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Deutsche UN-Politik: Multilateralismus stärken

Breite Unterstützung für eine aktivere Rolle Deutschlands in der UN äußerten Bundestags-abgeordnete bei einer Podiumsdiskussion der DGVN in Berlin. Deutschland sollte die gegenwärtige weltpolitische Lage für eine Stärkung des Multilateralismus nutzen, so das Fazit. Ausdrücklich begrüßten die Fraktionsvertreter den Forderungskatalog für die Bundestagswahl, den die DGVN jüngst vorlegte.

Podiumsdiskussion zur deutschen UN Politik
Diskutierten in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften engagiert über die deutsche UN-Politik: Alexander Neu (Linke), Dr. Franziska Brantner (Bündnisgrüne), Arnd Henze (Moderator, ARD), Dr. Andreas Nick (CDU), Niels Annen (SPD) (v.l.)

Konsens herrschte bei der gut besuchten Podiumsveranstaltung in Berlin darüber, dass Deutschland sich noch aktiver in die UN einbringen sollte. Dies auch um Schritte voranzubringen, die Legitimation der Vereinten Nationen zu verbessern. „Wir brauchen eine Stärkung der Legitimation der Vereinten Nationen und eine Reform des institutionellen Aufbaus ihrer Entscheidungsgremien“, sagte Dr. Andreas Nick (CDU). Denn der derzeitige Aufbau der UN spiegle noch die Welt nach 1945 und beziehe vor allem die Schwellen- und Entwicklungsländer des Südens zu wenig ein. Doch gelte es gleichzeitig die Handlungsfähigkeit der UN zu stärken und die Rolle des Sicherheitsrats zu reformieren. „Doch wir brauchen auch im Sicherheitsrat eine breitere Repräsentanz“, unterstrich Nick.  Für eine Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat plädierte dezidiert Niels Annen (SPD).

Mehr engagieren und Strukturreform vorantreiben

„Natürlich gefällt auch mir die Struktur des Sicherheitsrats nicht, aber wir müssen uns dort pragmatisch mehr engagieren und gleichzeitig daran arbeiten, die Struktur zu verändern“, sagte Annen. Deutschland genieße international viel Vertrauen und sei ja auch mehrfach aufgefordert worden für den Sicherheitsrat zu kandidieren. „Ich finde dem können wir uns nicht einfach verweigern“, betonte Annen, deshalb begrüße er eine Kandidatur Deutschlands für den Sicherheitsrat. Dagegen sprach sich Alexander Neu (Die Linke) aus. Deutschland leiste bisher nur Pflichtbeiträge zur UN. „Ich kann nicht erkennen inwieweit Deutschland hier bisher besondere Leistungen erbringt, die es rechtfertigten Deutschland hier aufzunehmen“, so Neu. Zudem unterstrich er seine kritische Einschätzung der Funktion des Weltsicherheitsrats und plädierte für eine Verlagerung der Kompetenzen auf die Ebene der UN-Generalversammlung.

13 deutsche UN-Polizisten reichen nicht aus

Eine Stärkung der UN-Generalversammlung hält auch Dr. Franziska Brantner (Bündnis 90/Die Grünen) grundsätzlich für sinnvoll. „Allerdings muss dann auch die Frage der Finanzierung geklärt sein“, sagte sie. Angesichts der Schwierigkeit der Reform des UN-Sicherheitsrats und seines Scheiterns in aktuellen Konflikten wie Syrien oder dem Jemen könne Deutschland auch außerhalb dieses Gremiums viel tun, unterstrich Brantner. Als Beispiele nannte sie die Mitarbeit in einer Conflict Prevention Group und dem Bereitstellen von mehr Personal für die UN, beispielsweise von Juristen und Polizisten. „Von den 13.000 UN-Polizisten sind nur 13 Deutsche, dies reicht bei weitem nicht aus“, betonte die bündnisgrüne Politikerin. Als Vorbild nannte sie Schweden. In dem Land werden mittels einer Quote ein Prozent der Polizisten für UN-Einsätze abgeordnet. „Ich bin ebenfalls der Meinung, dass mehr Polizisten aus Deutschland bei UN-Einsätzen mitmachen sollten“, unterstützte SPD-Politiker Annen diese Forderung.

Vorrang für Krisen- und Gewaltprävention

„Wie bekommen wir eine Friedenssicherung hin, die die Menschen vor Ort tatsächlich schützt?“. Dies formulierte CDU-Politiker Nick als eine der zentralen Herausforderungen nicht nur für die deutsche UN-Politik. Dies beinhaltet nicht systematisch das Völkerrecht beispielsweise durch den Beschuss von Schulen zu verletzen, wie dies in Syrien und dem Irak geschieht, ergänzte Annen. Doch rechtfertigt dies Militärinterventionen unter der Fahne der UN? Und sollte sich Deutschland daran beteiligen? Die Krisen- und Gewaltprävention muss den unbedingten Vorrang vor dem Einsatz militärischer Mittel zur Friedenserzwingung haben, unterstrichen alle Fraktionsvertreter. Am skeptischsten zum UN-Konzept einer internationalen Schutzverantwortung, der „responsibility to proctect“ (RtoP), äußerte sich der Linken Politiker Neu. „Unter den jetzigen Strukturen lehne ich eine Beteiligung Deutschlands an militärischen Interventionen, auch unter UN-Flagge ab“, sagte Neu und verwies auf den Missbrauch des Interventionsrechts, der in Libyen stattgefunden habe. Er sieht auch grundsätzlich bei Interventionen, die Gefahr, sich in inneren Angelegenheiten souveräner Staaten einzumischen. Das RtoP Konzept bilde keine völkerrechtliche Grundlage für Interventionen, unterstrich er.

Schutzverantwortung für Menschenrechte

Dem widersprach Brantner. „Es stimmt nicht, dass die UN kein Recht hat sich in die inneren Angelegenheiten von Staaten einzumischen“. Denn die UN seien ja starke Akteure für Menschenrechte und die Menschenrechte seien einklagbar. „Die Schutzverantwortung der UN basiert auf dem Grundrechtekatalog der universalen Menschenrechte“, unterstrich Brantner. „Ich halte es gerade für nicht rechtfertigbar, auf dieses Recht zu verzichten“, ergänzte sie. „Ich bin dafür deutsche Truppen unter UN-Kommando zu stellen“, so die Bündnisgrüne. Enttäuschend sei, dass sich die Linke nicht habe dazu durchringen können, ein deutsches Engagement bei der militärischen Absicherung des Herausholens von Chemiewaffen aus Syrien mitzutragen, sagte Brantner. „Das Konzept des RtoP wurde aus den Erfahrungen des Massenmords in Ruanda heraus entwickelt“, so Nick. „Angesichts dessen was wir derzeit in Syrien erleben empfinde ich es als zynisch, dies unter dem Aspekt der Einmischung in innere Angelegenheiten zu diskutieren“. Zudem müssten bei der Diskussion über Interventionen auch die menschlichen Kosten von Nicht-Interventionen abgewogen werden, argumentierte der CDU-Politiker. „Ich finde den Grundsatz des RtoP sehr unterstützenswert“, sagte SPD-Mann Annen. „Doch bin auch sehr skeptisch, weil man dies auch missbrauchen kann, wie wir in Libyen gesehen haben“, schränkte er ein. Deshalb sieht er weltweit auch eine „große Zurückhaltung“ sich auf diese Norm zu berufen. Trotzdem ist er nicht dafür, das Konzept des RtoP zu streichen, machte Annen deutlich.

Sicherheitsbegriff nicht verkürzen

Entsprechend müsse es auch darum gehen den Internationalen Strafgerichtshof zu stärken und gleichzeitig weiterzuentwickeln, so die Fraktionsvertreter von CDU, SPD und Bündnisgrünen. Es sei ein „Jammerspiel“, dass die Beweissicherung von Menschenrechtsverbrechen in Syrien momentan an der mangelnden Finanzierung scheitere, beklagte Brantner. Grundsätzlich habe er die Legitimität des Internationalen Strafgerichtshofs unterstützt, sagte der Linken Politiker Neu. Doch trotzdem stelle sich die Frage, warum dort überproportional viele Afrikaner verurteilt würden und nicht mehr Leute aus dem Westen. Dies zeige die einseitigen Machtverhältnisse auf, kritisierte Neu.

Einigkeit herrschte jedoch auf dem Podium über die Notwendigkeit, Sicherheit ganzheitlich zu definieren. „Sicherheit wird nicht alleine von Soldaten bereitgestellt“, betonte Annen. Hier müsse man die Trump-Regierung in die Verantwortung nehmen und auf eine Finanzierung internationaler Aufgaben und Verpflichtungen pochen. Es gelte das Trump Momentan nun positiv für einen umfassenden Sicherheitsbegriff, für mehr Prävention und Multilateralismus zu nutzen, unterstrich Annen. Die Zwei-Prozent-Forderung für nationale Rüstungsausgaben sei hierbei „nicht die richtige Denkgröße“, sagte Brantner. Zudem müsse sie zumindest länderübergreifend gesehen werden. Eine engere militärische Zusammenarbeit in Europa befürwortet auch Annen, auch um hierdurch Kosten einzusparen.

Entwicklungsziele mit neuen Ansätzen voranbringen

SPD und CDU setzten immer noch einseitig auf ein militärisches Sicherheits- und Verantwortungsverständnis, kritisierte Neu. „Doch wenn man mehr Verantwortung übernehmen will, kann man sich wundervoll in Entwicklungsarbeit austoben, auch mit neuen Ansätzen“, sagte er. Zur Umsetzung der Entwicklungsziele der Agenda 2030 müsse es auch darum gehen, die „Selbstfinanzierungsfähigkeiten in aufstrebenden Ökonomien zu mobilisieren“, unterstrich Nick. Dies gehe über die klassische Entwicklungshilfe und Geldtransfers hinaus, sondern erfordere auch privates Kapital und öffentlich-private Partnerschaften (PPAs). PPAs könnten durchaus sinnvoll sein, so Brantner, doch die Finanzierung von UN-Institutionen und UN-Organisationen sei eine staatliche Aufgabe.

G20 Gipfel als Signal nutzen

Den kommenden G20-Gipfel in Hamburg sieht Nick nun als einen wichtigen Baustein, um ein Signal für die Umsetzung der Agendaziele sowie des Klimaschutzes zu geben. Ausdrücklich unterstützt Brantner das Ziel den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 ͦC zu begrenzen. Doch selbst das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen sei eine riesige Herausforderung. Hier müsse auch Deutschland noch seine Hausaufgaben erledigen, wie Kohleausstieg, stärkerer Ausbau der erneuerbaren Energien und Umstieg auf E-Mobilität.

Hans-Christoph Neidlein


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