Gibt es ein Menschenrecht auf Glück?
Was verstehen die Vereinten Nationen (UN) unter Glück? Es gibt zwei offizielle UN-Resolutionen, die anerkennen, „dass das Streben nach Glück ein grundlegendes menschliches Ziel ist“. Neben der Ankündigung des Internationalen Tages des Glücks wird dort festgelegt, dass Glück als ganzheitliches Konzept für menschliche Entwicklung wahrgenommen werden soll. Gleichzeitig wird die Rolle des Bruttoinlandsproduktes (BIP) als alleiniger Maßstab für das Erreichen des menschlichen Ziels von Glück hinterfragt. Denn Glück soll als ein Indikator betrachtet werden, welcher sowohl eine Vielzahl von wirtschaftlichen als auch nichtwirtschaftlichen Aspekten einbezieht, welche das Wohlbefinden des Menschen beeinflussen können. Das bedeutet, dass das Streben nach Glück mit mehreren Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) wie „keine Armut“ (Ziel 1), „weniger Ungleichheiten“ (Ziel 10) und „Gesundheit und Wohlergehen“ (Ziel 3) verwoben ist.
World Happiness Report
Seit 2012 wird Glück weltweit durch das UN-Netzwerk für Lösungen für eine nachhaltige Entwicklung (engl. kurz USNDSN) gemessen und bewertet. Die Ergebnisse werden jährlich (mit Ausnahme von 2014) im World Happiness Report präsentiert. Dieser beinhaltet eine richtungsweisende Studie, die Länder nach ihren Glückswerten listet, wobei Glück anhand von sechs Kernvariablen gemessen wird: Pro-Kopf-BIP, soziale Unterstützung, gesunde Lebenserwartung, Freiheit beim Treffen von Lebensentscheidungen, Großzügigkeit und Abwesenheit von Korruption. Obgleich viele Länder Lebensqualität noch immer ausschließlich am materiellen Wohlstand bemessen, bedeutet ein höheres BIP nicht zwingend eine Verbesserung des durchschnittlichen Glücks und Wohlbefindens, so Jeffrey Sachs, Mitherausgeber des World Happiness Reports. Dabei führt er die USA als Beispiel an, wo laut Professor Richard Easterlin das Pro-Kopf-BIP seit 1960 um das Dreifache gestiegen sei, wogegen das durchschnittliche Glücksempfinden sich im gleichen Zeitraum kaum verändert habe.
Die Relevanz der Verbindung zwischen wirtschaftlichem Wohlstand und Glück ist in Bhutan schon seit den 1970er-Jahren umstritten. Im Jahr 2008 wurde schließlich der Index zur Erhebung des Bruttonationalglücks (BNG) eingeführt. Seither ist das BNG auch in der bhutanischen Verfassung verankert. Es wird als Organisationsprinzip für vorbildliche Staatsführung beziehungsweise als Grundlage für die politische Arbeit des Landes verwendet. Entsprechend dem bhutanischen Modell sind Glück und Wohlbefinden multidimensional und das Streben nach Glück ein gemeinschaftliches Ziel. Der BNG-Index soll zeigen, welche Bedingungen verbessert werden müssen, um das Glück derer zu erhöhen, die noch nicht glücklich sind. Er soll dafür sorgen, dass politische Maßnahmen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen angepasst und in solchen Bereichen ergriffen werden, die nicht ausschließlich mit materiellem Wohlstand in Verbindung stehen. Dazu zählen Bereiche wie Bildung, eine ausgewogene Nutzung von Zeit, gemeinschaftliche oder kulturelle Vitalität und seelische Gesundheit.
Glück als Menschenrecht
So wird deutlich, dass es verschiedene Wege gibt, anhand derer Glück gemessen werden kann. Wie aber steht es um das Glück als Menschenrecht? Obwohl in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte Glück nicht ausdrücklich als Menschenrecht genannt wird, legt Artikel 25 fest, dass alle Menschen das Recht auf einen Lebensstandard haben, der ihre und ihrer Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet. Glück als ein Konglomerat aus dem Gefühl des Wohlergehens, der Geborgenheit und der Zufriedenheit ist der zentrale Kern vieler Menschenrechte. Das Bedürfnis nach Glück erweist sich als wichtig im Streben nach besseren und nachhaltigen Lebensbedingungen. Deswegen kann der Internationale Tag des Glücks zusammen mit dem Versuch einer ganzheitlichen Messung von Glück als Sprungbrett für eine Politik genutzt werden, die für Armutsbeseitigung, weniger Ungleichheiten und eine Deckung der Grundbedürfnisse für alle steht. Anders gesagt kann Glück zu einem vereinenden Werkzeug werden, das viele UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung in einem ganzheitlichen Strang verbindet und ein gemeinsames Ziel vorgibt. Denn das Streben nach Glück, sei es noch so subjektiv, ist etwas, womit wir alle vertraut sind. Glück mag zwar gegenwärtig nicht als Menschenrecht gelten, kommt aber durchaus einer Bindungswirkung innerhalb unseres Verständnisses von Menschenrechten und von nachhaltiger Entwicklung gleich. Während immer mehr Regierungen lernen, Glück ernst zu nehmen, gewinnt Glück als Bindungswirkung weiter an Bedeutung. So erklärt der Ökonom Richard Layard, dass es bereits einige Entwicklungen gegeben hat in Bezug auf das Verständnis, dass Fortschritt sich nicht allein auf den wirtschaftlichen Wohlstand stützen lässt. Layard tritt zudem dafür ein, dass Wohlbefinden als Regierungsziel gegenüber dem BIP vorrangig behandelt werden soll.
Tatsächlich darf uns der noch vielerorts starke Fokus auf Einkommen und materiellen Wohlstand nicht davon abhalten, die zahlreichen und unterschiedlichen Faktoren besser zu verstehen, die am Glücksgefühl des Menschen beteiligt sind. Der Internationale Tag des Glücks soll dazu einladen, neue Wege zu finden, die den Menschen ein besseres Leben ermöglichen könnten. Glück als Menschenrecht zu fassen, bleibt dennoch eine schwierige Aufgabe. Daher steht nach wie vor im Mittelpunkt, dass wir Glück als gemeinsames Ziel und als eine vereinigende Kraft in der Umsetzung nachhaltiger Entwicklung begreifen.
Alexandra Wiese
Lesen Sie auch die Eine-Welt-Presse "Wohlstand und ein gutes Leben", die Anfang 2019 erschienen ist.