UN-LDC5-Konferenz: Erneutes Bekenntnis zur globalen Solidarität mit den ärmsten Ländern
Von Afghanistan, Burundi bis hin zum pazifischen Inselstaat Tuvalu: Weltweit zählen 46 Staaten derzeit nach Definition der Vereinten Nationen zu den ‚am wenigsten entwickelten Ländern‘ (least developed countries, LDCs), 33 davon liegen auf dem afrikanischen Kontinent. Sie stellen 13 Prozent der Weltbevölkerung und erzeugen 1,3 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Seit 1971 ordnen die UN die ‚ärmsten und verwundbarsten‘ Staaten in diese Kategorie ein, um sie mit internationalen Aktionsprogrammen zu unterstützen – mit dem langfristigen Ziel, ihnen zu ermöglichen, den LDC-Status zu überwinden.
Die LDCs sind am stärksten von aktuellen Krisen getroffen, obwohl sie am wenigsten Verantwortung für sie tragen. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, der Klimakrise sowie diverser Kriege und Konflikte haben sie weit darin zurückgeworfen, die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen.
„Vom Potenzial zum Wohlstand“? UN-Konferenzen für die 'am wenigsten entwickelten Länder'
Die Bemühungen der UN, die LDCs auf den Weg zu nachhaltigem Wachstum und Entwicklung zu bringen, reichen bis in die 1960er-Jahre zurück.
Seit 1981 organisieren sie alle zehn Jahre Konferenzen für die am wenigsten entwickelten Länder, um die Ursachen der weltweiten Ungleichheiten ins Blickfeld zu nehmen. Dabei rufen sie zu internationaler Solidarität auf und beschließen Aktionsprogramme zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit und Unterstützung.
Unter dem Motto ‚Vom Potenzial zum Wohlstand‘ fand vom 5.-9. März 2023 der zweite Teil der mittlerweile fünften UN-Konferenz über die am wenigsten entwickelten Länder statt (LDC5). Etwa 5 000 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Privatsektor, Zivilgesellschaft sowie junge Menschen kamen in Doha, Katar, zusammen, um neue Unterstützungszusagen zu machen und die im Vorjahr vereinbarten Verpflichtungen des sogenannten Aktionsprogramms von Doha für die am wenigsten entwickelten Länder (Doha Programme of Action for the Least Developed Countries, DPoA) voranzutreiben.
Ambitionierter Fahrplan bis 2031 – Das Aktionsprogramm von Doha
Das DPoA ist das fünfte Zehnjahresprogramm. Es hebt die Hauptverantwortung der LDCs für ihre eigene Entwicklung hervor, unterstreicht aber auch die „konkrete und substanzielle Unterstützung“, zu der sich die Entwicklungspartner solidarisch verpflichten. Unter anderem der Privatsektor, die Zivilgesellschaft und Regierungen auf allen Ebenen sollen die LDCs vermehrt darin stärken, ihre Armut aus eigener Kraft zu bekämpfen. Auch die Umsetzung der SDGs ist Teil des Aktionsprogramms: Die 309 Paragraphen des Programms umfassen beispielsweise die Einrichtung einer Online-Universität, die Entwicklung eines Systems zur Lagerung von Lebensmitteln, ein internationales Zentrum zur Unterstützung von Investitionen sowie Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz.
Was konkret beschlossen wurde
Den Abschluss der LDC5-Konferenz bildete die politische Erklärung zum Aktionsprogramm von Doha, in der die Umsetzung des DPoaA in den kommenden zehn Jahren bekräftigt wurde.
Daneben wurden auch konkrete Verpflichtungen festgehalten – sie reichen von Maßnahmen zur Verbesserung der biologischen Vielfalt über die Bekämpfung der Unterernährung bis zur Stärkung der Resilienz. Dadurch sollen LDCs unter anderem Fortschritte in Richtung einer „nachhaltigen und unumkehrbaren“ Graduierung machen. Finanzielle Hilfszusagen kamen unter anderem von Deutschland, das 210 Millionen US-Dollar als Unterstützung für die LDCs bereitstellt. Die EU-Kommission gab Investitionsvereinbarungen im Volumen von 135 Millionen US-Dollar bekannt.
Ein wesentlicher Punkt der Konferenz stellte zudem die Überwindung der digitalen Kluft dar: Zwei Drittel der Bevölkerung in den LDCs haben keinen Zugang zum Internet. Von der digitalen Teilhabe ausgeschlossen, bleiben ihnen die wirtschaftlichen und sozialen Vorteile der technologischen Entwicklung verwehrt. Ein wichtiger Baustein ist dabei der Auf- und Ausbau der gleichberechtigten Bildung junger Menschen, einschließlich ihrer digitalen Kompetenzen.
Nachhaltiger Wandel für 1, 2 Milliarden Menschen?
Alle drei Jahre überprüft der UN-Ausschuss für Entwicklungspolitik die LDC-Kategorie, die sich auf das Bruttonationaleinkommen pro Kopf, das Humankapital (Human Assets Index) und die Gefährdung der Staaten (Economic and Environmental Vulnerability Index) stützt.
Macht ein Land Fortschritte in zwei der drei Kriterien, kann es ‚graduieren‘, also den LDC-Status hinter sich lassen. Dieser Schritt soll ein Zeichen für nachhaltige Bemühungen und Ergebnisse im Hinblick auf die wirtschaftliche und sonstige Entwicklung sein. Mit der sogenannten Graduierung geht aber auch die Sorge vieler LDCs einher, den Großteil der Unterstützungsmaßnahmen zu verlieren. Das DPoA bekräftigt, dass die Sonder- und Vorzugsbehandlung und die Ausnahmeregelungen eines graduierten Landes nicht abrupt reduziert werden sollen; auch im Anschluss sollen weiterhin Handelspräferenzen gewährleistet und schrittweise abgebaut werden.
Auf der LDC5-Konferenz forderten Rednerinnen und Redner eine nachhaltige und unumkehrbare Graduierung. Sie beklagten, dass der Aufruf zur kontinuierlichen und innovativen Finanzierung und Unterstützung „auf taube Ohren gestoßen“ sei.
Mariam Chabi Talata, Vizepräsidentin von Benin, forderte die internationale Gemeinschaft auf, eine wirksame Graduierung aus der LDC-Kategorie zu prüfen. Das Aktionsprogramm von Doha sehe zwar eine verstärkte koordinierte Unterstützung durch die UN vor, dennoch sei die zusätzliche internationale Unterstützung notwendig.
Ehrgeizige Ambitionen trotz schlechter Bilanz
Mehr als 50 Jahre seit Einführung der Kategorie im Jahr 1971 haben nur sechs Staaten den LDC-Status verlassen: Botswana 1994, Kap Verde 2007, Malediven 2011, Samoa 2014, Äquatorialguinea 2017 und zuletzt Vanuatu im Jahr 2020. Sechzehn weitere Länder sind auf dem Weg, darunter Bhutan, das die Graduierungsschwelle am 13. Dezember 2023 überschreiten soll. Das Aktionsprogramm von Doha hat zudem das ehrgeizige Ziel gesetzt, dass 15 weitere Länder, darunter viele afrikanische, die Kategorie verlassen.
„Die Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten enden und beginnen nicht mit der Unterzeichnung der Dokumente oder der Teilnahme an Konferenzen“, mahnte die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina Mohammed zum Abschluss der Konferenz. „Sie müssen integraler Bestandteil unserer Bemühungen für 2030 sein und sich über das gesamte Jahrzehnt erstrecken.“
Von Alexa Knapp