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Die DGVN trauert um ihr Präsidiumsmitglied Gerhart Baum

Der ehemalige Bundesinnenminister ist am 15. Februar 2025 im Alter von 92 Jahren in Köln gestorben. Baum war ein ausgesprochen mutiger und geradliniger Politiker, der die Menschenrechte nicht nur dann hochhielt, wenn es opportun erschien. Sie galten ihm genauso in der Innen- wie in der Außenpolitik.

Gerhart Baum
Gerhart Baum. Foto: © Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)

Gerhart Baum gehörte dem Deutschen Bundestag von 1972 bis 1994 an. Bereits als junger Abgeordneter wurde er im Jahr 1972 als Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium im Kabinett unter Willy Brandt berufen. Im Sommer 1978 wurde er dann zum Innenminister in der Regierung unter Helmut Schmidt ernannt. In dieser Funktion gelang es ihm in der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, die notwendige Strafverfolgung mit dem Erhalt des liberalen Rechtstaats, mithin der Bürger- und Menschenrechte, zu verbinden. Nach dem Bruch der sozialliberalen Koalition trat er im Jahr 1982 als Minister zurück.

Später widmete Baum sich verstärkt dem Menschenrechtsschutz auf der internationalen Ebene. Von 1992 bis 1998 hatte er die Leitung der deutschen Delegation bei der UN-Menschenrechtskommission (CHR) in Genf inne. Durch seine klare Unterstützung der Menschenrechte im Innern konnte er der Stimme Deutschlands in der Kommission eine hohe Glaubwürdigkeit verleihen.

Im Jahr 1993 leitete Baum auch die deutsche Regierungsdelegation bei der UN-Weltkonferenz über Menschenrechte in Wien. Dort gelang es durch seine Mitwirkung, die universelle Gültigkeit der Rechte und deren inneren Zusammenhang eindrucksvoll zu bestätigen, nachdem zuvor die wirtschaftlichen und sozialen Rechte und die bürgerlichen und Freiheitsrechte durch den Ost-West-Konflikt geteilt und von den beiden Blöcken verneinnahmt worden waren. Die Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte, die den Grundstein sowohl für die Einrichtung des Hohen Kommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) als auch für den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) legte, wurde auch durch die starken Stimmen aus der Zivilgesellschaft zum Erfolg geführt, denen Baum maßgeblich zum Durchbruch verholfen hat. Er blieb deswegen auch weit über seine Amtszeit hinaus ein wichtiger und hoch geachteter Ratgeber des zivilgesellschaftlichen Forums Menschenrechte, zu dessen 30-jährigen Jubiläum er zuletzt 2024 noch in Berlin gesprochen hat. Der Kontakt zwischen Gerhart Baum und der DGVN stammt aus den 1990er Jahren. Die DGVN ist zusammen mit Amnesty International und der Humanistischen Union eine der Organisationen, die das Forum Menschenrechte gegründet hat. Von 2001 bis 2003 war Baum außerdem UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtslage in Sudan, dessen Regime er für seine Menschenrechtsverletzungen hart kritisierte.

Wenn man Gerhart Baum nach dem wichtigsten UN-Menschenrechtsdokument gefragt hat, an dem er mitgewirkt hat, hat er neben der Wiener Abschlusserklärung die Erklärung der Generalversammlung über Menschenrechtsverteidiger (Declaration on Human Rights Defenders) genannt, die am 9. Dezember 1998 durch die Resolution 53/144 verabschiedet wurde und bis heute den internationalen Standard für den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern bildet.

Wenn er auch oft zornig über die Missachtung der Erklärung war und sich gegen den Zynismus vieler Regierungen gewandt hat, die Übereinkommen unterzeichnen, obwohl sie schon wissen, dass sie ihre Ansprüche nicht umsetzen werden, so war ihm doch die Bedeutung der Worte auf Papier bewusst, die die unveräußerlichen Rechte allen als Maßstäbe und Berufungsgrundlage klar vor Augen führen. In seinem zum 90. Geburtstag vorgelegten Buch ‚Menschenrechte. Ein Appell‘ schreibt er, die ganze Fortschrittsgeschichte der Menschenrechte sei durchzogen von Rückschlägen. In seiner Unermüdlichkeit ansteckend glaubt der Liberale letztlich zuversichtlich an die Durchsetzungskraft des menschlichen Freiheitsdrangs. Ungeachtet jedes kurzfristigen Scheiterns bleibe die Aufgabe, „Stachel im Fleisch der Autokraten“ zu sein und jenen Verteidigern der Menschenrechte in aller Welt Rückenwind zu geben, die für die Freiheit der anderen ihre eigene, ja ihr Leben riskieren.

Beate Wagner