Nachhaltigkeit im Tourismus auf der internationalen Agenda
Das größte Problem im Tourismus ist der Flugverkehr. Nach dem Luftverkehrsbericht des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist zwischen 2009 und 2014 das weltweite Passagieraufkommen im Luftverkehr um ein Drittel gestiegen – von rund 2,5 Milliarden auf fast 3,3 Milliarden beförderte Personen pro Jahr. Bis 2030 rechnet das DLR mit einem weiteren starken Wachstum der Passagierzahlen. Um allerdings – wie auf der Klimakonferenz in Paris vereinbart – die Erderwärmung deutlich unter 2°C zu halten, dürfte die Luftfahrt 2030 nur noch maximal 39 Prozent der Emissionen von 2005 erzeugen, heißt es in einer für das Europäische Parlament erstellten Studie.
Die von der UNWTO präsentierten Zahlen sind Vorboten eines globalen Klimadesasters, denn weder Effizienzsteigerungen noch Agrokraftstoffe noch die Kompensation von Treibhausgasen leisten wesentliche Beiträge, um die Emissionen zu mindern. An vorderster Front befinden sich Staaten wie die Malediven, das diesjährige offizielle Partnerland der ITB. Mehr als andere Staaten sind kleine Insel-Entwicklungsländer vom internationalen Flug- und Schiffsverkehr abhängig und stärker als andere sind sie durch ansteigende Meeresspiegel und zunehmende Wirbelstürme gefährdet.
Tourismus und die Agenda 2030
In der Rhetorik der UNWTO spielt Nachhaltigkeit durchaus eine Rolle. So steht sie für UNWTO-Generalsekretär Taleb Rifai an dritter Stelle der aktuellen Herausforderungen, hinter Sicherheit und ungehindertem Reisen sowie neuen Technologien. Die UNWTO ist erst seit 2003 eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Sie ist noch immer stark ihrer Geschichte als Mitgliedsorganisation verhaftet, die im Dienste der Tourismuswirtschaft den Tourismus per se für förderungswürdig hält. Dies zeigt sich auch in der Debatte um die neuen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs).
Während die UNWTO allein auf die 17 Ziele als Anknüpfungspunkte für positive Beiträge des Tourismus zu Entwicklung und Nachhaltigkeit setzt, fordern Nichtregierungsorganisationen mehr. Unter dem Titel „Tourismuswende“ hat Tourism Watch – Brot für die Welt eine Publikation vorgelegt, die deutlich macht, dass sich die SDGs nicht mit einem „Weiter wie bisher“-Ansatz erreichen lassen. Die Politik werde auch unbequeme Herausforderungen wie die nötige Abkehr vom Konsumwachstum konsequent angehen müssen.
Die Autorinnen und Autoren machen deutlich, dass „nachhaltiger Tourismus“, wie er in SDG-Zielvorgabe 8.9 genannt ist, keineswegs als Aufruf zur Tourismusförderung gesehen werden darf. Die Zielvorgabe sollte vielmehr als dringendes Gebot verstanden werden, den Tourismus in nachhaltige Bahnen zu lenken.
Wirkungen und Auswirkungen des Tourismus im Blick haben
Mit Zielvorgabe 12.b fordert die Agenda 2030, Instrumente zur Beobachtung der Auswirkungen des Tourismus auf die Nachhaltigkeit von Entwicklung zu entwickeln und einzusetzen. In Zielvorgabe 14.7 geht es um die nachhaltige Nutzung von Meeresressourcen, unter anderem durch nachhaltiges Tourismusmanagement zur Förderung wirtschaftlicher Entwicklung für kleine Inselentwicklungsländer und am wenigsten entwickelte Länder.
Doch nicht nur wo Tourismus in der Agenda 2030 explizit erwähnt ist, sind die SDGs für die Tourismuswende relevant. Viele weitere Ziele und Zielvorgaben sind wichtig, zum Beispiel die Stärkung kleiner Nahrungsmittelproduzenten, die Gleichstellung der Geschlechter, der Schutz von Arbeitsrechten, die Verringerung von Ungleichheit, der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen, Klimaschutz, der Schutz von Kindern vor Ausbeutung und Gewalt sowie partizipative Entscheidungsprozesse.
Eine zentrale Rolle spielt Ziel 12, in dem es darum geht, nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster zu erreichen. Mit diesem Ziel wird die Katze im Genick gepackt, die sich immer wieder so gerne in den Schwanz beißt: Touristen müssen nachhaltige Konsumentscheidungen treffen, doch dazu brauchen sie entsprechende Angebote und Anreize. Unternehmen müssen nachhaltig wirtschaften und ihre Produkte und Dienstleistungen an Nachhaltigkeitsstandards ausrichten, doch das tun sie erst, wenn ihre Kunden dies verlangen und sie darin Wettbewerbsvorteile sehen. Die 2030-Agenda macht deutlich, dass beides zeitgleich und rasch erfolgen muss. Denn 15 Jahre sind kein langer Zeitraum, in dem man es sich leisten könnte, erst einmal weiter abzuwarten.
2017: Internationales Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung
Einen deutlichen Schub für mehr Nachhaltigkeit im Tourismus könnte das kommende Jahr 2017 bringen. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat 2017 zum „International Year of Sustainable Tourism for Development“ erklärt – mit Bezug auf den Rio+20-Gipfel, in dessen Abschlussdokument „Die Zukunft, die wir wollen“ konstatiert worden war, dass „ein gut konzipierter und gesteuerter Tourismus einen erheblichen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung in ihren drei Dimensionen leisten kann, in engem Zusammenhang mit anderen Sektoren steht und menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen und Handelschancen erzeugen kann.” Ein weiterer Hintergrund ist der Zehnjahres-Programmrahmen für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster, der ebenfalls auf dem Rio+20-Gipfel verabschiedet wurde und unter dem es ein Programm zu nachhaltigem Tourismus gibt, sowie die Agenda 2030 mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung.
Begründet wird das internationale Jahr unter anderem mit der Bedeutung des Tourismus für die Völkerverständigung und die Wertschätzung anderer Kulturen. Außerdem gelte nachhaltiger Tourismus als Instrument zur Abschaffung der Armut, zum Schutz der Umwelt, zur Verbesserung der Lebensqualität und zur wirtschaftlichen Stärkung von Frauen und Jugendlichen.
Die UNWTO, auf deren Initiative das Jahr ausgewiesen wurde, soll in Kooperation mit Regierungen und anderen Organisationen und Akteuren für die Umsetzung zuständig sein und der UN-Generalversammlung über die Umsetzung und Auswertung des internationalen Jahres berichten.
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Christina Kamp