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Die COP16 im Na­tur­para­dies zwischen be­waf­fne­tem Kon­flikt und Raub­bau

Vom 21. Oktober bis zum 1. November findet die 16. UN-Arten­schutz­konferenz (COP16) im kolum­bia­nischen Cali statt. Die Standort­wahl ist kein Zufall: Cali gilt unter anderem als “Stadt der Vögel”.

Der kolumbianische Páramo ist eine nebelverhangene Hochlandlandschaft mit Mooren, Frailejón-Pflanzen und Lagunen, die eine Schlüsselrolle im Wasserkreislauf spielen.
Der kolumbianische Páramo ist eine nebelverhangene Hochlandlandschaft mit Mooren, Frailejón-Pflanzen und Lagunen, die eine Schlüsselrolle im Wasserkreislauf spielen. (Foto: Sara Meyer)

Die Konferenz, die über 23.000 Personen aus 196 Ländern zu­sammen­bringt, steht unter dem Motto „Frieden mit der Natur“. Ziel der 16. Konferenz der Ver­trags­staaten (COP16) zur Konvention über bio­logische Vielfalt (Convention on Biological Diversity – CBD) ist es, Maß­nahmen zur Eindäm­mung des Arten­sterbens zu entwickeln und umzu­setzen. Der Fokus liegt dabei auf der Umsetzung der Verein­barungen, die vor zwei Jahren auf der letzten Gipfel­konferenz getroffen wurden. Inmitten einer weltweiten Bio­diversitäts­krise wird die Verbindung zwischen Umwelt­schutz und Menschen­rechten stärker betont, wobei erstmals ein besonderer Schwerpunkt auf indigene und afro­kolum­bia­nische Gemein­schaften gelegt wird.

Die Biodiver­sität, also die Vielfalt an Ökosys­temen, Arten und gene­tischen Res­sourcen, ist unverzichtbar für die menschliche Existenz. Sie liefert Nahrung, Trink­wasser und Medizin, bietet Schutz vor Natur­katas­trophen und reguliert das Klima. Kolumbien, das etwa 10 % der weltweiten Arten­vielfalt beher­bergt, gehört zu den artenreich­sten Ländern der Welt. Doch die biologische Vielfalt ist bedroht: Mehr als 163.000 Arten stehen auf der Roten Liste der Inter­natio­nalen Union für die Erhaltung der Natur (Inter­national Union for Conser­vation of Nature – IUCN), davon über 45.300 vom Aus­sterben bedroht. 

Konflikt als Treiber für Um­welt­schä­den

Kolumbien gehört nicht nur zu den arten­reichs­ten Ländern der Welt, sondern ist auch Schau­platz anhaltender bewaffneter Konflikte, an denen derzeit über sieben bewaffnete Gruppen beteiligt sind. Diese seit mehr als 50 Jahren andauernden Aus­einander­setzungen, begleitet von Angriffen auf Ölan­lagen und massivem Drogen­anbau, belasten die Umwelt erheblich und gefährden den Arten­schutz. 

Während die Regierung Fortschritte bei der Um­setzung des Friedens­abkom­mens erzielt, verschärfen sich in ländlichen Gebieten die Kämpfe um Kontrolle über Land und Boden­schätze. Die kolum­bianische Sonder­justiz für den Frieden hat die Natur als das "stille Opfer" des Konflikts bezeichnet und Flüsse wie den Río Cauca, der durch Cali fließt, als geschä­digte Opfer aner­kannt. Im Durch­schnitt ereignet sich alle drei Tage ein gravie­render Umwelt­vorfall in Kolumbien, der durch bewaf­fnete Gruppen verursacht wird, erklärte die Institution in der ersten Woche der COP16.

Kolumbiens Präsident Gustavo Petro, der den Umwelt­schutz zu einem zentralen Anliegen seiner Regierung gemacht hat, sieht die Konferenz als Gelegen­heit, globale Maßnahmen zum Schutz der Natur zu fördern. Er fordert, dass Länder Aus­lands­schulden gegen Umwelt­investitio­nen eintauschen und setzt sich für die inter­nationale Koope­ration zum Schutz des Amazonas ein. Trotz erfolgreicher Schutzmaß­nahmen, wie der Reduzierung der Abholzung um 30% im vergangenen Jahr, zeigen jüngste Berichte, dass weiterhin erhebliche Probleme bestehen. 

Aktivis­tinnen und Ak­tivis­ten leben in stän­diger Angst 

Ein zentraler Aspekt ist die Einbin­dung indigener Gemein­schaften, die traditionelles Wissen zum Schutz ihrer Territorien beitragen. Ein auf der COP16 vorge­stellter Bericht warnt davor, dass die inter­natio­nale Finanzierung für Organi­sationen indi­gener Frauen, die sich für den Erhalt der biolo­gischen Viel­falt einsetzen, gering ist. Indigene und afro-in­digene Frauen erhalten weniger als 1 % der Mittel für den Schutz der Umwelt. Auch deshalb gingen Indigene aus ganz Kolum­bien am ersten Tag der Konferenz in einem Protest­marsch auf die Straßen Calis. Sie fordern direkte Gelder für den Schutz ihrer Gebiete. Indi­gene geraten immer häufiger ins Faden­kreuz bewaffneter Akteure, die in Kolumbiens unerschlos­senen Gebieten illegal tätig sind und Gewalt einsetzen, um ihre wirtschaft­lichen Interessen zu sichern. Die Ausbeutung natürlicher Ressourcen verstärkt zudem Umwelt­probleme wie Entwaldung und Verschmutzung, was sowohl die Ökosysteme als auch die Lebens­grund­lagen der ansässigen Bevölkerung bedroht. Hinzukommt die Ausbeutung natürlicher Ressourcen wie Steinkohle durch multi­natio­nale Unternehmen – von der auch Deutschland profitiert –, die Gewässer verschmutzen und erheb­liche Gesundheits­schäden in indigenen Gemein­schaften verursachen. 

Besonders der Ama­zonas­regenwald, der etwa ein Drittel der kolum­bianischen Landes­fläche ausmacht, ist von zentraler Bedeutung für den globalen Klima­schutz und ein Ort, an dem Menschen, die sich für Umwelt­schutz einsetzen, der Tod droht. Präsident Petro kritisierte bei der Einführungs­veran­staltung der COP16 die Auswir­kungen der Agrar­industrie auf die Landnutzung und das Leben dieser Gemein­schaften, insbesondere in der Region rundum Cali, wo der Zucker­rohran­bau die ländliche Bevölkerung verdrängt hat.

Die indigene Bevölkerung ist oft Opfer von Men­schenrechts­verletzungen, die mit Um­weltzer­störung durch illegale Abholzung, Bergbau und Groß­projekte einhergehen. Trotz Kolumbiens Beitritt zum regionalen Abkom­men von Escazú, das den Schutz von Umweltak­tivisten gewähr­leistet, bleibt die Gewalt gegen Umwelt­schützer alarmierend hoch. Allein im vergan­genen Jahr wurden in Kolumbien 60 Um­welt­aktivis­tinnen und -akt­ivis­ten ermordet – mehr als in jedem anderen Land.

Wird die Ar­ten­schutz­konferenz wirklich ernst genom­men?

Die COP16 ist das bedeutendste Treffen zum Artenschutz weltweit. Die Teilnehmer beraten aktuell über einen neuen Fahrplan zur Umsetzung des 2022 beschlossenen Globalen Bio­diversi­täts­rahmen von Kunming-Montreal, ein globales Abkommen, das die Aus­sterberate um das Zehnfache senken und 30 % der geschä­digten Öko­systeme bis 2030 renaturieren will. Allerdings haben rund 80 % der teilneh­menden Länder noch keine klaren Pläne zur Umsetzung des Abkommens erstellt, auch Deutschland nicht. Da bei vielen Teilnehmer­länder seit der letzten COP nur wenig passiert ist, rückt dieses Ziel in die Ferne. Ein weiteres zentrales Thema ist das UN-Abkom­men zur Beendi­gung der Plastikver­schmutzung, das ebenfalls auf der Konferenz finalisiert werden soll.

Die internatio­nale Gemein­schaft steht vor der Herausfor­derung, konkrete Maß­nahmen zu ergreifen, besonders hapert es an der Bereit­stellung nötiger Gelder. Die Länder des Globalen Südens, die oft über weniger finanzielle Res­sourcen verfügen, drängen auf mehr Unter­stützung, um ihre Ziele im Natur­schutz zu erreichen.

Trotz der alar­mierenden Lage gibt es auch Hoffnung. Kolumbiens Erfolge bei der Reduzierung der Abholzung und die Bereitschaft, den Umweltschutz als zentrales Anliegen zu betrachten, zeigen, dass Fortschritte möglich sind. Die COP16 bietet die Gelegen­heit, globale Maß­nahmen zu verstärken und gleichzeitig die Rechte und Bedürfnisse derje­nigen anzuer­kennen, die direkt vom Verlust der Biodi­versität betroffen sind. Die Gespräche und Berichte haben zumindest dafür geführt, dass die kolum­bianische Bevöl­kerung aufmerksamer auf das Thema Arten­vielfalt geworden ist.

Letztlich hängt der Erfolg der Konferenz davon ab, ob es den Teilnehmern gelingt, die ökolo­gischen, sozialen und ökono­mischen Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Die Verbindung von Arten­schutz, Menschen­rechten und Um­weltak­tivismus sind der Schlüssel, um eine nachhaltige Zukunft für kommende Generatio­nen zu sichern.

Sara Meyer


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