Menü

Wie geht es weiter mit dem deutschen Engagement in Mali?

Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen

UN Photo/Harandane Dicko

Ende Mai 2022 entscheidet der Deutsche Bundestag über die Fortführung des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen der internationalen Friedensmission in Mali. Ende Juni steht die Erneuerung des MINUSMA-Mandates im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bevor.

In Deutschland hat dazu in Fachkreisen, in den Medien und in der Öffentlichkeit eine Debatte begonnen. Vielfach wird die Präsenz der Bundeswehr in Mali kritisch hinterfragt. Während einige die Prüfung einer möglichst raschen Beendigung des Einsatzes für vordringlich halten, warnen andere vor einem vorschnellen Abzug und daraus resultierenden unabsehbaren Folgen für das Land und die Zivilbevölkerung. Darüber hinaus würde auch das deutsche UN-Engagement Schaden nehmen; dies stünde im Kontrast zum Koalitionsvertrag, der ein Bekenntnis zur Stärkung der Vereinten Nationen enthält.

Hierzu stellt der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen Detlef Dzembritzki nach Beratungen mit Expertinnen und Experten der DGVN Folgendes fest:

  • Bei der Beurteilung des militärischen Engagements Deutschlands in Mail muss zwischen der EU-Ausbildungsmission EUTM (European Union Training Mission) und dem Einsatz im Rahmen der UN-Friedensmission MINUSMA (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali) unterschieden werden.
  • Nach den beiden Militärputschen 2020 und 2021 ist die Verlässlichkeit der malischen Seite geschwächt, jedoch sind die Auswirkungen auf die Sicherheitslage nicht mit denen der Machtergreifung der Taliban in Afghanistan vergleichbar. Auch der Charakter der internationalen Missionen in Mali unterscheidet sich deutlich von denen in Afghanistan. In keinem Fall dürfen sich bei einem etwaigen Truppenabzug aus Mali die Fehler wiederholen, die in der Schlussphase des Einsatzes in Afghanistan so viele Menschen in Gefahr gebracht haben. Daher darf nicht ausschließlich über Exit-Optionen geredet werden. Stattdessen sind Anpassungen des Engagements in Erwägung zu ziehen.
  • Aktuell ist die integrierte UN-Mission MINUSMA der zentrale Koordinationspunkt für den schwierigen Aufbau umfassender Sicherheit in Mali. Ein überstürzter Abzug Deutschlands könnte einen Dominoeffekt herbeiführen und ein Vakuum erzeugen, das zu Chaos führen kann.
  • Grundbedingung jeglichen militärischen Engagements im Rahmen von Friedensmissionen der Vereinten Nationen ist die Zustimmung des Empfangsstaates. Grundsätzlich sollte dabei auch mit den Putschisten geredet werden, wenn sie die de facto Autorität im Land ausüben. Nur wenn eine UN-Mission ausdrücklich im Land gewollt ist, kann sie überhaupt fortgeführt werden. Dies muss zwischen den Vereinten Nationen und den jetzigen Machthabern auch hinsichtlich der Details des integrierten Mandats rasch geklärt werden.
  • Die deutsche militärische Beteiligung an MINUSMA stärkt die Vereinten Nationen in einer herausfordernden Mission, bedarf aber auch einer Begründung als Teil weitergehender deutscher Interessen, z.B. regionale Stabilisierung als Voraussetzung für gesellschaftliche Entwicklung, Wohlstand und Bleibeperspektiven.
  • Losgelöst und unabhängig von Frankreich könnte Deutschland auf die nachfolgenden Prozesse hinwirken, die zu einem Erfolg von MINUSMA und zu mehr Stabilität in Mali beitragen können:
  • Bei der Mandatierung durch den UN-Sicherheitsrat gilt es auf eine stärkere Berücksichtigung der Vorstellungen der malischen Seite hinzuwirken. Das Gastgeberland der UN-Friedensmission und seine Bevölkerung sollten nicht zum schlichten Mandatsempfänger der internationalen Gemeinschaft gemacht werden. Die Ständige Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen sollte dies bei allen Partnern in New York ansprechen, um Positionen Malis im neuen UN-Mandat festzuhalten. Eine Stabilisierung Malis kann nur als Bottom-up Prozess gelingen – nur gemeinsam mit Mali, nicht gegen Mali.
  • Auf der operativen Ebene muss sich die Deutsche Bundeswehrführung Fragen nach den realistischen Zielen des Einsatzes stellen lassen und das Erwartungsmangement entsprechend justieren. Terrorbekämpfung ist bei einer Beteiligung an MINUSMA nicht Teil des Einsatzes. Der Einsatz muss daher in ein überzeugendes und umfassendes politisches Konzept, wie mit den Terrorgruppen umgegangen werden soll, eingebunden sein. Ist dies nicht der Fall, birgt der Einsatz von Militär Gefahren, dies muss offen angesprochen werden. Eigensicherung darf dennoch nicht die einzige Maxime sein.
  • Die Unterrichtung des Parlaments und der Partner über die jeweiligen Erkenntnisse muss optimiert werden. Ausgerichtet an den deutschen Interessen an der Beteiligung an MINUSMA, einschließlich der militärischen Ziele, sollten benchmarks entwickelt werden, zu denen die Bundesregierung strukturiert und regelmäßig berichtet. Dies ist auch Voraussetzung für eine permanente realistische Bestandsaufnahme.
  • Deutschland sollte auch unter Berücksichtigung der Zusammenarbeit mit der EU, AU und ECOWAS und im Sinne des Friedensabkommens von Algier sein Interesse an der Stabilisierung Malis formulieren. Es gilt sich gegenüber den Partnern dafür einzusetzen, dass dieses Interesse Niederschlag in einem präzisen und fokussierten Mandat der UN-Friedensmission in Mali findet. Bei der Verlängerung des MINUSMA-Mandates müssen die strategischen Ziele der UN erkennbar sein. Die zu dessen Umsetzung benötigten Ressourcen müssen bereitgestellt werden. Militär wird immer nur ein Zeitfenster schaffen können, um friedliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse in Gang zu bringen. Nötig ist daher ein ganzheitlicher Ansatz, der Sicherheit, Menschenrechte, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit stimmig miteinander verknüpft.
  • Im Mittelpunkt des internationalen Engagements müssen die Schaffung sicherer Räume für politische Diskussionen und Entscheidungen und der Schutz der Zivilbevölkerung stehen. Dabei sind alle Aspekte der vernetzen Sicherheit zu berücksichtigen. Auch nach einem etwaigen Rückzug der Bundeswehr bleibt Mali auf Unterstützung aus Deutschland angewiesen. Das gilt auch für die die Entwicklungszusammenarbeit durch die Vereinten Nationen.

Das könnte Sie auch interessieren