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Steht die Afrika-Strategie der G20 im Einklang mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen?

Die G20-Strategie will Investitionen und damit das Wirtschaftswachstum auf dem afrikanischen Kontinent ankurbeln. Doch das Ziel inklusiven Wachstums droht sie zu verfehlen.

Ein Bauer erntet Hirse.
UN Photo/Fred Noy

Unter der deutschen Präsidentschaft im Jahr 2017 wurde die Afrika-Partnerschaft der G20 ins Leben gerufen, womit der afrikanische Kontinent erstmals stärker in den Fokus der G20 gerückt ist. Das zentrale Instrument dieser Initiative sind die so genannten „Compacts with Africa“, bei denen es sich um Investitionsabkommen handelt, für die sich individuelle afrikanische Staaten mit selbst entwickelten Konzepten bewerben können. Bisher wurden 12 solcher Investitionsabkommen abgeschlossen. Deren Ziel ist es, private Investitionen zu mobilisieren und den effizienten Einsatz öffentlicher Mittel zu fördern, um insbesondere die Infrastruktur zu verbessern und damit Voraussetzungen für langfristiges Wirtschaftswachstum zu schaffen.

In der Abschlusserklärung des G20-Gipfels in Hamburg wird betont, dass die G20-Afrika-Partnerschaft ganz im Sinne der Agenda 2030 einen Beitrag zu nachhaltiger und inklusiver Entwicklung in Afrika leisten soll. Auch die Dokumente der für die Implementierung der Investitionsabkommen verantwortlichen internationalen Institutionen – Afrikanische Entwicklungsbank, Internationaler Währungsfonds und die Weltbank – beziehen sich auf die Agenda 2030 als übergeordneten Orientierungsrahmen.

Potenzial mit Abstrichen

Tatsächlich haben die Investitionsabkommen das Potenzial, die Erreichung einzelner Ziele der Agenda 2030 zu begünstigen. Es ist weitgehend unstrittig, dass in den meisten afrikanischen Ländern die Investitionen für einen sich selbst tragenden Wachstumsprozess zu niedrig sind und der schlechte Zustand der Transport- und Energieinfrastruktur nahezu alle ökonomischen Aktivitäten behindert. An diesem Punkt setzen die Investitionsabkommen an und sind deshalb eng mit dem Nachhaltigkeitsziel (SDG) 9 verknüpft, das die Etablierung einer leistungsfähigen Infrastruktur fordert. Da von zusätzlichen privaten Investitionen ein Wachstumseffekt zu erwarten ist, wird auch SDG 8 („menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum“) berührt, wobei allerdings der Aspekt der Schaffung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen zu kurz kommt.

Damit die Abkommen für in- und ausländische Investoren attraktiv sind und damit auch zum Erfolg führen können, müssen insbesondere zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Es müssen gut ausgebildete Arbeitskräfte vorhanden sein und die institutionellen Rahmenbedingungen müssen ein Mindestmaß an Berechenbarkeit aufweisen. Investitionen in die Aus- und Weiterbildung von Arbeitskräften im Sinne des SDG 4 („qualitativ hochwertige Bildung“) sind bisher kein fester Bestandteil der Investitionsabkommen, obwohl sie in hohem Maße komplementär zu den privaten Investitionen wären und die Qualität der geschaffenen Arbeitsplätze erhöhen würden. In Zusammenarbeit mit den internationalen Institutionen werden zwar institutionelle Reformen von den afrikanischen Partnerländern erwartet, die sich  aber weitestgehend auf ökonomische Größen wie die Entwicklung eines effizienten Schuldenmanagements beschränken. Die Berücksichtigung zusätzlicher institutioneller Merkmale wie ein hohes Maß an Rechtssicherheit und Korruptionsbekämpfung könnte das Vertrauen in die G20-Initiative erhöhen und würde gleichzeitig eine Annäherung an SDG 16 („Schaffung starker Institutionen“) zur Folge haben.

Leerstelle bei sozialen und ökologischen Kriterien

Ob die Abkommen mit dem holistischen Ansatz der Agenda 2030 vereinbar sind, hängt weiterhin davon ab, in welcher Beziehung sie zu den sozialen und ökologischen Nachhaltigkeitszielen stehen. Hier ist die Bilanz ernüchternd. Obwohl die Bekämpfung von Armut und Hunger (SDGs 1 und 2)  im afrikanischen Kontext höchste Priorität genießt, wird das Thema in den bisher abgeschlossenen Abkommen kaum erwähnt. Ähnliches gilt für die ökologische Dimension der Nachhaltigkeit: Abgesehen von Plänen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in den von Ghana und Marokko vorgeschlagenen Investitionsportfolios schlagen sich auch  Umweltaspekte nicht sichtbar nieder. Dabei wird zum Beispiel in SDG 9.4 explizit die Verwendung sauberer Technologien angemahnt.     

Insgesamt sind die Investitionsabkommen eindeutig zu eng auf rein wirtschaftliche Ziele ausgerichtet, um den Anforderungen der Agenda 2030 gerecht zu werden. Natürlich sollte ein einzelnes Instrument nicht überfrachtet werden, indem es zu viele Ziele gleichzeitig verfolgt. Zudem tragen die weiteren Initiativen im Rahmen der Afrika-Partnerschaft – #eSkills4Girls, die Initiative der G20 für ländliche Jugendbeschäftigung und die Initiative Erneuerbare Energie für Afrika (AREI) – zumindest teilweise den sozialen und ökologischen Zielsetzungen der Agenda 2030 Rechnung. Im Gegensatz zu den Investitionsabkommen zielen diese Initiativen aber eher auf kleinere regionale Projekte ab.

Afrika-Partnerschaft braucht breitere Basis

Aus diesem Grund lässt sich ein Widerspruch der Afrika-Partnerschaft der G20 zur Agenda 2030 nur dann vermeiden, wenn die Investitionsabkommen selbst auf eine breitere Basis gestellt werden. Dazu würde zumindest eine systematische Erfassung der Armuts- und Verteilungswirkungen aller Investitionsprogramme gehören, um dem selbst gesteckten Ziel der Förderung inklusiven Wachstums zu genügen. Da die Lebensumstände vieler afrikanischer Haushalte außerdem stark von Umweltfaktoren wie Wasserqualität und Stabilität des lokalen Klimas abhängen, sollten die Umweltwirkungen der getätigten Investitionen, die insbesondere bei großen Infrastrukturvorhaben ein erhebliches Ausmaß annehmen können, ebenfalls systematisch in die Entscheidungsfindung einbezogen werden.

Professor Dr. Rainer Thiele leitet den Forschungsbereich “Armutsminderung und Entwicklung” am Kieler Institut für Weltwirtschaft.


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