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Konflikt im Südsudan eskaliert

Kurz vor dem fünften Unabhängigkeitstag des Südsudan am 9. Juli ist der Konflikt zwischen den bewaffneten Truppen von Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar erneut eskaliert und forderte bereits hunderte Todesopfer. Das 2015 geschlossene Friedensabkommen wurde nur unzureichend umgesetzt; die internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung, die angespannte Lage zu beruhigen. Ein stabiler Frieden scheint in weite Ferne gerückt zu sein.

Eine lange Reihe von bewaffneten Soldaten marschiert auf einem Feldweg.
Soldaten der Sudanese People's Liberation Army (SPLA). (UN Photo/Tim McKulka)

Am 8. Juli, einen Tag vor dem fünften Unabhängigkeitstag des Südsudan, waren in der Hauptstadt Juba schwere Kämpfe zwischen den Militärgruppen von Präsident Salva Kiir und denen von Vizepräsident Riek Machar ausgebrochen. Damit spitzte sich die bereits seit Wochen angespannte Lage dramatisch zu. Im Südsudan stehen sich die Regierungssoldaten der „Sudanese People’s Liberation Army“ (SPLA) des Präsidenten und die ehemaligen Rebellenkräfte „Sudanese People’s Liberation Army in Opposition“ (SPLA-IO) unter dem Kommando des Vizepräsidenten gegenüber.

Obwohl die beiden Lager seit dem Friedensabkommen von 2015 formal eine „Regierung der nationalen Einheit“ bilden, sind sie nach wie vor verfeindet und weisen sich gegenseitig die Schuld an der Eskalation zu. Auslöser der jüngsten Gewaltausbrüche war ein tödlicher Zusammenstoß zwischen Kiirs und Machars Anhängern an einem Kontrollposten in Juba. Kurz darauf brachen auch in anderen Stadtteilen Gefechte aus, bei denen auch Panzer und schwere Geschütze zum Einsatz kamen.

Im Zuge der mehrtägigen Kampfhandlungen kamen bis zum vorläufigen Waffenstillstand am 11. Juli rund 300 Menschen ums Leben, darunter zwei Blauhelmsoldaten und 33 Zivilisten. Der UN-Untergeneralsekretär für Peacekeeping-Operationen, Hervé Ladsous, forderte ein verstärktes Engagement des UN-Sicherheitsrats im Südsudan. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) geht von mindestens 26.000 Menschen aus, die allein vor den jüngsten Kämpfen auf der Flucht sind.

Angesichts der akuten Gefährdungslage schalteten die ausländischen Vertretungen im Südsudan in den Krisenmodus und evakuierten ihre Staatsangehörigen. Die letzten deutschen Staatsbürger wurden am 13. Juli aus dem Land geflogen, unter ihnen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Botschaft. Die Botschaft in Juba ist seitdem vorübergehend geschlossen. Lediglich 15 deutsche Militärbeobachter bleiben im Land. Mit den Transall-Maschinen der Bundeswehr verließen auch drei verletzte Soldaten der UN-Mission UNMISS das Land.

Eine große, bunt gekleidete, Gruppe von Kindern jubelt einem Kind in ihrer Mitte zu, das eine Fahne Südsudans schwenkt.
Vom Hoffnungsträger zum gescheiterten Staat? Am 9. Juli 2011 wurde die Unabhängigkeit des Südsudan feierlich begangen. (UN Photo/Paul Banks)

Rückfall in den Bürgerkrieg droht

Unmittelbar nach dem Ausbruch der Kämpfe in Juba verurteilte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon den „erneuten Betrug an der Bevölkerung im Südsudan“. In seiner Stellungnahme forderte er Präsident Kiir und seinen Vize Machar auf, die Kampfhandlungen umgehend einzustellen und die Kontrolle über ihre Truppen auszuüben.

Auch wenn die am 11. Juli verkündete Waffenruhe nach Angaben der UN-Mission im Südsudan (UNMISS) offenbar weitgehend eingehalten wird, bleibt die Lage im Land äußerst angespannt und könnte jederzeit wieder in Gewalt umschlagen. Beobachter der Entwicklungen im Südsudan sprechen davon, dass die Eskalation Anfang Juli vermutlich nicht geplant war und beide Seiten ihre jeweiligen Truppen zumindest teilweise nicht mehr unter Kontrolle haben.

Ein Blick in die Geschichte des jungen Landes zeigt, wie fragil die Lage im Südsudan ist. Nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden des damaligen Sudan votierten die Menschen im Südsudan in einem Referendum im Jahr 2011 schließlich für die Unabhängigkeit ihres Landesteils. Die Proklamation des neuen Staates wurde, auch international, mit großer Euphorie und Hoffnung aufgenommen.

Massive wirtschaftliche Probleme des jungen Staates, Korruption und ein schon bald wieder aufflammendes Misstrauen zwischen den politischen Führungspersönlichkeiten zeigten jedoch, wie zerrissen das Land ist. Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar führten während des Unabhängigkeitskampfes unterschiedliche Fraktionen der Befreiungsbewegung an. Neben den Truppen unter dem Kommando des Präsidenten (SPLA) ist ein Teil der Armee (SPLA-IO) bis heute dem Vizepräsidenten treu ergeben.

Zudem spielen auch ethnische Konflikte eine Rolle. Kiir gehört der Bevölkerungsmehrheit der Dinka an, Machar ist Nuer. In beiden Bevölkerungsgruppen bildeten sich nach der Staatsgründung Milizen, die sich gegenseitig bekämpften und Kriegsverbrechen in der Zivilbevölkerung begingen.

Der Machtkampf zwischen dem Präsidenten und seinem Vize führte im Jahr 2013 schließlich zu einem blutigen Bürgerkrieg, in dem zehntausende Menschen getötet und fast drei Millionen in die Flucht getrieben wurden.

Eine Gruppe von Männern, Frauen und zwei kleinen Kindern sitzt mit ihren Habseligkeiten vor einem weißen Jeep mit der schwarzen Aufschrift "UN".
Die Bewohner von Juba suchen Schutz vor den Kämpfen zwischen der Regierungsarmee und den ehemaligen Rebellentruppen. (Foto: UNMISS)

Unter internationalem Druck und Vermittlung der ostafrikanischen Regionalorganisation IGAD (Intergovernmental Authority on Development) schlossen die beiden Rivalen im August 2015 schließlich ein Friedensabkommen, das die Teilung der Macht und die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vorsah. Ende April 2016 kehrte Riek Machar aus seinem Exil zurück, um erneut das Amt des Vizepräsidenten zu übernehmen.

Die Umsetzung, aber auch die Ausgestaltung des Friedensabkommens haben sich jedoch schon bald als unzureichend erwiesen. Nach wie vor ist die ehemalige Rebellenarmee von Vizepräsident Machar nicht in die Regierungstruppen unter Präsident Kiir integriert. Dies führte in der Hauptstadt Juba, wo sich die beiden Militärgruppen auf engstem Raum gegenüberstehen, zu Spannungen und gewaltsamen Zwischenfällen. Auch in einigen Regionen des Landes kam es schon bald wieder zu lokalen Gewaltausbrüchen.

Angesichts der mehr als 60 im Südsudan lebenden Ethnien scheint der Versuch einer bloßen Machtteilung zwischen den beiden Lagern von Kiir und Machar ohne die Einbindung der kleineren Milizengruppen sowie der weiteren Bevölkerungsteile völlig unzureichend.

Zudem fehlt auf beiden Seiten offenbar der politische Wille, wichtige Maßnahmen des Friedensabkommens wie die Reform der Verwaltung und des Sicherheitssektors, die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen und die Bekämpfung der Korruption konsequent durchzuführen.

Die aktuelle Eskalation zeigt nur zu deutlich, dass die Gefahr eines weiteren Bürgerkriegs längst nicht gebannt ist.

UNMISS

Die United Nations Mission in the Republic of South Sudan (UNMISS) basiert auf der UN-Sicherheitsratsresolution 1996. Die Mission soll den Frieden und die Sicherheit in dem im Jahr 2011 gegründeten jüngsten Staat der Welt konsolidieren und ihn bei der Schaffung positiver Bedingungen für seine Entwicklung unterstützen. Im Jahr 2014 wurde die UN-Mission aufgrund der im Jahr zuvor im Südsudan ausgebrochenen Krise verlängert. Ihr Mandat umfasst neben der Beobachtung der Menschenrechte und der Unterstützung humanitärer Maßnahmen auch den Schutz von Zivilisten und die Unterstützung des Waffenstillstandsabkommens.

Eine Entspannung der Lage ist nicht in Sicht

Die mit der Unabhängigkeit des Südsudan beschlossene Friedensmission UNMISS (United Nations Mission in the Republic of South Sudan) sollte Frieden und Sicherheit im Land fördern und die Entwicklung von Stabilität für die Entwicklung des Südsudan fördern. Nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs verlagerte sich der Schwerpunkt der UN-Mission stärker zu einer Unterstützung humanitärer Maßnahmen und dem Schutz der Zivilbevölkerung vor Gewalt.

Besonders die letzten beiden Punkte verdeutlichen die Schwachpunkte von UNMISS. In der Vergangenheit war es den Blauhelm-Soldaten mehrfach nicht möglich, die Zivilbevölkerung angemessen zu beschützen. Mehr UN-Truppen sowie eine Erweiterung des UN-Mandats würden es den Blauhelmen ermöglichen, die Bevölkerung in den UN-Schutzzonen effektiver zu beschützen.

Im Vorfeld des Gipfels der Afrikanischen Union (AU) im ruandischen Kigali schlug der UN-Generalsekretär wenige Tage nach der Eskalation des Konflikts drei Maßnahmen vor, um die Situation im Südsudan zu deeskalieren: Ein Waffenembargo, Sanktionsmaßnahmen gegen politische und militärische Befehlshaber im Land, die die Umsetzung des Friedensabkommens blockieren sowie eine Aufstockung der UN-Mission UNMISS.

Diese Vorschläge sind begrüßenswert. Sie können jedoch nur greifen, wenn sich auch die Nachbarländer des Südsudan konstruktiv in die Lösung des Konflikts einbringen. Darüber hinaus ist eine Einbeziehung aller ethnischen und gesellschaftlichen Gruppen sowie der Milizen in den Friedensprozess notwendig. Begangene Kriegsverbrechen müssen juristisch aufgearbeitet, die Korruption bekämpft und staatliche Verwaltungsstrukturen aufgebaut werden.

Tatsächlich sind konkrete Fortschritte dringlicher denn je. Denn angesichts der aktuellen Spannungen scheint ein stabiler Frieden derzeit weit entfernt. Der Südsudan droht zu zerfallen und zu einem gescheiterten Staat zu werden.

Patrick Moss


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