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Den Klimawandel aufschieben? Zur Vertagung der Glasgower Klimakonferenz

Eigentlich hätte Mitte November im schottischen Glasgow der nächste internationale Klimagipfel stattfinden sollen. Die diesjährige Vertragskonferenz sollte die bedeutendste seit der historischen Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens im Jahr 2015 werden sollen. Sie muss bis November 2021 warten.

Die Klimakrise ist auch in Zeiten der Corona-Pandemie spürbar.

(Foto: UNClimatechange/flickr/CC BY-NC-ND 2.0/Climate Strike)

Die diesjährige COP26 (Conference of the Parties - COP) wurde bereits im Frühjahr vom UN-Klimasekretariat und den beiden Veranstaltern Großbritannien und Italien abgesagt. Die Umsetzung der Pariser Klimaziele hätten den Kern der Klimakonferenz dargestellt und es sollten Strategien entwickelt werden, wie die Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention (UN Framework Convention on Climate Change - UNFCCC) die Ziele des Abkommens erreichen können.

Mit dem Pariser Klimaabkommen hatten die unterzeichnenden Staaten vereinbart, die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius, möglichst aber 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Das Abkommen sieht außerdem vor, dass die Mitgliedsstaaten alle fünf Jahre neue und vor allem ehrgeizigere national festgelegte Beiträge zur Klimapolitik (national determined contributions – NDCs) vorlegen. Bisher reichen die NDCs der Mitgliedsstaaten in der Summe nämlich noch nicht aus, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Falls aber das 1,5-Grad-Ziel nicht konsequent durchgesetzt werden sollte, drohen dramatische Konsequenzen für Mensch und Umwelt, so der International Panel on Climate Change (IPCC).
 

Die Dringlichkeit bleibt bestehen

Auch wenn der Klimagipfel aufgrund der Corona-Pandemie auf November 2021 verschoben und der Tagungsort der COP26 in Glasgow stattdessen in ein Not-Krankenhaus für COVID-19-Patienten verwandelt wurde, bleibt die Dringlichkeit für Maßnahmen gegen den Klimawandel bestehen. Dennoch nimmt der weltweite Kohlestoffausstoß kontinuierlich zu und erreichte im Jahr 2018 sogar einen Höchstwert von etwa 36,6 Milliarden Tonnen. Um eine als realistisch betrachtete Erwärmung von eher drei bis vier Grad zu vermeiden und das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, benötigt es eigentlich einen großen politischen und gesellschaftlichen Willen, weltweit. Doch durch die Corona-Krise ist die internationale Zusammenarbeit auf UN-Ebene noch zusätzlich erschwert worden.

Expertinnen und Experten betrachten die Verschiebung der COP26 mit gemischten Gefühlen und teilweise als Rückschlag für den Klimaschutz, da die Ausarbeitung adäquater Klimaschutzmaßnahmen so ausgebremst wird – in einer Zeit, in der eigentlich eine Beschleunigung der Umsetzung benötigt würde. Yvo de Boer, ehemaliger Vorsitzender der UNFCCC, der die Gespräche der COP in Kopenhagen im Jahr 2009 leitete, kritisierte außerdem, dass die Verschiebung des Klimagipfels bereits im April erfolgte. Stattdessen hätte man die Entwicklungen der Corona-Pandemie abwarten und eine eventuelle Absage immer noch kurzfristig im Oktober durchführen können.
 

Verschiebung der COP26 als Chance für die Klimapolitik?

Auch wenn Umweltgruppen mahnen, dass die Klimakrise vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie nicht aus dem Blick geraten darf, herrscht ein allgemeines Verständnis darüber, dass der akute Gesundheitsschutz oberste Priorität hat. Patricia Espinosa, Geschäftsführerin des UNFCCC kommentierte die Verschiebung der COP26: „COVID-19 ist heute die dringendste Bedrohung für die Menschheit, aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Klimawandel langfristig die größte Bedrohung für die Menschheit darstellt.“

Tatsächlich sehen einige die Verschiebung der COP26 als eine Chance für die internationale Klimapolitik. Für den Geschäftsführer von Greenpeace im Vereinigten Königreich John Sauven bietet die Verschiebung der COP26 die Möglichkeit, die internationale Diplomatie auf die bevorstehenden Diskussionen über die notwendigen Klimamaßnahmen vorzubereiten. Die Planung der COP26 gestaltete sich ohnehin von Beginn an als schwierig: So wurde die für das Amt der COP-Präsidentin vorgesehene frühere Klima- und Energieministerin Claire Perry O’Neill Anfang Februar entlassen und durch den britischen Staatssekretär für Unternehmens-, Energie- und Industriestrategie Alok Sharma ersetzt. Zudem wurde überlegt, die Klimakonferenz aufgrund des Brexits vom schottischen Glasgow nach London zu verlegen.

Ohnehin erschienen die Planungen der COP26 durch die britische Regierung eher ungewiss und vage. Die US-Wahlen, die etwa eine Woche vor dem ursprünglich geplanten Beginn der Klimakonferenz stattfinden, stellen ein zusätzliches Risiko für den Erfolg der COP26 dar: Donald Trump, der das Pariser Klimaabkommen vehement ablehnt, veranlasste den Vollzug des Ausstiegs der USA einen Tag nach den Wahlen. Bei einem Sieg Joe Bidens würde dennoch erst ein Regierungswechsel im Januar erfolgen. Mit der Verschiebung der COP26 in den November 2021 könnten die USA als zweitgrößter CO2-Emittent die Möglichkeit bekommen, doch noch an der Klimakonferenz teilzunehmen.
 

Klimapolitik in Zeiten der Pandemie

Auch in Zeiten der Corona-Pandemie werden die Gefahren des Klimawandels immer bewusster. So zeigten beispielsweise die Hitzeperioden mit Rekordtemperaturen in Sibirien, extreme Buschfeuer und Flächenbrände in Australien und den USA sowie starke Überschwemmungen in Ostafrika, dass der Klimawandel keine Pause einlegt - auch während Regierungen weltweit mit der Bekämpfung der Pandemie beschäftigt sind. In der Gesellschaft herrscht trotz der Corona-Krise eine große Akzeptanz für die Ausweitungen klimapolitischer Maßnahmen. Die EU beschloss im September, ihr Ziel bis 2050 klimaneutral zu werden, gesetzlich zu verankern. Zudem soll das Ziel der Emissionsreduktion im Dezember auf 55 Prozent erhöht werden. Der stellvertretende Kommissionspräsident Frans Timmermanns sagte zu, dass sich die EU für eine erfolgreiche und ehrgeizige COP26 einsetzen und die Arbeit mit den internationalen Partnern und der Zivilgesellschaft intensivieren werde.

Sogar China kündigte kürzlich an, bis 2060 kohlenstoffneutral zu werden. Auch Japan möchte bis 2050 klimaneutral sein und seine Kohlepolitik umzustellen. Zusätzlich bekennen sich mittlerweile viele Unternehmen und Städte zu freiwilligen Emissionsreduktionen: Mit der UN-Initiative „Race to Zero“ verpflichten sich über 1000 größere Unternehmen, darunter 25 aus Deutschland, sowie mehr als 400 Städte und Regionen, bis 2050 keine Emissionen mehr zu produzieren. All diese Zugeständnisse können als Signale für eine adäquate Anpassung an den Klimawandel betrachtet werden.

Zum fünften Jahrestag der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens am 12. Dezember wird ein digitaler „Climate Ambition Summit“ stattfinden. Großbritannien lädt in Kooperation mit den UN, Frankreich, Chile und Italien alle Unterzeichnerstaaten des Abkommens dazu ein und fordert sie auf, noch ehrgeizigere Zusagen vorzustellen. Denn der Klimawandel macht auch vor der Corona-Pandemie nicht halt und die Zeit für gemeinsames Handeln ist jetzt. Auch ohne die COP26 im November: die Selbstverantwortung bleibt.

Carolin Funcke


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