UN-Peacekeeping im Einsatz gegen Desinformation
In Mali löste vor Kurzem die Verbreitung einer Falschinformation über den Nachrichtendienst Whatsapp enorme Probleme für die Friedensmission MINUSMA aus: In der Nachricht wurde behauptet, dass Personal aus Friedensmissionen der Vereinten Nationen mit lokalen bewaffneten Gruppen kollaborieren würde. Diese Desinformation wurde später sogar von analogen Nachrichtendiensten aufgegriffen und weiterverbreitet, was zu einem enormen Ansehensverlust der Friedensmission unter der Bevölkerung führte.
Die Mission UNISFA, die im Gebiet zwischen Sudan und Südsudan operiert, wurde ebenfalls zum Ziel von Falschinformationen. Eine nicht-staatliche Medienorganisation behauptete zu Unrecht, dass UNISFA-Truppen im Mai 2022 ein Dorf attackiert hätten. Auch mit Bezug zur Friedensmission MINUSCA in der Zentralafrikanischen Republik tauchten Desinformationen auf: Es kam zu Anschuldigungen der Kollaboration mit bewaffneten Gruppen und Bezichtigungen der Wahlmanipulation.
Was sind Desinformationen?
Unter „Desinformation“ wird das Verbreiten einer irreführenden Information verstanden. Das International Peace Institute unterscheidet drei Formen von Falschinformationen: Fehlinformationen, Desinformationen und Mal-Informationen. Fehlinformationen stellen Falschinformationen dar, die jedoch ohne Täuschungs- oder Schadensabsicht in Umlauf gebracht werden. Bei Desinformationen liegt eine solche gezielte Absicht vor. Mal-Informationen stellen Informationen dar, die auf der Realität basieren aber genutzt werden, um einer anderen Entität zu schaden.
Im digitalen Zeitalter spielt die Bekämpfung von allen Formen von Desinformationen und der Aufbau strategischer Kommunikation auch in verschiedenen Bereichen des UN-Engagements eine wichtige Rolle. Dass der UN-Sicherheitsrat im Juli 2022 die erste high-level Debatte über strategische Kommunikation einberief, unterstreicht die Dringlichkeit dieses Themas.
Falschinformationen in Friedensmissionen
In Friedensmissionen können Informationen und Narrative einen entscheidenden Einfluss auf den Erfolg haben. Beispielsweise können Desinformationen die Unterstützung der lokalen Bevölkerung untergraben und damit den Erfolg der Mission gefährden. UN-Generalsekretär Guterres erklärte zu Gefahren für Personal in Friedensmissionen: „Die Waffen, die sie einsetzen, sind nicht nur Gewehre und Sprengstoff. Fehlinformationen, Desinformationen und Hassrede werden zunehmend als Kriegswaffen eingesetzt.“. Desinformationen werden seit kurzem in UN-Dokumenten als Probleme für die Friedensmissionen MINUSMA in Mali, MONUSCO in der Demokratischen Republik Kongo und UNIFIL in Libanon erwähnt.
Vor einem Jahr veröffentlichte die UN-Hauptabteilung für Friedenssicherungseinsätze (DPO) zusammen mit weiteren Abteilungen eine Strategie für die digitale Transformation von UN-Friedensmissionen in Rahmen der Initiativen „Action for Peacekeeping“ (A4P) und „A4P“+. In diesem Dokument werden Desinformationen und Informationssicherheit als entscheidende Herausforderungen für UN-Friedensmissionen im 21. Jahrhundert herausgestellt. Eines der vier Ziele des Berichts ist die Schaffung eines „integrierten Ansatzes gegen Fehl-/Desinformationen und Hassrede“.
Was unternehmen die UN gegen Desinformation?
Maßnahmen, um auf Desinformationen zu reagieren, sind in den UN bereits im Gange. Besonders während der Covid-19 Pandemie starteten die UN in sozialen Medien die „Verified“-Kampagne unter dem Hashtag #Takecarebeforeyoushare, um Sensibilität für das Verbreiten von Informationen zu schaffen.
Eine aktuelle Studie des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) beschreibt individuelle Maßnahmen, welche einige UN-Friedensmissionen im Bereich Desinformationen bereits unternehmen. Die Friedensmissionen UNMISS in Südsudan und MINUSMA in Mali führen Schulungen für Journalisten durch. Die Friedensmission UNSMIL in Libyen konsultierte libysche Journalisten, um gemeinsam Prinzipien für die Nutzung von sozialen Medien aufzustellen. Die Friedensmission MINUSCA verteilte 50.000 solarbetriebene Radiogeräte in der Zentralafrikanischen Republik und versuchte, Desinformationen, die gegen das Personal der Mission gerichtet waren, durch ihre eigenen Social Media-Kanäle, Massen-SMS, Radionachrichten und Presseberichte zu bekämpfen.
Nächste Schritte
Im Juli 2022 stellte der Sicherheitsrat eine Anfrage an Generalsekretär Guterres, wonach eine „Überprüfung der strategischen Kommunikation in allen Friedensmissionen“ vorgenommen werden soll. Bis April 2023 soll diese Überprüfung abgeschlossen sein. Wie könnte das Resultat einer solchen Strategie aussehen?
Ideen dafür bietet ein aktuelles Forschungspapier: Es ist wichtig, gezielt gegen Fehlinformationen auf Social-Media, im Radio oder Fernsehen vorzugehen. Gleichzeitig müssten aktiv Narrative produziert werden, die die friedensstiftenden Maßnahmen der UN positiv hervorheben, um ein Gegengewicht zu den Fehlinformationen zu bieten. Realisiert werden könnte das durch Partnerschaften mit lokalen Influencern und Influencerinnen, Personen aus dem Kulturbereich oder Counterspeech-Kampagnen mit Memes oder Gifs. Diese Aktionen könnten von kleinen Missionskomponenten vor Ort ausgeführt werden, koordiniert aus New York. Begleitet werden sollten diese Aktionen durch die Öffentlichkeitsarbeit, um eine strategische Kommunikation zu gewährleisten.
Da Angriffe durch Desinformation in absehbarer Zeit nicht der Vergangenheit angehören werden, bleibt die Entwicklung eines Verfahrens zur Bekämpfung von Desinformation in Einsatzgebieten ein dringendes Thema für UN-Friedenseinsätze.
Adrian Steube und Fabienne Hofmeister