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Das Leben wird riskanter

Überflutungen, Dürren, Hungersnöte: Katastrophen werden in Zukunft häufiger eintreten, warnt das Büro der Vereinten Nationen zur Katastrophenvorsorge. Dieser Trend ließe sich durchaus ändern, denn menschliche Entscheidungen beeinflussen das Risiko.

Zwei junge Männer mit roten Shirts waten durch eine überschwemmte Landschaft.
Ein überflutetes Wohngebiet in der somalischen Stadt Belet Weyne, die 2018 von einer der schlimmsten Überschwemmungen aller Zeiten heimgesucht wurde. (UN Photo/Ilyas Ahmed)

Eigentlich kommt der Regen am Horn von Afrika zwei Mal im Jahr. Das Frühjahr gilt mit seinen ausgedehnten Regenfällen als lange Regenzeit, auch zwischen September und Dezember konnten die Menschen in der Regel mit Niederschlägen rechnen.

Doch der lang ersehnte Regen ist nun schon zum vierten Mal ausgefallen. Große Teile Äthiopiens, Somalia und Kenias sind von einer schweren Dürren betroffen. 16,7 Millionen Menschen in Ostafrika leiden akut unter Ernährungsunsicherheit. Bis zum Herbst könnte die Zahl auf 20 Millionen Menschen steigen. Millionen von Tieren sind in der Region verendet. Die Zahl der schwer unterernährten Kinder, die in diesem Jahr in Äthiopien, Somalia und Kenia in Krankenhaus eingeliefert wurden, ist deutlich höher als in den vergangenen Jahren.

Und Linderung ist nicht in Sicht: Prognosen deuten darauf hin, dass auch die kommende Regenzeit im Herbst ausfallen könnte. Entwicklungsorganisationen schlagen Alarm. Es sei notwendig zu handeln, um das Schlimmste zu verhindern. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) bemühen sich darum, dass die Staaten ihre Mittel zur Unterstützung aufzustocken. Doch nur ein Bruchteil der benötigten Gelder wurde bislang tatsächlich zur Verfügung gestellt.

Dürren: Immer häufiger und immer heftiger

In der Vergangenheit kam es in Ostafrika alle zehn bis 15 Jahre zu Dürren. Doch die extrem trockenen Phasen häufen sich. Zwischen 2010 und 2011 sowie zwischen 2016 und 2017 kam es zu heftigen Dürren – ein rasches Eingreifen der Vereinten Nationen und von Hilfsorganisation konnte damals Hungerkatastrophen mit Millionen Toten verhindern.

Aber in Ostafrika wird eine Entwicklung sichtbar, vor der auch Expertinnen und Experten für Katastrophenschutz warnen: Dürren werden in Zukunft häufiger und intensiver. Zwischen 2000 und 2030 werden Dürren um mehr als 30 Prozent zu nehmen, heißt es im Global Assessment Report (GAR2022), der vom Büro der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge (United Nations Office for Disaster Risk Reduction – UNDRR) vorgelegt wurde. Während es zwischen 2001 und 2010 im Durchschnitt 16 Dürreereignisse jährlich gab, wird die Zahl der Dürren bis 2030 auf 21 pro Jahr steigen.

Mehr Umweltkatastrophen, weniger Fortschritt 

Der beobachtete Trend beschränkt sich nicht auf Dürren allein: auch Katastrophen wie Wirbelstürme, extreme Hitzewellen, Überflutungen, Pandemien oder Erdbeben, werden in Zukunft häufiger eintreten. Bis 2030 könnten Katastrophen um 40 Prozent weltweit zunehmen. Das entspricht 540 Katastrophen pro Jahr oder mehr als 1,5 Katastrophen pro Tag. Im Jahr 2015 wurden etwa 400 Katastrophen gezählt.

Soziale und wirtschaftliche Fortschritte könnten dadurch gefährdet werden. Der Bericht mit dem Titel „Our World at Risk: Transforming Governance for a Resilient Future“ warnt, dass häufiger auftretende Katastrophen das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung bedrohen könnte. Die 17 Ziele, die 2015 von der Weltgemeinschaft verabschiedet wurden, sollen Armut und Hunger beenden, ein gutes und gesundes Leben für alle Menschen sicherstellen und auch die wirtschaftliche Entwicklung nachhaltiger gestalten. Wenn aber das Leben auf der Erde wegen zunehmender Katastrophen insgesamt gefährlicher wird, könnten viele Ziele für nachhaltige Entwicklung nur schwer oder gar nicht verwirklicht werden.

Katastrophen haben in Entwicklungsländern schlimmere Auswirkungen

Vor allem Entwicklungsländer trifft die steigende Zahl der Katastrophen unverhältnismäßig stark. Im Durchschnitt verlieren diese Länder ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) durch Katastrophen, in Industrieländern sind es dagegen nur 0,1 bis 0,3 Prozent des BIP. Am größten ist der Verlust in der asiatisch-pazifischen Region.

Auch ein weiteres Ziel der Weltgemeinschaft steht auf dem Spiel: die Risiken und Folgen von Katastrophen zu senken. 2015 hatten sich die Staaten mit dem Sendai-Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge vorgenommen, dass bis 2030 weniger Menschen von Katastrophen betroffen oder in deren Folge zu Tode kommen sollen. Auch die Schäden durch Katastrophen sollen gesenkt und Strategien zur Minimierung von Risiken entwickelt werden. Dazu gehört auch ein besserer Zugang zu Frühwarnsystemen.

Doch die bereits erzielten Fortschritte – 120 Länder haben Pläne zur Katastrophenvorsorge entwickelt und angenommen – sind wegen der erwarteten Zunahme von Katastrophen in Gefahr. Die Menschheit habe eine Spirale der Abwärtsentwicklung in Gang gesetzt, heißt es in dem UNDRR-Bericht. Verantwortlich für häufiger eintretenden Katastrophen sind menschliche Aktivitäten und menschliches Verhalten.

Risiken verkleinern

„Katastrophen können verhindert werden, aber nur, wenn die Länder die Zeit und die Ressourcen investieren, um ihre Risiken zu verstehen und zu verringern“, sagte Mami Mizutori, Sonderbeauftragte des Generalsekretärs für die Verringerung des Katastrophenrisikos und Leiterin des UNDRR. „Indem die Welt bewusst Risiken ignoriert und diese nicht in die Entscheidungsfindung einbezieht, finanziert sie effektiv ihre eigene Zerstörung. Wichtige Sektoren, von der Regierung bis hin zu Entwicklungs- und Finanzdienstleistungen, müssen dringend überdenken, wie sie das Katastrophenrisiko wahrnehmen und angehen.“

Doch es gibt auch Hoffnung: Die Menschheit kann durchaus gegensteuern, wenn sie bei den Ursachen für Katastrophen ansetzt und Risiken vermindert. So wie es etwa Costa Rica getan hat: dort trägt das Finanzsystem dazu bei, Anreize zur Risikoverringerung zu setzen. Im Jahr 1997 hat Costa Rica eine Steuer auf Erdöl-Produkte eingeführt. Die Einnahmen gingen an Waldbesitzer, wenn diese aufs Roden von Holz verzichten. So wurde die Abholzung von Wäldern zurückgedrängt und eine Ursache für Katastrophen verringert.

Sandra Kirchner


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