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Weltsozialbericht 2020: Migration hilft Ungleichheit verringern

Migration ist einer der „Megatrends“, die dazu beitragen können, globale Ungleichheiten zu verringern – wenn sie richtig gesteuert wird. Worauf es dabei ankommt, zeigt der „World Social Report 2020“ der UN-Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (DESA).

Ungleichheiten zu verringern ist das zehnte der Ziele für Nachhaltige Entwicklung (SDGs).

Wie bereits der Bericht über die menschliche Entwicklung 2019 widmet sich auch der neue Weltsozialbericht 2020 dem Schwerpunkt Ungleichheit, einem der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), bei denen es noch viel zu wenige Fortschritte gibt. Unter dem Titel “Inequality in a rapidly changing world” (Ungleichheit in einer sich rasant ändernden Welt) skizziert der aktuelle Bericht vier globale Megatrends, die sich zwar nicht aufhalten, aber gestalten lassen:

  • technologische Innovationen,
  • den sich verschärfenden Klimawandel,
  • die zunehmende Verstädterung
  • und die internationale Migration mit ihren Chancen und Herausforderungen.

All diese Trends bergen die Gefahr, dass sie Ungleichheiten innerhalb einzelner Länder oder zwischen verschiedenen Ländern weiter verschärfen. Deshalb drängt UN-DESA auf politische Handlungskonzepte im Umgang mit diesen Trends, die geeignet sind, Ungleichheit gezielt anzugehen. Es müsse sichergestellt werden, dass negative Entwicklungen nicht überproportional die Ärmsten treffen. Neue Technologien müssen der Armutsbekämpfung zugutekommen und die technologische Kluft verringern helfen. Die Widerstandsfähigkeit der Armen gegenüber dem Klimawandel müsse gestärkt werden und räumliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Spaltungen innerhalb der Städte verringert werden. Die Urbanisierung müsse inklusiver werden, ländliche Regionen dürften dabei aber nicht vernachlässigt werden.
 

Migration als Chance

Besonders die internationale Migration sei geeignet, globale Ungleichheiten gezielt zu verringern. Dies gelte jedoch nur, wenn sie in geordneten und sicheren Bahnen abläuft. Laut UN-DESA muss Migration als wichtige Dimension von Entwicklung anerkannt und entsprechend gestaltet werden. Migrantinnen und Migranten, die oft weit unter ihrer Qualifikation arbeiten, müssen die Möglichkeit haben, ihre Fähigkeiten und Kenntnisse produktiv einzusetzen. Eine Rückkehr in die Heimat wird ihnen erleichtert, wenn im Ausland erworbene Versicherungsansprüche nicht verfallen.
 

SDG 10c: Geldüberweisungen in die Heimat billiger machen

Bislang geht vor allem Geringverdienern und ihren Familien durch die hohen Kosten von Geldtransfers in die Heimat viel Geld verloren. Um die Entwicklungswirkungen der Migration zu verbessern, wird mit SDG 10c die Verringerung der Kosten von Heimatüberweisungen angestrebt. Die durchschnittlichen Transaktionskosten für Überweisungen lägen bei 6,8 Prozent – doppelt so hoch wie die SDG-Zielvorgabe von drei Prozent, heißt es in dem Bericht. Wird die Obergrenze von drei Prozent bis 2030 erreicht, bliebe den Betroffenen ein größerer Teil ihres Einkommens und die globale Ungleichheit würde abnehmen.
 

Steuern statt beschränken

Politische Bemühungen, internationale Migration zu beschränken oder sogar abzuwehren, sind wahrscheinlich zum Scheitern verurteilt, heißt es in dem Bericht. Doch damit internationale Migration zu besserer Wirtschaftsleistung führt und Armut und Ungleichheit verringern hilft, müssen Bedingungen geschaffen werden, die genau dafür förderlich sind.

Insbesondere sollten Menschen mit unterschiedlichem Grad an Qualifikation die Möglichkeit haben, durch Migration ihre Perspektiven zu verbessern. Gerade gering qualifizierte Arbeitskräfte profitieren besonders von der Migration und unterstützen ihre Familien. Deshalb sollten auch ihnen legale Wege ins Ausland offenstehen.

In der Regel sind es nicht die Ärmsten, die auswandern, sondern Menschen aus Ländern mit mittlerem Einkommen. Versuche, Migrationsströme durch „Ursachenbekämpfung“ im Sinne von Armutsbekämpfung einzudämmen, führen eher zu mehr Migration. Denn den Schritt in ein anderes Land zu wagen, ist mit Kosten verbunden. Mit höherer Bildung und dem Zugang zu Ideen, Informationen und bezahlbaren Reisemöglichkeiten drängt es mehr Menschen ins Ausland, die ihre Chancen weiter verbessern möchten.

Argumenten, die Zuwanderung hätte negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt der Zielländer, hält der Bericht entgegen, gering qualifizierte Migrantinnen und Migranten würden häufig Jobs übernehmen, die die Einheimischen nicht machen wollen, z. B. in der Landwirtschaft, im Bergbau, auf dem Bau oder als Haushaltshilfen. Höher qualifizierte könnten in vielen Ländern einen Fachkräftemangel ausgleichen helfen und so die einheimische Wirtschaft fördern.
 

Vom „Brain Drain“ zum „Brain Gain“

Auch der bislang vor allem negativ eingeschätzte „Brain Drain“ in den Herkunftsländern durch die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte ins reichere Ausland hat mehrere Seiten. In der Tat würden die reicheren Länder durch gut ausgebildete Arbeitskräfte aus ärmeren Ländern quasi „subventioniert“ und profitieren deutlich stärker, während ärmeren Ländern dringend benötigtes Fachpersonal verloren geht. Doch es könne auch positive Rückkopplungen geben, die am Ende die negativen Wirkungen mehr als ausgleichen: Zum Beispiel durch Rückkehrer, die mit Erfahrung und finanziellen Mitteln ihren Heimatländern helfen. Oder indem die Perspektive, vielleicht in der Zukunft gut ausgebildet ins Ausland zu gehen, vielen jungen Menschen besondere Anreize bietet, zu studieren oder eine Ausbildung abzuschließen – wobei ein großer Teil von ihnen dann letztlich doch in der Heimat bleibt („Brain Gain“).

Dennoch: Weder positive noch negative Effekte sind Selbstläufer. Inwieweit die Migranten und ihre Herkunfts- und Zielländer profitieren und welche Auswirkungen dies auf die globale Ungleichheit hat, hängt zu einem großen Teil davon ab, wie die Migration gestaltet wird. Die Zielländer müssten daher mehr dafür tun, die Integration von Migranten zu fördern, ihre Rechte zu schützen, Zugang zu Gesundheitsdiensten und Bildung zu ermöglichen und Diskriminierung zu verhindern. Wenn Migranten angemessene Unterstützung bekommen und die Migration gut gesteuert wird, überwiegen die Vorteile bei weitem, heißt es in dem Bericht.

Christina Kamp


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