländern als Kultur- oder Naturerbe ausgewiesen. 897 davon sind Kulturerbestätten, 218 zählen zum Naturerbe und 39 erfüllen die Kriterien beider Kategorien. Für jede dieser Stätten ist ein Managementplan erforderlich. So soll sichergestellt werden, dass zukünftige Generationen die gleichen Chancen auf ein Leben mit diesem Welterbe haben.

„The Next 50“

In Delphi, wo einst Pilger das Orakel befragten, beging die UNESCO Mitte November 2022 das 50-jährige Bestehen der Welterbekonvention mit einer Konferenz unter dem Titel: “The Next 50 - The future of World Heritage in challenging times enhancing resilience and sustainability”. Auch die Deutsche UNESCO-Kommission würdigte den Anlass und veranstaltete eine Tagung in Kooperation mit der Universität Heidelberg.

„Die Welterbekonvention verbindet alle Kontinente, sie verbindet aber vor allen Dingen alle Kulturen. Sie eint uns in der Überzeugung, dass wir ein gemeinsames Erbe haben. Es ist das Erbe der Menschheit und nicht nur das Erbe einer Region oder eines Landes“, betonte Maria Böhmer, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission.

Geografische Ungleichverteilung

Welche Stätten ausgewiesen oder als gefährdet eingestuft werden, unterliegt oft komplexen Aushandlungsprozessen. Doch die Stätten sind weltweit recht ungleich verteilt: Während in einigen Ländern – so in Italien, China, Deutschland, Frankreich und Spanien – jeweils um die 50 Stätten eingetragen sind, gibt es in 27 Ländern keine einzige. Das gilt zum Beispiel für viele kleine Inselstaaten, aber auch für zwölf afrikanische Staaten wie Liberia, Sierra Leone und Ruanda. Der Direktor des UNESCO-Welterbezentrums, Lazare Eloundou Assomo, unterstreicht in Delphi die Herausforderung: Auf den gesamten afrikanischen Kontinent entfielen nur zwölf Prozent aller Welterbestätten, aber 40 Prozent aller gefährdeten. In den kommenden Jahren soll nun gezielt mehr Welterbe in Afrika ausgewiesen werden.

Die Verteilung der Erbestätten über die Welt ist nicht nur geografisch sehr ungleich. Auch waren von Beginn an Altstädte, bestimmte Epochen, Stätten des christlichen Glaubens und eine den Eliten zuzurechnende Architektur überproportional stark vertreten. Ab Mitte der 1990er-Jahre wurde gegengesteuert, berichtete Christina Cameron, emeritierte Professorin der Universität von Montreal, Kanada. Zunehmend wurden nun auch wichtige Stätten indigener Völker berücksichtigt, die oft keine historischen Bauwerke hervorbrachten, sondern stärker mit Naturräumen verbunden sind. Neue Typologien umfassten nun auch bedeutende Architektur aus dem 20. Jahrhundert und industrielle und landwirtschaftliche Errungenschaften.

Welterbe in Gefahr

Mit einer „Roten Liste“ gefährdeter Stätten signalisiert die UNESCO, dass die Weltgemeinschaft sich stärker um deren Schutz bemühen muss. Dabei ist es unerheblich, ob ein Staat eine Welterbestätte in Gefahr bringt, indem er etwa bauliche Veränderungen zulässt, oder ob die bisherigen Schutzmaßnahmen einfach nur unzureichend sind.

Im Vordergrund spielen Kinder Fußball, im Hintergrund sieht man eine sandfarbene Felswand, in der eine große Aushöhlung in Form eines Buddhas klafft.
Wo heute eine Leerstelle klafft, stand einst eine der Buddha-Statuen des afghanischen Bamiyan-Tals. Sie wurde durch die Taliban zerstört. Das Tal ist auf der Liste des gefährdeten Weltkulturerbes der UNESCO. Foto: UN Photo/Fardin Waezi

52 Welterbestätten sind derzeit als „gefährdet“ eingestuft. Kulturgüter geraten in Gefahr, wenn sich zum Beispiel der Zustand der verwendeten Materialien verschlechtert oder wenn die historische Authentizität oder kulturelle Bedeutung verloren geht. Naturerbe kann durch Wilderei, Abholzung, Verschmutzung, Besiedlung, Bergbau, Landwirtschaft oder Infrastrukturausbau beeinträchtigt werden.

Sowohl Kultur- als auch Naturerbestätten können durch Entwicklungsprojekte, Managementdefizite oder Konflikte bedroht sein. Dies gilt etwa für die Altstädte von Aleppo und Damaskus in Syrien und für Sanaa im Jemen. Das Dresdner Elbtal wurde 2009 aus der Liste des Welterbes gestrichen, weil die schützenswerte Sicht auf die Stadt im Elbtal nach Ansicht des Welterbekomitees durch den Neubau einer Brücke zerstört wurde.

Klimawandel als wachsende Bedrohung

Zunehmend rückt auch der Klimawandel in den Blick, denn er wirkt sich unwiderruflich auf Welterbestätten aus. Bis zum Jahr 2100 könnten die Hälfte aller Welterbe-Gletscher und alle zum Welterbe zählenden Korallenriffe verschwunden sein, warnt die UNESCO. Einige Welterbestätten sind bereits heute besonders stark von Klimaveränderungen betroffen, so zum Beispiel in Küstenregionen und auf kleinen Inselstaaten.

Teresa Patricio, Vorsitzende der Denkmalschutzorganisation ICOMOS, präsentierte in Delphi einen Klimavulnerabilitätsindex (CVI). Dieser soll helfen zu beurteilen, wie anfällig Welterbestätten für die Auswirkungen des Klimawandels sind, insbesondere in Bezug auf ihren außergewöhnlichen universellen Wert. Auch bewertet der Index die Folgen des Klimawandels für die Gemeinschaften, die von den Welterbestätten abhängig sind.

Welterbe vermitteln

Das UNESCO-Welterbe übt eine große Anziehung auf Besucherinnen und Besucher aus, viele der Stätten zählen zu den bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Welt. Tourismus ist eine Möglichkeit, Welterbe zugänglich zu machen und seine Bedeutung und Geschichte zu vermitteln – wichtige Anliegen der Welterbekonvention. Zugleich trägt der Tourismus wesentlich dazu bei, den Erhalt des Welterbes zu finanzieren. Große Herausforderungen bestehen darin, den Tourismus nachhaltiger zu gestalten und die Anwohnerinnen und Anwohner einzubeziehen.

Audrey Azoulay, Generaldirektorin der UNESCO, kündigte ein umfassendes Bildungsprogramm für Schulen an Welterbe-Standorten an. Mit einer „Digital World Heritage Platform“ will die UNESCO ab 2024 virtuelle Besuche von Welterbestätten ermöglichen. Ein Aktionsplan soll dazu beitragen, die Welterbestätten in den kommenden Jahrzehnten repräsentativer, zugänglicher und nachhaltiger zu machen.

Von Christina Kamp


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