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USA kehren in UNESCO zurück

Nach knapp fünf Jahren sind die USA am 10. Juli 2023 wieder in die UNESCO zurückgekehrt. Es ist das dritte Mal, dass Washington erneut eine Führungsrolle in dieser Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation übernehmen will.

Foto: UNESCO/Christelle Alix

Nach fünfjähriger Abwesenheit sollte der Antrag auf Mitgliedschaft über eine zweitägige Sondersitzung  der UNESCO-Generalkonferenz nach Klärung der Finanzprobleme behandelt werden. Denn nach ihrem Austritt Ende 2018 hatten die USA einen hohen Schuldenberg hinterlassen: Beginnend mit 2011 stellten die USA wegen der von der Generalversammlung beschlossenen Mitgliedschaft Palästinas die Zahlung ihrer Pflichtbeiträge zum ordentlichen UNESCO-Haushalt ein, verließen aber die Organisation erst Ende 2018. Dadurch fehlten der UNESCO jährlich 22 Prozent für den ordentlichen Haushalt. Insgesamt sind es rund 612 Mio. US-Dollar, die von den USA  für die Jahre 2011 bis 2018 nicht gezahlt worden sind. Darüber hinaus schulden die USA dem UNESCO-Welterbe-Fonds 7,9 Mio. US-Dollar.

Kein Stimmrecht in der Generalkonferenz

Bevor die USA Ende 2018 die Organisation verließen, besaßen sie seit 2013 kein Stimmrecht in der Generalkonferenz, weil der Gesamtbeitrag ihrer rückständigen Beiträge bereits zwei Jahresbeiträge überschritten hatte. Ihr Stimmrecht als gewähltes Mitglied im Exekutivrat nahmen die USA als stets wiedergewähltes Mitglied bis 2018 ununterbrochen wahr. Aber nach ihrem Austritt nahm die 40. UNESCO-Generalkonferenz Ende 2019 eine Satzungsänderung an, die eine ähnliche Regelung für die Wählbarkeit in den Exekutivrat vorsieht.

Das Verhalten der USA zwischen 2011 und 2018 ist ohne Zweifel ein schwerer Verstoß gegen die Vorschriften der UNESCO-Verfassung gewesen. Zu klären war auf der Sondersitzung, ob und unter welchen Bedingungen die USA ihr Stimmrecht in den beiden Entscheidungsgremien Generalkonferenz und Exekutivrat bei einem Wiedereintritt wahrnehmen können. Grundsätzlich gilt für beide Fälle auch, dass nach der Satzung sowohl  Stimmrecht als auch Wählbarkeit möglich sind, wenn „der Zahlungsverzug durch Umstände verursacht wurde, die der betreffende Mitgliedstaat nicht zu vertreten hat.“ Eine rechtlich bindende Definition, um welche „Umstände“ es sich handeln kann, existiert nicht, sondern muss von Fall zu Fall geklärt werden.   

In der UNESCO berichtet jeweils auf den Generalkonferenzen eine Kommission über die Gewährung des Stimmrechts für Mitgliedstaaten mit Zahlungsverzug. Auf der 41. Tagung der Generalkonferenz 2021 wurde zum Beispiel auf der Grundlage ihres Berichts von der Generalkonferenz beschlossen, den Mitgliedstaaten Georgien, Iran, Jemen, Kirgistan und Somalia wegen der Umstände, die sie nicht zu vertreten haben, das Stimmrecht zu erteilen. Deutlich wurde, dass es vor allem ökonomische Gründe waren, verursacht durch politische Unruhen, Naturkatastrophen und kriegerische Auseinandersetzungen, die zu den entsprechenden Finanzproblemen führten. Eine wichtige Voraussetzung für die Erteilung des Stimmrechts ist die Bereitschaft des Mitgliedstaates, einem Plan zuzustimmen, welcher die Abzahlung der Beitragsschulden regelt.

Wachsender Einfluss Chinas

Die US-Regierung begründete im US-Kongress ihren Antrag auf Wiederaufnahme, um dem gewachsenen Einfluss Chinas als größten Beitragszahler in der UNESCO Paroli bieten zu können. Daher beschloss der US-Kongress eine zeitlich begrenzte Ausnahmeregel, die Ende September 2025 auslaufen sollte. Dies erklärte die notwendige Eile in diesem Aufnahmeverfahren, da nach der Generalkonferenz im November 2023 die nächste 43. Tagung erst zwei Jahre später stattfinden würde.

Auf Initiative Japans wurde von 65 Mitgliedstaaten die Einberufung einer Sondersitzung der Generalkonferenz gefordert, die am 29. und 30. Juni 2023 in Paris stattfand.  Bis zum 27. Juni 2023 wurde der Text von insgesamt 139 der193 Mitgliedstaaten mitunterzeichnet. Als einziger Tagesordnungspunkt  wurde vorgeschlagen: „Finanzielle Angelegenheiten in Bezug  auf die Rückkehr der USA in die Organisation als Mitgliedstaat, wie durch den Brief der USA von der Generaldirektorin der UNESCO den Mitgliedstaaten am 12. Juni 2023 mitgeteilt wurde.“

In Ihrem Brief versprach die US-Regierung, den US-Congress aufzufordern, für das Finanzjahr 2024 150 Mio. USD je zur Hälfte für den Pflichtbeitrag für 2024 und den Abbau der Schuldenlast zu gewähren. Ähnliche Beiträge sollte in den folgenden Jahren gefordert werden, bis die US-Schuldenlast völlig beglichen ist.

Für die USA waren es primär übergeordnete politische Gründe, wieder in die UNESCO zurück zu kehren. Für die Mehrzahl der Mitgliedstaaten waren es vor allem ökonomische Gründe gewesen, die mit einer Steigerung der Pflichtbeiträge um 22 Prozent und einer Rückzahlung der Altschulden verbunden waren. Generell galt auch das Kriterium einer universellen Mitgliedschaft, das für eine erneute Mitgliedschaft sprach. Betont wurde oftmals auch, dass die Rückkehr der USA ein wichtiger Beitrag zum Multilateralismus sei.   

Die Intention der USA war klar: Erneute Mitgliedschaft mit vollen Rechten ohne irgendeine Einschränkung. Auf der Sondersitzung der Generalkonferenz kam es zu heftigen Auseinandersetzungen bezüglich unterschiedlicher Interpretationen der Satzung. Umstritten waren unter anderem die Nichteinhaltung einer 30tägigen Einladungsfrist, die Frage des Stimmrechts von  anwesenden Mitgliedstaaten mit Zahlungsrückständen und die Begründung, dass die USA  durch Umstände „außerhalb ihrer Kontrolle“ ihre Pflichtbeiträge nicht zahlen konnten. Dabei zeigte sich Russland besonders aktiv und intervenierte sehr häufig mit Anträgen zur Geschäftsordnung.

Sämtliche Änderungsanträge führten zu längeren Diskussionen, wurden aber stets abgelehnt. Die Entschließung wurde ohne Änderungen mit 132 Ja-Stimmen angenommen. Dagegen stimmten 10 Mitgliedstaaten (unter anderem Belarus, China, Indonesien, Iran, Russland), während sich 15 Staaten der Stimme enthielten. Die Generaldirektorin war über die Rückkehr der USA hocherfreut gewesen: „Es ist ein großartiger Tag für die UNESCO und für den Multilateralismus, es ist ein starker Vertrauensbeweis in die UNESCO.“

Präsidentschaftswahl in den USA

Die USA sind seit dem 10. Juli 2023 194. Mitgliedstaat der UNESCO mit allen Rechten und Pflichten.  Ihr Pflichtbeitrag für die restlichen Monate bis zum 31. Dezember 2023 in Höhe von 28,2 Mio. US-Dollar wurde am 3. Oktober 2023 gezahlt und von dem UNESCO-Sekretariat über ein Sonderkonto für  fünf Themenbereiche  aufgeteilt. Über die zugesagte freiwillige, zweckbestimmte Zahlung von 10 Mio. US-Dollar für von den USA ausgewählte UNESCO-Projekte ist bisher nicht berichtet worden. Ob wie für 2024 vorgesehen auch ab 2025 jährlich rund 150 Mio. US-Dollar mit 50 Prozent Pflichtbeitrag und 50 Prozent Schuldendienst überwiesen werden, hängt ohne Zweifel auch von den Ergebnissen der Präsidentschaftswahl in den USA Ende 2024 ab.

Prof. Dr. Klaus Hüfner, Mitglied im DGVN-Präsidium