Menü

Nordkorea: Kann die Eskalationsspirale beendet werden?

Erneut flammt der Konflikt zwischen Nordkorea und der internationalen Staatengemeinschaft auf. Machthaber Kim Jong-un zeigt sich unnachgiebig und provozierte kürzlich wieder mit Raketentests. Zurück bleibt die Angst vor einem weiteren Ausbau des nordkoreanischen Atomprogramms. Wie konnte es soweit kommen und warum ist es so schwer den Konflikt zu entschärfen?

Ein Lastwagen mit Rauch dahinter steht auf einer Straße in der nordkoreanischen Stadt Wonsan.
Straßenszene in Wonsan, DPRK. (UN Photo/David Ohana)

Als “großes Ereignis” bezeichnete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA den nordkoreanischen Raketentest vom 21. Juni 2016. Mit dem Abschuss zweier Mittelstreckenraketen des neuen Typs Musudan führt das Pjöngjanger Regime seinen Konfrontationskurs fort. Das Besorgniserregende: Mit einer Reichweite von bis zu 4.000 km könnten die ballistischen Raketen Südkorea, Japan als auch US-Stützpunkte im Pazifik treffen. Zwar gelten alle bisherigen Testflüge als gescheitert, jedoch gelang den Nordkoreanern diesmal möglicherweise ein technischer Fortschritt, vermutet das südkoreanische Verteidigungsministerium.
UN-Experten gehen davon aus, dass das Land vor allem an der Entwicklung von Interkontinentalraketen arbeitet, die sich mit atomaren Sprengköpfen bestücken lassen.
 

UN-Sicherheitsrat zeigt sich alarmiert

Bereits einen Tag nach dem Raketentest, am 22. Juni, beriet sich der UN-Sicherheitsrat zu diesem Vorfall. Alle 15 Mitglieder seien sich einig gewesen, “dass die Raketenstarts die Resolutionen des Sicherheitsrats verletzen”, gab der stellvertretende UN-Botschafter Alexis Lamek bekannt. Damit bezog er sich auf die Resolutionen 825 (1993), 1540 (2004), 1718 (2006), 1874 (2009) und 2270 (2016). In ihnen wird Nordkorea ausdrücklich aufgefordert, sein Nuklearwaffenprogramm zu beenden. Nukleartests und der Start ballistischer Raketen werden untersagt. Die letzte Resolution (2270) wurde Anfang März 2016 einstimmig vom UN-Sicherheitsrat beschlossen. Im Vorfeld hatte Nordkorea seinen vierten Atomwaffentest seit dem Jahr 2006 durchgeführt.

Fakten zur Demokratischen Volksrepublik Nordkorea

Einwohnerzahl: 24.052.231
Unabhängigkeit: seit 1948
Regierungsform: Sozialistisches autoritäres Einparteiensystem

Die “Kim-Dynastie”:

  • Kim Il-sung (1948-1994)
  • Kim Jong-il (1994-2011)
  • Kim Jong-un (seit 2011)


Kim Il-sung ist über seinen Tod hinaus “der ewige Präsident” und damit Staatsoberhaupt de jure. Staatsoberhaupt de facto ist sein Enkel Kim Jong-un, der als “oberster Führer” bezeichnet wird.

Nordkorea und die UN

Seit 1991 ist Nordkorea Mitglied der Vereinten Nationen, doch es wurde bisher noch kein einziges Mal in den UN-Sicherheitsrat gewählt. Das hat Gründe: Nordkorea steht insbesondere seit der Jahrtausendwende wegen des Streits um sein Atomwaffenprogramm im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit. Nach eigenen Angaben verfügt der Staat über mehrere einsatzbereite Atombomben. Zwar trat Nordkorea dem Atomwaffensperrvertrag im Dezember 1985 bei, allerdings erfolgte im April 2003 wieder der Austritt. Im Jahr 2006 führte Nordkorea nach eigenen Angaben erstmals unterirdische Atomtests durch. Zu einer kurzen Kehrtwende kam es im Oktober 2007. Nordkorea begann mit internationaler Hilfe seine Atomanlagen zu zerstören. Nach anfänglichen Erfolgen (z.B. der Sprengung eines Reaktorkühlturms) geriet der Prozess zuletzt ins Stocken. Im Jahr 2009 stieg Nordkorea endgültig aus den Sechs-Parteien-Gesprächen, bei denen eine friedliche Lösung des Konflikts herbeigeführt werden sollte, aus. Seitdem provoziert Nordkorea immer wieder mit Atom- und Raketentests.

Das Dilemma von Sanktionen

Mit der Resolution 2270 verhängte der UN-Sicherheitsrat seine bislang schärfsten Sanktionen gegen das Land (u.a. auch umfassende Handelsbeschränkungen).
Der UN-Sonderbotschafter für Nordkorea Marzuki Darusman sieht jedoch die Vereinten Nationen gegenüber Nordkorea in einem Dilemma. So führen verschärfte Sanktionen häufig zu einer Notlage der ansässigen Bevölkerung, was wiederum ein Eingreifen der internationalen Gemeinschaft erfordert. Er spricht sich dafür aus, Sanktionen stärker mit einem Maßnahmenpaket, das die BSD-Formel beinhaltet, zu verknüpfen. BSD steht für Boykott, Sanktionen und Divestment (Entzug von ausländischem Kapital). Damit Sanktionen besonders wirksam sind, müssen sie jedoch von allen beteiligten Ländern strikt durchgesetzt werden. Hier steht insbesondere China in der Kritik. Zwar beteiligt sich China ernsthafter als früher an den Sanktionen, trotzdem gibt es immer noch Hinweise darauf, dass China in der Grenzregion zu Nordkorea den illegalen Schmuggel von Waren nicht wirkungsvoll unterbindet.
 

Keine Annäherung mehr möglich?

Das Kernproblem sieht Darusman weiterhin in dem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis der Regierung in Pjöngjang. Besonders von den USA und Südkorea fühlt sich Kim Jong-un bedroht. Am 28. Juni 2016 hielten diese zum ersten Mal gemeinsam mit Japan eine Übung zur Abwehr nordkoreanischer Raketen ab. Darusman betont in einem Interview mit der Deutschen Welle, Nordkorea wolle Garantien, dass es nicht bedroht wird. Er rät: “Hier müsste eine Übereinkunft gefunden werden. Damit wären die Menschenrechtsfragen nicht sofort gelöst, aber nach einem Abbau der Spannungen auf der koreanischen Halbinsel könnten auch die Menschenrechtsfragen angegangen werden”.

Maheba Goedeke Tort



Das könnte Sie auch interessieren