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Drohende Ölkatastrophe im Roten Meer: Letzter Rettungsanker UN

Die mit Unmengen Rohöl beladene ‚FSO Safer‘ rottet seit Jahren vor der Küste des Jemen vor sich hin. Jederzeit droht sie auseinanderzubrechen oder zu explodieren. Ein von den UN gekauftes Tankschiff soll ab Mai eine Umweltkatastrophe verhindern. Zur Rettungsaktion fehlen noch 24 Millionen Euro.

Aufgrund ihres Zustands besteht die unmittelbare Gefahr, dass die FSO Safer explodiert oder auseinanderbricht. (Foto: Holm Akhdar)

Etwa neun Kilometer trennen die ‚FSO Safer‘ von der jemenitischen Halbinsel Ras Issa. Doch das mit rund 175 Millionen Liter Rohöl beladene Schiff ist alles andere als ‚safe‘. Seit 1988 liegt der Tanker vor der Küste des Jemen im Roten Meer, seit Ausbruch des Bürgerkriegs Ende 2014/Anfang 2015 wurde er nicht mehr gewartet. Bis 2015 diente er als ‚Floating Storage and Offloading Terminal‘, also dazu, das in den Ölfeldern von Marib geförderte Rohöl auf andere Schiffe zu verladen. Den Witterungsbedingungen ausgesetzt, droht der marode Tanker jederzeit auseinanderzubrechen oder zu explodieren – mit verheerenden Auswirkungen für die ohnehin stark vom Krieg gebeutelte Region: Mit rund 360 Metern Länge und 70 Metern Breite ist das Schiff größer als drei Fußballfelder und lagert nach Angaben der UN fast viermal so viel Öl wie 1989 aus dem Tanker ‚Exxon Valdez‘ austrat, als das Schiff vor Alaska auf Grund lief.

Rettung in Sicht? Im Mai sollten die Abpumparbeiten beginnen

Weil sich die Konfliktparteien im Jemen seit Jahren um die Ladung der FSO Safer streiten, haben die Vereinten Nationen lange nach einer Lösung gesucht. David Gressly, Residierender Koordinator der Vereinten Nationen für den Jemen, hat seit September 2021 Bemühungen der UN vorangetrieben, eine mögliche Katastrophe abzuwenden. Nach langen Verhandlungen stimmten die Huthis und die jemenitische Regierung im März 2022 einem von den UN koordinierten, zweistufigen Rettungsplan zur Bergung des Öls zu.

Jetzt ist ein wichtiger Schritt gelungen: Am 9. März 2023 hat das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) die ‚Ndeavor‘, ein sehr großes Öltankschiff (engl. ‚Very Large Crude Carrier‘) der Gesellschaft EURONAV Luxemburg, gekauft. Die Ndeavor soll in der ersten Phase der Rettungsoperation mehr als 150 Millionen Liter Öl von der maroden FSO Safer abpumpen. UNDP-Chef Achim Steiner spricht von einem „größeren Durchbruch“ und freut sich über den „Beginn der operativen Phase“ des UN-Rettungsplans.

Zur sicheren Bergung des Öls und zur Vorbereitung der Abschleppung des maroden Tankers hat UNDP am 19. April das weltweit führende, niederländische Bergungsunternehmen SMIT Salvage beauftragt. Die Ndeavor ist auf dem Weg ins Rote Meer und soll bald in Dschibuti im Roten Meer ankommen, das nur wenige Kilometer von der FSO Safer liegt. Die Route der Ndeavor kann live verfolgt werden. In Dschibuti trifft die Bergungsmannschaft die letzten Vorbereitungen, inspiziert das Schiff und macht es sicher für den Einsatz. Im Mai soll die Ndeavor mit dem Abpumpen des Öls von Schiff zu Schiff beginnen, nach vollständiger Entleerung soll die ‚Safer‘ abgeschleppt und sicher entsorgt werden.

Finanzlücke von fast 24 Millionen Dollar

Es ist ein großer Erfolg, dass das Rettungsprojekt starten konnte, jedoch werden für die sichere Bergung des Öls dringend weitere Finanzmittel benötigt. Im Frühjahr 2022 ist die Mission bei einer Geberkonferenz auf große internationale Unterstützung gestoßen: Die UN haben 100 Millionen US-Dollar gesammelt, von denen bis Dezember 2022 75 Millionen eingegangen sind. Die Kosten für die Mission, die vor allem durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine noch einmal gestiegen sind, werden auf insgesamt 148 Millionen Dollar geschätzt – 129 Millionen für die Bergung des Rohöls und 19 Millionen für die zweite Phase, die unter anderem das Abschleppen und Verschrotten der Safer beinhaltet. Dazu fehlen noch fast 24 Millionen Dollar. Bei einer virtuellen Geberkonferenz am 4. Mai kamen gerade einmal 5,6 Millionen Dollar zusammen. Weiterhin sollen 500 000 Dollar über eine Crowdfunding-Kampagne dazukommen. Die UN haben auch den privaten Sektor und eine Reihe von Unternehmen um finanzielle Unterstützung gebeten.

Ölkonzerne verweigern die Verantwortung

Große multinationale Ölunternehmen, darunter ExxonMobil, OMV oder TotalEnergies nutzten die Safer noch bis 2015 als Ölterminal. Obwohl sie laut einer Untersuchung von Greenpeace International für das Öl an Bord verantwortlich sind und zudem im ersten und zweiten Quartal 2022 Rekordgewinne in Milliardenhöhe zu verzeichnen hatten, haben sie bei der Geberkonferenz im Frühjahr 2022 keine Mittel zur Umsetzung der bereits ausgehandelten Rettungsoperation bereitgestellt.  

Katastrophale Aussicht

Durch den jahrelangen Bürgerkrieg befindet sich Jemen ohnehin schon in einer massiven humanitären Krise – rund 17 Millionen Menschen sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die ökologischen, humanitären und wirtschaftlichen Auswirkungen einer Havarie der FSO Safer wären eine zusätzliche Katastrophe. Laut Schätzungen der UN wären zwölf Millionen Menschen von Umwelt- und Gesundheitsschäden direkt betroffen. Die Schließung von Entsalzungsanlagen könnte Millionen von Menschen vom Trinkwasser abschneiden. Bei einem Leck würde das Öl über Hunderte von Kilometern bis an die Küsten von Saudi-Arabien, Eritrea, Dschibuti und Somalia gelangen und Riffe, Küstenmangroven und Meereslebewesen im gesamten Roten Meer für Jahrzehnte zerstören. Die Küstengemeinden wären am stärksten getroffen. Ein größerer Ölteppich könnte über Nacht rund 200 000 Fischereiexistenzen auslöschen. Es würde 25 Jahre dauern, bis sich die Fischbestände wieder erholen.

Die Häfen von Hodeidah und Saleef,  über die ein Großteil von Lebensmitteln, Treibstoff, Hilfsgüter und Medikamente in den Jemen gelangt, könnten nicht mehr angesteuert werden. Allein die Reinigungsarbeiten des durch das Öl verpesteten Wassers würden 20 Milliarden Euro kosten – dagegen sind die Kosten der Rettungsmission ein Klacks.

Alexa Knapp


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