Menü

Auch LGBTI-Rechte sind Menschenrechte

Vor zehn Jahren hat das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen den ersten Bericht über Menschenrechte von LGBTI-Personen veröffentlicht. Was ist seither geschehen?

Eine Frau hält ein Plakat in Regenbogenfarben mit der Botschaft "Love is love".
LGBTI-Solidaritätsveranstaltung in den USA (Creative Commons/Mathias Wasik)

Read this article in English

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948 besagt, dass „alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ sind. Doch es sollte bis zum Jahr 1994 dauern, bis die Vereinten Nationen (UN) diese Rechte explizit auch auf alle Menschen bezog, deren sexuelle Ausrichtung oder Geschlechtsidentität nicht der Heteronormativität entspricht. Im Zuge eines bahnbrechenden Menschenrechtsprozess (Toonen gegen Australien) kam der UN-Menschenrechtsausschuss (CCPR) zu dem Schluss, dass die sexuelle Orientierung einen Schutzstatus unter dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte benötigt. Im Jahr 2011, veröffentlichte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte erstmals einen umfassenden Bericht zum Thema.

Dieser Bericht umreißt unter dem Titel „Diskriminierende Gesetze und Praktiken sowie Gewaltakte gegen Personen aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung und Geschlechtsidentität“ einige der dringendsten Probleme im Kontext geschlechts- und sexualitätsbasierter Diskriminierung und formuliert daraus folgende Empfehlungen an die Mitgliedstaaten. So wird beispielsweise angeregt, dass alle Gesetze aufgehoben werden, die Gewalt gegen LGBTI-Personen begünstigen. ‚LGBTI‘ bezieht sich hierbei als Abkürzung auf lesbische, schwule, bisexuelle, intersexuelle und trans-Personen. Außerdem wird empfohlen, Hassdelikte gründlicher zu erfassen und zu untersuchen sowie umfassende Gesetze zur Bekämpfung von Diskriminierung zu schaffen.

Gewalt und Diskriminierung

Der Bericht von 2011 beinhaltet zahlreiche Beispiele für diskriminierende Gesetze und Praktiken gegen LGBTI-Personen. Demnach sind Menschen in allen Weltregionen Gewalt und Diskriminierung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ausgesetzt. Zu diesen Rechtsverletzungen zählen „Tötungen, Vergewaltigungen und körperliche Angriffe, Folter, willkürliche Inhaftierungen, die Verweigerung des Rechts auf Versammlung, freie Meinungsäußerung und Information sowie Diskriminierung in den Bereichen Erwerbstätigkeit, Gesundheit und Bildung”. LGBTI-Personen sind durch Gewalt in der Familie und in der Gemeinschaft sowie durch Angriffe von Gruppen wie „religiösen Extremisten, paramilitärischen Gruppierungen, Neonazis und extremen Nationalisten” bedroht. Auch durch die Gesetzgebung und Politik einiger Länder wurden LGBTI-Personen zur Zielscheibe gemacht. Wie in dem Bericht zitiert, existierten im Jahr 2011 nach Angaben der Internationalen Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen-, Transgender- und Intersex-Vereinigung (ILGA) in 76 Ländern Gesetze, „die dazu dienen, Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu kriminalisieren”. In einigen Ländern können Anklagen auf der Grundlage dieser Gesetze zu lebenslangen Haftstrafen führen oder sogar die Todesstrafe nach sich ziehen.

Was hat sich seit 2011 getan?

Im Jahr 2020 veröffentlichte die ILGA einen Bericht über staatlich geförderte Homophobie, in dem sie feststellte, dass „69 UN-Mitgliedstaaten nach wie vor einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen kriminalisieren”. Das bedeutet aber auch, dass seit 2011 sieben Länder entsprechende Gesetze aufgehoben haben. Mosambik beispielsweise hat im Jahr 2015 schwule und lesbische Beziehungen entkriminalisiert. Im Jahr 2019 entschieden Richter in Botswana, dass Gesetze, die einvernehmliche homosexuelle Handlungen kriminalisieren, verfassungswidrig sind. In Angola trat im Jahr 2021 eine Strafgesetzbuchänderung in Kraft, die „diskriminierende Handlungen aufgrund der sexuellen Orientierung, auch in Bezug auf die Erwerbstätigkeit, unter Strafe stellt”. Da viele Staaten in Afrika homosexuelle Beziehungen immer noch unter Strafe stellen, wurden diese Urteile als wichtige Siege gefeiert. Die Hoffnung wächst, dass weitere Staaten diesen Beispielen folgen.

Auch auf anderen Kontinenten hat sich seit 2011 einiges getan: Kuba, Mexiko, Nepal, Malta und Schweden haben das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung in ihre Verfassungen aufgenommen. Barbados, Liberia, Island und Irland haben neue Gesetze verabschiedet oder bestehende Gesetze angepasst, die den Arbeitnehmerschutz für LGBTI-Personen stärken. Viele Länder haben zudem Gesetze erlassen, die Gewalttaten aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität unter Strafe stellen. Und es wurden Gesetze verabschiedet, die homosexuellen Paaren die gleichen Rechte wie heterosexuellen Paaren einräumen, indem die Definition der Ehe auf gleichgeschlechtliche Paare ausgedehnt wurde, darunter in Brasilien, Kolumbien, Ecuador, den USA, Österreich, Finnland, Deutschland und Irland.

Verbesserungen hier, Rückschläge dort 

Seit 2011 haben einige Länder jedoch auch diskriminierende Gesetze gegen die LGBTI-Gemeinschaft verschärft. So hat Nigeria im Jahr 2014 ein neues Gesetz eingeführt, das lesbischen und schwulen Paaren die Ehe verbietet und öffentliche Zuneigungsbekundungen zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren unter Strafe stellt. In den USA hat die Obama-Regierung in den Jahren 2009 bis 2017 viele Gesetzesänderungen vorgenommen, um die Rechte der LGBTI-Gemeinschaft zu schützen, doch die Trump-Regierung bemühte sich 2017-2021 sehr, diese Rechte zurückzunehmen und zu schwächen.

In Deutschland deutet der Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung darauf hin, dass weitere Schutzmaßnahmen für die LGBTI-Community eingeführt werden. In der Vereinbarung erklärt die Koalition, dass sie allen Formen der Diskriminierung entgegenwirken will und beabsichtigt, einen nationalen Aktionsplan für die Akzeptanz und den Schutz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu entwickeln. Regenbogenfamilien werden demnach unterstützt, indem ihr Status in der Familienpolitik gesichert wird und geschlechtsspezifische sowie homophobe Tatmotive explizit in den Strafkatalog des § 46 (2) StGB aufgenommen werden.

Für den Schutz der Rechte der LGBTI-Gemeinschaft muss fortwährend gekämpft werden. Denn nach wie vor werden LGBTI-Personen vielerorts verfolgt und kriminalisiert. Hinzu kommt, dass neue Regierungen, wie das Beispiel der USA zeigt, in kurzer Zeit Jahrzehnte harter Arbeit zunichte machen und erkämpfte Rechte einer früheren Regierung wieder zurücknehmen können. Darum ist es von entscheidender Bedeutung, dass die UN weiterhin darauf drängen, dass die Mitgliedstaaten diskriminierende Gesetze und Praktiken abschaffen. Seit 2011 haben die UN mehrere Berichte über Menschenrechtsverletzungen gegen die LGBTI-Gemeinschaft veröffentlicht. Im Jahr 2016 schufen die UN ein Mandat „zur Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität“. Und im darauffolgenden Jahr wurde der costa-ricanische Jurist Victor Madrigal-Borloz zum unabhängigen Experten ernannt.

All dies sind positive Schritte. Denn die Menschenrechte der LGBTI-Gemeinschaft können nur dann geschützt werden, wenn alle Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um negative Diskurse zu verändern und Gesetze zu schaffen, die diese Rechte langfristig sichern.

Von Teri Shardlow

Aus dem Englischen von Caroline Härdter


Das könnte Sie auch interessieren