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Wie politisch sind Finanzen?

Seit der Gründung der Vereinten Nationen muss immer wieder politisch ausgehandelt werden, wie die Arbeit der Weltorganisation finanziert wird, welche Ausgaben in den ordentlichen UN-Haushalt gehören und welche nicht und wie der Haushaltsprozess gestaltet werden soll, in dem über Einnahmen und Ausgaben entschieden wird. Derartige Finanzfragen sind seit jeher hochpolitisch.

UN-Generalversammlung
UN Photo/Eskinder Debebe

Geschich­te der UN und Verän­derungen bei den UN-Finanzen

Am 24. Oktober 1945 wurden die Vereinten Nationen gegründet – die Welt­orga­nisation, die den Welt­frieden sichern sollte. Das Grün­dungs­dokument, die UN-Charta, legt Grund­regeln des staat­lichen Handelns fest, um ein stabiles inter­natio­nales System zu wahren. Im Laufe der Zeit gab es zwar struk­turellen Ände­rungen – auch in Bezug auf die Finan­zierung –, die Ziele und Prin­zipien der UN sind jedoch bis heute im Wesentlichen unver­ändert geblieben.

Durch die Dekolo­niali­sierung wuchs die Zahl der Mitglied­staaten der UN in den 1960er und 1970er Jahren deutlich, ins­besondere in Afrika. Dadurch verschob sich das Stimm­gewicht der Staaten in der General­versamm­lung auf den Globa­len Süden (G77-Staaten), wäh­rend wenige Staaten des Globalen Nordens (ins­besondere die USA, Japan und wenige euro­päische Staaten) weiter­hin einen Groß­teil der Pflicht­beiträge leisteten. Hiermit ergab sich ein Ungleich­gewicht, das ins­beson­dere zu Konflikten über die Höhe der Gesamt­ausgaben sowie über die Finan­zierung von ent­wicklungs­poli­tischen Zielen (Globaler Süden) und sicher­heits­poli­tischen Zielen (Globaler Norden) der UN führte.

In der zwei­ten Hälfte der 1980er Jahre übten daher ins­besondere die USA und das Vereinigte König­reich Druck aus, um das Wachs­tum des orden­tlichen Haus­halts der UN, aber auch einzel­ner Sonder­orga­nisationen wie der UNESCO zu begrenzen.

Bis in die frühen 1990er Jahre waren Friedens­missionen Teil des orden­tlichen UN-Haushalts. Ihre Finan­zierung war jedoch immer schon um­stritten. Mit der wachsenden Zahl an Missionen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts wurde dann ein eigenes Haus­halts­verfahren ein­geführt, um die Verhand­lungen über­schaubarer zu gestalten. Daher haben die Friedens­missionen heute einen geson­derten Haus­halts­rhythmus, von Juli bis Juni – ein Kalender­jahr für den orden­tlichen Haus­halt läuft von Januar bis De­zember.

In den letzten zwei Jahr­zehnten wuchsen der orden­tliche Haus­halt und die Haus­halte der meisten Sonder­orga­nisationen nur noch gering­fügig. Die wenigen großen Geld­geber­staaten sind immer weniger bereit, für Mandate und Projekte zu bezahlen, die eine große Staaten­mehrheit auch gegen sie verab­schieden kann. Gleich­zeitig zahlen die großen Pflicht­beitrags­zahler und einzelne andere Staaten (z.B. Schweden und Deutschland) ver­stärkt frei­willige Bei­träge für einzelne Programme und Projekte. Über diese Mittel haben sie direkte Kontrolle, da sie zweck­gebunden sind und damit nur für spezi­fische Projekte und Missionen verwendet werden dürfen. Das Ergebnis dieser Ent­wicklung ist, dass viele UN-Organisa­tionen heute größere Fund­raising-Abteilungen eingerichtet haben und viel Energie darauf verwenden müssen, Gelder ein­zuwerben.

Der Haushaltsprozess

Als die UN 1945 noch in den Kinder­schuhen steckten, wurde der Haus­halts­prozess in fast iden­tischer Weise vom Völker­bund, der Vorgänger­organisation, übernommen. Heute verfügt die Welt­orga­nisation über ein enormes wirt­schaft­liches Poten­zial. Der hier beschriebene Haus­halts­prozess bezieht sich jedoch nur auf den ordentlichen Haushalt sowie auf den Haushalt für die UN-Friedensmissionen.

Nach Artikel 17 der UN-Charta prüft und genehmigt die Generalversammlung den Haushaltsplan der Organisation. Sie bewilligt zudem alle Finanz- und Haushaltsabmachungen mit den Sonderorganisationen. Innerhalb des Haus­halts­prozesses kam es jedoch immer wieder zu Ände­rungen und An­passungen. So wurde beispiels­weise der Zwei-Jahres-Prozess, der in den 1970ern einge­führt wurde, 2020 wieder auf ein ein­jähriges Verfahren geändert. Ziel der Um­stellung war es, schneller auf neue Ent­wick­lungen wie die COVID-19-Pandemie reagieren zu können.

Wie in den meisten inter­natio­nalen Orga­nisationen ist die Erstellung des Haus­halts­entwurfs Auf­gabe des Sekreta­riats, während die Verhand­lungen und die Verab­schiedung des Haus­halts Auf­gabe der Mitglied­staaten sind. Dabei sind die Verant­wortlich­keiten auf drei Gremien auf­geteilt: den Fünften Aus­schuss der General­versammlung für Verwaltung und Haus­halt mit allen 193 Mitglied­staaten, den Beratenden Aus­schuss für Verwaltungs- und Haus­halts­fragen (ACABQ) mit 21 Mit­gliedern bestimmt aus den Regio­nalgruppen (Afrika, Asien, Latein­amerika/Karibik, Ost­europa, West­europa und andere Staaten) und den Programm- und Koordi­nierungs­aus­schuss (CPC) mit 34 Mitgliedern verteilt nach Regional­proporz.

Formal liegt die Verant­wortung für die Erarbei­tung der unter­schied­lichen UN-Haus­halts­entwürfe beim General­sekretär. Für die tatsäch­liche Arbeit an den Haus­halts­dokumenten für den orden­tlichen Haus­halt und den der Friedens­missionen ist aber die Sekretariats­abteilung Management­strategie, Grund­satz­politik und Regel­einhaltung (DMSPC) zuständig.

Bei allen Beiträgen handelt es sich um reale, inflationsbereinigte Werte.

Was ist das Haushaltsdokument für den ordentlichen Haushalt?

Beim Haus­halts­dokument handelt es sich nicht um ein Dokument, sondern um eine Samm­lung von mehreren sehr umfang­reichen Doku­menten, die rund 40 Sek­tionen und Ab­schnitte umfassen. Diese bein­halten sowohl programma­tische als auch finan­zielle Aspekte. Dazu­gehö­rige Sek­tionen sind beispiels­weise ‚Politische Ange­legen­heiten‘, ‚Umwelt‘ und der ‚Inter­nation­ale Gerichts­hof‘.

In den Sektions­dokumenten finden sich Infor­mationen über die jeweilige detaillierte Programm-, Ziel- und Personal­planung, die geplanten Aus­gaben, weitere für die Aus­schüsse und Rechnungs­prüfer und -prüfer­innen rele­vante Infor­mationen und das Orga­nigramm der Sekre­tariats­einheit, die für diese Sektion zuständig ist. So ist etwa das UN-Umwelt­programm (UNEP) für die Sektion 14 ‚Umwelt‘ verant­wortlich. Bevor es zur Verhand­lung im Fünften Aus­schuss und zur Verab­schiedung in der General­versammlung kommt, werden die Haus­halts­dokumente vom CPC – dem Forum des Globalen Südens – und dem ACABQ – dem Forum des Globalen Nordens – genau geprüft.

Die Haus­halts­verhandlungen selbst werden dann meist von Diplo­matinnen und Diplo­maten aus den Ständigen Vertre­tungen in New York geführt und finden unter Aus­schluss der Öffentlich­keit statt. Dabei werden umfang­reiche Haus­halts­posten dis­kutiert, aber auch, ob einzelne Stellen in der UN-Regional­kommission für Afrika, Europa, Latein­amerika/Karibik, Asien und Pazifik oder West­asien bewilligt beziehungs­weise gestrichen werden sollen oder ob politisch umstrittene Mandate finanziert werden oder nicht.

Ergebnis der Verhandlungen

Ergebnis der Verhand­lungen zum orden­tlichen Haus­halt und der Verhand­lungen für die Friedens­missionen ist eine Reihe von Resolutions­entwürfen, die den Haushalts­entwurf des General­sekretärs ändern oder ergänzen und abschlie­ßende Zahlen für die Haus­halte und die Pflicht­beiträge fest­legen. Die großen Zahlen­blöcke werden fest­gelegt und weitere programm­atische und personelle Än­derungen im Detail zu den rund 40 Haus­halts­sektionen beschlossen. Da der Verhandlungs­prozess nicht öffentlich ist, sind die Gründe für Änderungen schwer nach­zuvoll­ziehen, wenn sie nicht in öffentli­chen Reden an­gesprochen werden. Es gibt zudem kein Dokument, das den gesamten Haus­halt am Ende zusammen­führt.