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75 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte feiert ihr 75-jähriges Bestehen als wegweisendes Dokument, das die universellen Rechte und Würde aller Menschen betont. Verabschiedet 1948, nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs, dient sie als Leitfaden für Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde.

Eleanor Roosevelt hält ein Poster der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Foto: UN Photo

Am 10. Dezember 2023 jährte sich zum 75. Mal der Tag, an dem in Paris die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in Paris verabschiedet hat. Die Erklärung ist ein Meilenstein in der Geschichte der Menschenrechte. Sie ist das am meisten übersetzte Dokument der Welt und in mehr als 500 Sprachen verfügbar. Auch 75 Jahre nach ihrer Verkündung hat die Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen nichts an Aktualität verloren. Gleichheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde sind universelle Werte – heute wie vor 75 Jahren. Insbesondere der erste Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der besagt, dass "Alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind", findet sich in zahlreichen Verfassungen von Ländern wieder, die ihre Souveränität nach 1948 erlangt haben. Ein vergleichbarer Grundsatz ist auch im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland zu finden, wo es in Artikel 1, Absatz 1 heißt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Ein schwieriger Aushandlungsprozess

Zur Erarbeitung der Menschenrechte wurde eine eigene UN-Kommission gebildet. Eleanor Roosevelt, die erste Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen und Witwe von US-Präsident F.D. Roosevelt, wurde zur Präsidentin dieser Kommission gewählt. Während aller Etappen der Meinungsbildung lieferten sich die Delegierten erbitterte Auseinandersetzungen über jeden einzelnen Artikel. Diese Kontroversen spiegelten den damals aufkommenden Ost-West-Konflikt wider, der die Verhandlungen beinahe zum Scheitern brachte. Die Sowjetunion und andere kommunistische Länder, ebenso wie Saudi-Arabien und Südafrika, drohten damit, gegen die Menschenrechtsresolution zu stimmen. In letzter Minute konnte jedoch erreicht werden, dass sich die Gegner der Resolution der Stimme zu enthielten, gleichwohl sie sich nicht an die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gebunden fühlten. Am 10. Dezember 1948 wurde die Resolution von der dritten Generalversammlung der Vereinten Nationen im Pariser Palais de Chaillot mit 48 Stimmen und 8 Enthaltungen angenommen.

Kultur und Menschenrechte

Kritiker der Idealvorstellung einer einheitlichen, wertegeleiteten Weltordnung, wie sie in den Vereinten Nationen angestrebt wird, argumentieren, dass die Interessen, Werte und geopolitischen Voraussetzungen der 193 Mitgliedstaaten zu unterschiedlich sind, um für alle verbindlich zu sein. Dem kann entgegnet werden, dass die innerhalb der UN ausgearbeiteten Übereinkommen ohnehin auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basieren, vom Konsens geprägt sind und für ihre Umsetzung die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erfordern. Menschenrechte haben eine kulturspezifische Komponente. Der Anspruch auf Gleichheit von Mann und Frau beinhaltet damit faktisch auch eine religionskritische Dimension. Bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor 75 Jahren stimmte Saudi-Arabien nicht dafür, sondern enthielt sich der Stimme, weil die Religionsfreiheit so formuliert sei, dass sie auch den Religionswechsel beinhalte. Brasilien wiederum hatte in den Beratungen den Vorschlag eingebracht, man möge die Würde des Menschen biblisch begründen, also die Würde des Menschen als Ebenbild Gottes in die Erklärung einzufügen. Dies fand den Widerspruch, u.a. des Vertreters von China, der entgegnete: „Wenn wir die Menschenrechte biblisch begründen, dann sind alle Menschen außerhalb dieses Religionskreises von vornherein ausgeschlossen“. Die Religionsfreiheit und die Gleichheit von Mann und Frau sind bis heute Streitpunkte, insbesondere in islamisch geprägten Ländern, geblieben. Nach Auffassung einiger muslimischer Länder fußt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte auf einem säkularen Verständnis der jüdisch-christlichen Tradition.

Die Bedeutung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus heutiger Sicht

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist in der Geschichte der Menschheit das erste umfassende Dokument, in dem die 30 Grundrechte aufgeführt sind, auf die alle Menschen Anspruch erheben können. Um überhaupt auf die Unterstützung der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zählen zu können, musste die Menschenrechtserklärung so allgemein gehalten werden, dass sie ohne Gegenstimme angenommen werden konnte. Das mag unbefriedigend erscheinen. Aber die UN ist keine Weltregierung. Es fehlt daher bis heute an einer weltumspannenden Instanz, die die Menschenrechte individuell durchsetzen könnte. Dennoch ist immer wieder zu unterstreichen, dass es bei der Verabschiedung der Menschenrechtsdeklaration erstmals in der Geschichte der Menschheit gelungen ist, ein System grundlegender Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens durch die Staatengemeinschaft in freier Entscheidung anzunehmen – auf das sich jedes Individuum berufen kann. In den Jahrzehnten nach der Verabschiedung der Erklärung wurde der Menschenrechtskatalog mehrfach präzisiert und erweitert. Dennoch vermochte sie völkerrechtliche Prinzipien wie das Souveränitätsprinzip und das Nichteinmischungsprinzip nicht grundsätzlich aufzuheben. Es hat sich jedoch ein gewisser Grundkonsens entwickelt, der durch völkerrechtliche Verträge gestärkt und zu zwingendem Völkerrecht wurde. Trotzdem bleibt bis heute unverändert die Erkenntnis bestehen: Recht basiert auf Macht, und ohne diese ist auch das Menschenrecht nicht viel mehr als eine (wenn auch bedeutende) normative Mahnung. Aus Sicht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen António Guterres ist dies jedoch keinesfalls wenig: „Während die Menschenrechtsverletzungen mit der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung nicht endeten, hat die Erklärung unzähligen Menschen geholfen, mehr Freiheit und Sicherheit zu erlangen. Sie hat dazu beigetragen, Verletzungen zu verhindern, Gerechtigkeit für Unrecht zu erlangen und die nationalen und internationalen Menschenrechtsgesetze sowie Maßnahmen zu Menschenrechten sind ein wesentlicher Bestandteil des täglichen Lebens aller Menschen auf dem Planeten. Die Wahrung der Menschenrechte ist auch eine wichtige Säule der Arbeit der Vereinten Nationen und für das Erreichen von Frieden und Fortschritt unerlässlich.“

Klaus-Heinrich Standke, erster deutscher Direktor für Wissenschaft und Technologie im Sekretariat der Vereinten Nationen


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