Die COP16 im Naturparadies zwischen bewaffnetem Konflikt und Raubbau
Die Konferenz, die über 23.000 Personen aus 196 Ländern zusammenbringt, steht unter dem Motto „Frieden mit der Natur“. Ziel der 16. Konferenz der Vertragsstaaten (COP16) zur Konvention über biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) ist es, Maßnahmen zur Eindämmung des Artensterbens zu entwickeln und umzusetzen. Der Fokus liegt dabei auf der Umsetzung der Vereinbarungen, die vor zwei Jahren auf der letzten Gipfelkonferenz getroffen wurden. Inmitten einer weltweiten Biodiversitätskrise wird die Verbindung zwischen Umweltschutz und Menschenrechten stärker betont, wobei erstmals ein besonderer Schwerpunkt auf indigene und afrokolumbianische Gemeinschaften gelegt wird.
Die Biodiversität, also die Vielfalt an Ökosystemen, Arten und genetischen Ressourcen, ist unverzichtbar für die menschliche Existenz. Sie liefert Nahrung, Trinkwasser und Medizin, bietet Schutz vor Naturkatastrophen und reguliert das Klima. Kolumbien, das etwa 10 % der weltweiten Artenvielfalt beherbergt, gehört zu den artenreichsten Ländern der Welt. Doch die biologische Vielfalt ist bedroht: Mehr als 163.000 Arten stehen auf der Roten Liste der Internationalen Union für die Erhaltung der Natur (International Union for Conservation of Nature – IUCN), davon über 45.300 vom Aussterben bedroht.
Konflikt als Treiber für Umweltschäden
Kolumbien gehört nicht nur zu den artenreichsten Ländern der Welt, sondern ist auch Schauplatz anhaltender bewaffneter Konflikte, an denen derzeit über sieben bewaffnete Gruppen beteiligt sind. Diese seit mehr als 50 Jahren andauernden Auseinandersetzungen, begleitet von Angriffen auf Ölanlagen und massivem Drogenanbau, belasten die Umwelt erheblich und gefährden den Artenschutz.
Während die Regierung Fortschritte bei der Umsetzung des Friedensabkommens erzielt, verschärfen sich in ländlichen Gebieten die Kämpfe um Kontrolle über Land und Bodenschätze. Die kolumbianische Sonderjustiz für den Frieden hat die Natur als das "stille Opfer" des Konflikts bezeichnet und Flüsse wie den Río Cauca, der durch Cali fließt, als geschädigte Opfer anerkannt. Im Durchschnitt ereignet sich alle drei Tage ein gravierender Umweltvorfall in Kolumbien, der durch bewaffnete Gruppen verursacht wird, erklärte die Institution in der ersten Woche der COP16.
Kolumbiens Präsident Gustavo Petro, der den Umweltschutz zu einem zentralen Anliegen seiner Regierung gemacht hat, sieht die Konferenz als Gelegenheit, globale Maßnahmen zum Schutz der Natur zu fördern. Er fordert, dass Länder Auslandsschulden gegen Umweltinvestitionen eintauschen und setzt sich für die internationale Kooperation zum Schutz des Amazonas ein. Trotz erfolgreicher Schutzmaßnahmen, wie der Reduzierung der Abholzung um 30% im vergangenen Jahr, zeigen jüngste Berichte, dass weiterhin erhebliche Probleme bestehen.
Aktivistinnen und Aktivisten leben in ständiger Angst
Ein zentraler Aspekt ist die Einbindung indigener Gemeinschaften, die traditionelles Wissen zum Schutz ihrer Territorien beitragen. Ein auf der COP16 vorgestellter Bericht warnt davor, dass die internationale Finanzierung für Organisationen indigener Frauen, die sich für den Erhalt der biologischen Vielfalt einsetzen, gering ist. Indigene und afro-indigene Frauen erhalten weniger als 1 % der Mittel für den Schutz der Umwelt. Auch deshalb gingen Indigene aus ganz Kolumbien am ersten Tag der Konferenz in einem Protestmarsch auf die Straßen Calis. Sie fordern direkte Gelder für den Schutz ihrer Gebiete. Indigene geraten immer häufiger ins Fadenkreuz bewaffneter Akteure, die in Kolumbiens unerschlossenen Gebieten illegal tätig sind und Gewalt einsetzen, um ihre wirtschaftlichen Interessen zu sichern. Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen verstärkt zudem Umweltprobleme wie Entwaldung und Verschmutzung, was sowohl die Ökosysteme als auch die Lebensgrundlagen der ansässigen Bevölkerung bedroht. Hinzukommt die Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Steinkohle durch multinationale Unternehmen – von der auch Deutschland profitiert –, die Gewässer verschmutzen und erhebliche Gesundheitsschäden in indigenen Gemeinschaften verursachen.
Besonders der Amazonasregenwald, der etwa ein Drittel der kolumbianischen Landesfläche ausmacht, ist von zentraler Bedeutung für den globalen Klimaschutz und ein Ort, an dem Menschen, die sich für Umweltschutz einsetzen, der Tod droht. Präsident Petro kritisierte bei der Einführungsveranstaltung der COP16 die Auswirkungen der Agrarindustrie auf die Landnutzung und das Leben dieser Gemeinschaften, insbesondere in der Region rundum Cali, wo der Zuckerrohranbau die ländliche Bevölkerung verdrängt hat.
Die indigene Bevölkerung ist oft Opfer von Menschenrechtsverletzungen, die mit Umweltzerstörung durch illegale Abholzung, Bergbau und Großprojekte einhergehen. Trotz Kolumbiens Beitritt zum regionalen Abkommen von Escazú, das den Schutz von Umweltaktivisten gewährleistet, bleibt die Gewalt gegen Umweltschützer alarmierend hoch. Allein im vergangenen Jahr wurden in Kolumbien 60 Umweltaktivistinnen und -aktivisten ermordet – mehr als in jedem anderen Land.
Wird die Artenschutzkonferenz wirklich ernst genommen?
Die COP16 ist das bedeutendste Treffen zum Artenschutz weltweit. Die Teilnehmer beraten aktuell über einen neuen Fahrplan zur Umsetzung des 2022 beschlossenen Globalen Biodiversitätsrahmen von Kunming-Montreal, ein globales Abkommen, das die Aussterberate um das Zehnfache senken und 30 % der geschädigten Ökosysteme bis 2030 renaturieren will. Allerdings haben rund 80 % der teilnehmenden Länder noch keine klaren Pläne zur Umsetzung des Abkommens erstellt, auch Deutschland nicht. Da bei vielen Teilnehmerländer seit der letzten COP nur wenig passiert ist, rückt dieses Ziel in die Ferne. Ein weiteres zentrales Thema ist das UN-Abkommen zur Beendigung der Plastikverschmutzung, das ebenfalls auf der Konferenz finalisiert werden soll.
Die internationale Gemeinschaft steht vor der Herausforderung, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, besonders hapert es an der Bereitstellung nötiger Gelder. Die Länder des Globalen Südens, die oft über weniger finanzielle Ressourcen verfügen, drängen auf mehr Unterstützung, um ihre Ziele im Naturschutz zu erreichen.
Trotz der alarmierenden Lage gibt es auch Hoffnung. Kolumbiens Erfolge bei der Reduzierung der Abholzung und die Bereitschaft, den Umweltschutz als zentrales Anliegen zu betrachten, zeigen, dass Fortschritte möglich sind. Die COP16 bietet die Gelegenheit, globale Maßnahmen zu verstärken und gleichzeitig die Rechte und Bedürfnisse derjenigen anzuerkennen, die direkt vom Verlust der Biodiversität betroffen sind. Die Gespräche und Berichte haben zumindest dafür geführt, dass die kolumbianische Bevölkerung aufmerksamer auf das Thema Artenvielfalt geworden ist.
Letztlich hängt der Erfolg der Konferenz davon ab, ob es den Teilnehmern gelingt, die ökologischen, sozialen und ökonomischen Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Die Verbindung von Artenschutz, Menschenrechten und Umweltaktivismus sind der Schlüssel, um eine nachhaltige Zukunft für kommende Generationen zu sichern.
Sara Meyer