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Bestandsaufnahme Agenda 2030: Kommen wir in der integrierten Umsetzung voran?

Es gibt keinen Planeten B. Wer sich dieser Einsicht nicht verschließt, muss versuchen, die Agenda 2030 so schnell wie möglich umzusetzen. Sie ist eine einzigartige Vision für die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten, schreiben Imme Scholz und Hannah Janetschek in der Aktuellen Kolumne des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik anlässlich des Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung. Sie sehen eine besondere Herausforderung in der Verbindung von Klima- und Umweltschutz mit sozialer und ökonomischer Entwicklung, die einen frühzeitiger Dialog über Politikfelder hinweg unabdingbar macht.

(© HLPF (Instagram: https://www.instagram.com/p/BWazf7sn-rm/)
UN-Untergeneralsekretär Wu Hongbo, zuständig für die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, beim HLPF 2017 in New York. (Foto: HLPF)

Bonn, 24.7.2017. Es gibt keinen Planeten B. Wer sich dieser Einsicht nicht verschließt, muss versuchen, die  2015 beschlossenen 17 Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs) so schnell wie möglich und so gut wie möglich umzusetzen – und zwar in einer globalen Partnerschaft. Die Agenda 2030 ist eine einzigartige Vision für die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten. Die Herausforderung liegt in der Verbindung von Klima- und Umweltschutz mit sozialer und ökonomischer Entwicklung. Damit sind Synergien und Zielkonflikte verbunden, und ein frühzeitiger Dialog über Politikfelder hinweg wird unabdingbar. Das jährlich stattfindende Hochrangige Politische Forum für Nachhaltige Entwicklung (High Level Political Forum - HLPF) der Vereinten Nationen ist als Plattform geschaffen worden, um den Fortschritt und bestehende Herausforderungen in der Umsetzung zu diskutieren.  

In diesem Jahr fand bereits das zweite HLPF statt, und die überall zu spürende Aufbruchsstimmung scheint ungebrochen zu sein. Dies spiegelt sich auch in der Einigkeit aller G20-Staaten beim Hamburger Gipfel mit Blick auf die Bedeutung der Vereinten Nationen und des HLPF für die Umsetzung der Agenda 2030 wider. Das HLPF tagt jährlich in New York, die Länder berichten freiwillig und stehen hierbei den kritischen Rückfragen der anderen Teilnehmerstaaten und einer großen Zahl zivilgesellschaftlicher Akteure Rede und Antwort. Die Berichterstattung umfasst in der Regel eine 15-minütige Präsentation zu Fortschritten und Defiziten mit anschließender Diskussion. Dieses Jahr gab es 44 nationale Fortschrittsberichte, doppelt so viele wie 2016. Die Länder, darunter Indien, Dänemark, Äthiopien und die Malediven, könnten in den jeweiligen Herausforderungen und Fortschritten diverser nicht sein.

Die zwei Berichtswochen zur Agenda 2030 bildeten den Abschluss einer intensiven Vorbereitungsphase auf nationaler Ebene mit flankierenden Publikationen, Multi-Stakeholder-Dialogen und Expertenrunden der Zivilgesellschaft. Diese Vorarbeiten leisten den eigentlichen Beitrag zur Umsetzung der Agenda 2030. Neu war 2017 die Ergänzung der nationalen Berichterstattung um die „thematischen Reviews“ von sieben ausgewählten SDGs. So befasste sich das HLPF unter der Überschrift „Eradicating Poverty and Promoting Prosperity“ in der Tiefe mit den Themen Armut, Hunger, Gesundheit, Geschlechtergleichstellung, Infrastruktur, Meeresökosysteme und globale Partnerschaften. Die weniger entwickelten Länder können in ihren Berichten eigene Prioritäten setzen oder sich auf die ausgewählten sieben SDGs konzentrieren. Durch diese thematische Engführung war zu beobachten, dass Diskussionen einen starken Fokus auf die soziale und ökonomische Dimension der Agenda 2030 entwickelten. Die ökologische Dimension rückte in den Hintergrund.

Angesichts des knappen Zeitrahmens pro Land war eine Fokussierung der Diskussion wichtig und sinnvoll. Gerade die ärmsten Länder oder auch kleine Inselstaaten mit begrenzten Kapazitäten für die Umsetzung können auf diese Weise die Berichtslast schultern und gegebenenfalls Themenpartnerschaften mit anderen Ländern eingehen. Gleichzeitig sind thematische Reviews ein sehr sinnvolles Verfahren, um über nationale Betrachtungen hinauszugehen. Sie besitzen somit das Potential, besonders kritische Zielkonflikte zwischen Entwicklung, Wachstum und Umweltschutz zu beleuchten und Erfahrungen und Herausforderungen bei systemischen Veränderungsprozessen zu teilen. Im Rahmen eines Side Events der Berliner Global Soil Week zu Ernährung wurde aufgezeigt, dass thematische Reviews genau diesen Querschnittscharakter entwickeln müssten, um den komplexen Herausforderungen in der Umsetzung der Agenda 2030 Rechnung zu tragen.

Die ersten thematischen Reviews des HLPF führten jedoch zu einer Tiefenanalyse einzelner SDGs und verloren dabei die Wechselwirkungen zwischen einzelnen Politikfeldern aus dem Auge. Es stellt sich daher die Frage, wie thematische Reviews so ausgestaltet werden können, dass sie dem integrierten Charakter der Agenda 2030 Rechnung tragen. Wir müssen aufhören, isolierte Ansätze in einzelnen Politikfeldern zu suchen. Nötig sind Mechanismen, die die soziale und ökonomische mit der ökologischen und politischen Dimension verbinden. Erst dann sind Diskussionen um Zielkonflikte und Synergien, um Gewinner und Verlierer und damit um die Knackpunkte in der Umsetzung der Agenda 2030 möglich. Die thematischen Reviews besitzen das Potential, diesen Austausch und das gegenseitige Lernen darüber auf globaler Ebene zu befördern. Positiv sind in diesem Zusammenhang auch die Vereinbarungen der G20-Staaten in Hamburg zu bewerten, erstens eine freiwillige G20-Lernplattform für die Agenda 2030 einzurichten, an der sich auch Länder jenseits der G20 beteiligen können, und zweitens den Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren zu verstetigen.

Der Dialog über eine verbesserte Ausgestaltung thematischer Reviews muss jetzt vorangebracht werden. Maßstab dafür müssen die komplexen Herausforderungen in den einzelnen Ländern sein und der Anspruch, systemisches Wissen in politische Handlungsempfehlungen zu übersetzen. Thematische Reviews, die sich dem Querschnittscharakter der SDGs annehmen, können Verständnis über Politiksektoren hinweg und systemische Handlungsempfehlungen fördern. 

 

Hannah Janetschek und Imme Scholz, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Der Text wurde ursprünglich in "Die Aktuelle Kolumne" des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) veröffentlicht.

Das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik (DIE) zählt weltweit zu den führenden Forschungsinstituten zu Fragen globaler Entwicklung und internationaler Entwicklungspolitik. Das DIE berät auf der Grundlage unabhängiger Forschung öffentliche Institutionen in Deutschland und weltweit zu aktuellen Fragen der Zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem DIE veröffentlichen wir die "Aktuellen Kolumnen" mit UN-Bezug auch auf den Portalen der DGVN.


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