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Deutsche Unternehmen, die Uiguren und das Lieferkettengesetz

Just als sich die Berichterstattung über die Lage der Uiguren in China zuspitzt, hat die deutsche Regierung den Entwurf für ein neues Lieferkettengesetz hervorgebracht. Was beinhaltet es und wird es die Mittäterschaft deutscher Unternehmen an den Menschenrechtsverletzungen in Zukunft verhindern?

Ein voll bepacktes Containerschiff
Ohne Containerschiffe gäbe es die Globalisierung nicht - und keine globalen Lieferketten. Foto: Andi Graf / Pixabay

Im Mai 2021 hat der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages einen Bericht veröffentlicht, in welchem, nach vorsichtiger Abwägung, das Vorgehen Chinas gegen die Minderheit der Uiguren als Völkermord qualifiziert wird. Doch neben der chinesischen Regierung ist auch eine ganze Reihe an Unternehmen, darunter auch deutsche, in diese menschenverachtenden Praktiken verwickelt. Die Uiguren sind eine Bevölkerungsgruppe in China, der in etwa 10 Millionen Menschen angehören. Im Gegensatz zum Großteil der chinesischen Bevölkerung, den Han-Chinesen, sind die Uiguren muslimischen Glaubens.  Die Mehrheit von Ihnen lebt im Nordwesten des Landes, in der autonomen Region Xinjiang. Von der chinesischen Regierung werden sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit als Extremisten angesehen. Diesen Vorwand nutzt die chinesische Regierung, um durch die Anwendung menschenrechtswidriger Praktiken die Uiguren ihrer Religion zu entziehen und ihnen die Han-Kultur aufzuerlegen.

In den vergangenen Wochen und Monaten stieg die Anzahl der Schlagzeilen mit Bezug zur Lage der ethnischen Minderheit der Uiguren in China stark. Sowohl in Deutschland als auch international hat das Thema an Aufmerksamkeit gewonnen. Berichten zufolge werden Mitglieder der Uiguren Minderheit in China in Umerziehungslagern interniert. Grobe Menschenrechtsverletzungen, die ihnen dort widerfahren reichen von sexuellem Missbrauch über psychischer Gewaltanwendung, bis hin zu Zwangsarbeit. Im Frühjahr 2020 veröffentlichte das Australian Strategic Policy Institute einschlägige Beweise dafür, dass weltbekannte Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen, mit Produktionsstätten in China, Uiguren in ihren Arbeitsstätten für sie arbeiten lassen und somit Teil der groben Menschenrechtsverletzungen sind, die dieser Bevölkerungsgruppe widerfahren. Unter diesen Unternehmen befinden sich Samsung, Apple, Patagonia, Zara oder auch amazon.com. Auch deutsche Unternehmen sind unter ihnen zu finden, unter anderem Adidas, BASF und Volkswagen.

Schwere Menschenrechtsverletzungen als Folge der Globalisierung

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in der Unternehmerwelt der Trend durchgesetzt, Lieferketten aus wirtschaftlichen Interessen heraus in Länder des Globalen Südens zu verlagern. Neben wirtschaftlichen Vorteilen für die Unternehmen, birgt diese Praxis allerdings auch Risiken für Mensch und Natur. Die ethnische Minderheit der Uiguren ist das extreme Beispiel schlechthin, das uns aufzeigt, wie ausländische Unternehmen in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sein können. Im weitesten Sinne kann der missbräuchliche Einsatz der Uiguren als Zwangsarbeiter, neben der menschenverachtenden Politik Chinas auch als Konsequenz der fortschreitenden Globalisierung verstanden werden.

Als Reaktion auf die groben Menschenrechtsverletzungen hat die Europäische Union im März 2021 Sanktionen gegen China verhängt und UN Menschenrechtsexperten haben die Situation als extrem besorgniserregend eingestuft. Die verhängten Sanktionen, die Stellungnahme der UN, sowie die zunehmende mediale Berichterstattung kommen zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland einen Gesetzentwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz, auch Lieferkettengesetz genannt, auf den Weg gebracht hat. Betrachtet man die Rolle deutscher Unternehmen an diesen gravierenden Menschenrechtsverletzungen in China, so lasten auf den Schultern des neuen Gesetzentwurfes große Erwartungen, tiefgreifende Änderungen zu bewirken.

Von den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte hin zum Lieferkettengesetz

Diese negativen Folgen der Globalisierung sind den Vereinten Nationen allerdings nicht entgangen. Bereits im Jahr 2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Auf Grundlage dieser Leitprinzipien wurde in Deutschland der Nationale Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“ verabschiedet, der nun die Basis für den Entwurf des neuen Lieferkettengesetzes bildet und deutsche Unternehmen in die Pflicht nehmen soll, ihre Sorgfaltspflichten wahrzunehmen. 

 Im März hat die Bundesregierung den langersehnten Gesetzentwurf für ein Sorgfaltspflichtengesetz vorgelegt. Dieses Lieferkettengesetz verpflichtet deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden ihre Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferkette wahrzunehmen. Zu diesen Sorgfaltspflichten zählt beispielsweise die Einhaltung von Menschenrechten. Neben diesen Vorgaben enthält der Gesetzentwurf auch einen Bußgeldkatalog im Falle der Nichteinhaltung. Aus einer Laienperspektive erscheint dieser Gesetzentwurf fortschrittlich. Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Expertinnen und Experten, stehen diesem kritisch gegenüber. Während die Unternehmerseite fürchtet, für Vorfälle verantwortlich gemacht zu werden, die am anderen Ende der Lieferkette entstehen, fürchten Expertinnen und Experten, dass der Gesetzentwurf zu lax ist und nicht genügend Unternehmen in die Pflicht nimmt. Immerhin finden diese Regelungen erst für Unternehmen ab einer Größe von 3.000 Mitarbeitenden Anwendung.

Deutsche Unternehmen und das Lieferkettengesetz

Die jüngsten Geschehnisse in China und die Rolle deutscher Unternehmen an den menschenverachtenden Verbrechen unterstreicht somit nur die Relevanz dieses Lieferkettengesetzes. Trotz anhaltender Kritik überwiegt die Hoffnung, dass deutsche Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Verantwortung bewusst und gerechter werden und ihren Verpflichtungen nachkommen. Inwiefern und in welchem Ausmaß sich Unternehmen allerdings an ihre Sorgfaltspflichten halten, ist letztendlich nicht absehbar und stellt somit auch den Erfolgsfaktor des Gesetzentwurfes in Frage. Klar ist, dass Unternehmen, die weiterhin auf die Zwangsarbeit der Uiguren setzen, an den Verbrechen der chinesischen Regierung beteiligt sind.

Roxane Kulenkamp


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