Das Recht auf saubere Umwelt
Jeder Mensch hat das Recht, in einer „sicheren, sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt“ zu leben. Das geht aus einem Beschluss der Vereinten Nationen hervor. Ende Juli 2022 hat die UN-Generalversammlung das Recht auf eine gesunde und nachhaltige Umwelt anerkannt. In der Resolution werden Staaten, internationale Organisationen und Wirtschaftsunternehmen aufgefordert, ihre Anstrengungen zu verstärken, um eine gesunde Umwelt für alle zu gewährleisten.
Mit 161 Stimmen sprach sich eine große Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft für die entsprechende Resolution aus. Gegenstimmen gab es bei der Abstimmung der 193 UN-Staaten in New York nicht. Acht Länder gaben kein Votum ab: Äthiopien, Belarus, China, Kambodscha, Kirgistan, Iran, Russland und Syrien enthielten sich ihrer Stimme.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, bezeichnete die Entschließung als „historisch“. „Die Resolution wird dazu beitragen, Ungerechtigkeiten im Umweltbereich zu verringern, Schutzlücken zu schließen und Menschen zu stärken, insbesondere diejenigen, die sich in einer prekären Situation befinden, einschließlich Menschenrechtsverteidiger im Umweltbereich, Kinder, Jugendliche, Frauen und indigene Völker“, sagte Guterres in einer von seinem Sprecher veröffentlichten Erklärung.
Schnellere Umsetzung von Umwelt- und Menschenrechten
Der Beschluss werde dazu beitragen, dass Staaten ihre Verpflichtungen und Zusagen in den Bereichen Umwelt und Menschenrechte schneller umsetzen. „Die internationale Gemeinschaft hat dieses Recht allgemein anerkannt und uns der Verwirklichung dieses Rechts für alle näher gebracht“, betonte Guterres.
Rechtlich bindend ist die Resolution nicht. Befürworter des Beschlusses hoffen aber, dass er einen „Trickle-Down-Effekt“ haben wird; das heißt, dass Länder das Recht auf eine gesunde Umwelt in den nationalen Verfassungen und regionalen Verträgen verankern und diese umzusetzen. Auch UN-Generalsekretär Guterres forderte, dass die Staaten dieses neu anerkannte Recht „für alle und überall“ verwirklichen sollen.
Die Entscheidung fällt zu einer Zeit in der wissenschaftliche Beratergremien wie der Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC) oder die Zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystem-Dienstleistungen (IPBES) vor den voranschreitenden Auswirkungen des Klimawandels oder dem massenhaften Aussterben von Tier- und Pflanzenarten warnen.
Umwelt- und Menschenrechte sind miteinander verwoben
In der Resolution heißt es, dass das Recht auf eine gesunde Umwelt mit dem bestehenden Völkerrecht zusammenhängt. Die Auswirkungen des Klimawandels, die nicht nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, die Verschmutzung von Luft, Boden und Wasser und der daraus resultierende Verlust an biologischer Vielfalt können das Recht auf eine intakte Umwelt beeinträchtigen. Zugleich haben Umweltschäden direkt sowie indirekt negative Auswirkungen auf die tatsächliche Wahrnehmung aller Menschenrechte.
Auch Rechtsfachleute warnen, dass die planetaren Krisen auch die Menschenrechte gefährden können. „Das höchste UN-Gremium hat anerkannt, dass die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unser Überleben von einer sauberen, gesunden und nachhaltigen Umwelt abhängen“, teilte das Center for International Environmental Law, eine Nichtregierungsorganisation, mit. Das sei ein weiteres Instrument, um die Umwelt zu verteidigen, und eröffne neue Möglichkeiten zur Stärkung der Rechenschaftspflicht.
Regierungen leichter zur Verantwortung ziehen
Auch wenn solche Resolutionen auf den ersten Blick abstrakt erscheinen mögen, können sie Bürgerinnen und Bürger dazu befähigen, ihre Regierungen zur Verantwortung zu ziehen. Auch Umwelt- und Menschenrechtsverteidiger, die – meist unter hohem persönlichen Risiko – für den Schutz der Umwelt und von Ökosystem eintreten, bekommen mit der Resolution ein weiteres Mittel an die Hand.
Oft bleibt die Umsetzung und Durchsetzung von Umweltgesetzen und -vorschriften weit hinter dem zurück, was zur Bewältigung der ökologischen Herausforderungen erforderlich ist. Das geht aus dem Bericht zur Einschätzung des Rechtsstaatlichkeit im Umweltbereich hervor, den das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) im Jahr 2019 erstmals vorgelegt hat.
Dabei hat die Umweltgesetzgebung in den vergangen drei Jahrzehnten stark zugenommen. Mehr als 150 Länder haben Umweltschutz oder das Recht auf eine gesunde Umwelt in ihren Verfassungen verankert. Dies und weitere Umweltgesetze haben dazu beigetragen, dass die Umweltzerstörung verlangsamt – und zum Teil sogar beendet – wurde.
Auch in der Rechtsprechung gibt es Weiterentwicklung des Umweltrechts
Dennoch bleibt die Rechtsstaatlichkeit im Umweltbereich in vielen Ländern eine Herausforderung. Das liegt zum Teil auch daran, dass es den Umweltgesetzen an klaren Normen oder notwendigen Mandaten fehlt. Die Resolution könnte jedoch wichtige Impulse geben, um die Umweltgesetzgebung weltweit weiterzuentwickeln.
Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen hatte das Recht auf eine saubere Umwelt schon im vergangenen Oktober anerkannt. Der Menschenrechtsrat ist ein Nebenorgan der UN-Vollversammlung, in den 47 Mitglieder aus der Vollversammlung für drei Jahre gewählt werden. Ursprünglich vorgelegt wurde die Entschließung von Costa Rica, Malediven, Marokko, Slowenien und Schweiz im Juni vergangenen Jahres.
Nicht nur bei der Gesetzgebung gibt es Fortschritte im internationalen Umweltrecht. In der Rechtsprechung werden Verbrechen an der Umwelt mehr ins Visier genommen, zum Beispiel in Frankreich. Das Land hat im vergangenen Jahr ein neues Delikt – den Ökozid – geschaffen. Damit werden Umweltschädigungen nationalen Ausmaßes unter Strafe gestellt.
Auch international gibt es Forderungen, dass schwerwiegende Naturzerstörungen als Straftatbestand vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) etabliert werden sollen. Eine Expertengruppe aus zwölf Juristinnen und Juristen hat einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet und eine Definition für Ökozid vorgelegt. Ob der Vorschlag zum Ökozid in die Praxis umgesetzt wird, ist derzeit ungewiss. Zunächst müsste einer der 123 Vertragsstaaten das in die Vertragsstaatenkonferenz des Gerichtshofs einbringen.
Von Sandra Kirchner