Gefährliche Stoffe im Visier: Weltgemeinschaft schärft Regeln für Chemikalien und Abfälle nach

Logo der drei COPs (Foto: BRS Conventions/Kiara Worth/flickr/CC BY-NC-SA 2.0/"Around the venue")
Die internationale Gemeinschaft nahm einen wichtigen Schritt im sicheren Umgang mit Chemikalien: Anfang Mai einigten sich die Vertragsstaaten des Stockholmer Übereinkommens über persistente organische Schadstoffe (Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants) in Genf darauf, Chlorpyrifos weltweit zu beseitigen. Das Pestizid wurde unter anderem beim Anbau von Zitrusfrüchten, Tee und anderen Lebensmitteln eingesetzt. EU-weit ist die Chemikalie zwar seit 2020 verboten. Dennoch kam es hierzulande vereinzelt zu Produktrückrufen, etwa bei Reis oder Olivenöl, weil Rückstände des hochgiftigen Stoffs gefunden wurden. Chlorpyrifos kann schon in sehr geringen Mengen die Gehirnentwicklung bei Kindern beeinträchtigen und auch bei Erwachsenen zu Vergiftungserscheinungen führen.
Neben Chlorpyrifos einigten sich die Staaten in Genf auch darauf, mittelkettige Chlorparaffine (MCCPs) auf die Verbotsliste zu setzen. Die Industrie nutzt diese Chemikalien unter anderem in PVC-Kunststoffen, Farben und Dichtmitteln. Auch langkettige Perfluorcarbonsäuren (LC-PFCAs), eine Untergruppe der sogenannten ‚Ewigkeitschemikalien‘ PFAS, sollen künftig weltweit verbannt werden. Sie kommen etwa in Lebensmittelverpackungen oder Feuerlöschschäumen zum Einsatz.
Das Stockholmer Übereinkommen ist ein weltweites Abkommen zum Schutz von Mensch und Umwelt vor besonders langlebigen Schadstoffen, den Persistent Organic Pollutants (POPs). Seit 2004 verpflichtet es die Vertragsstaaten, Chemikalien, die sich in Organismen anreichern und weltweit verbreiten, zu verbieten oder stark zu begrenzen. 34 Stoffe sind derzeit in Anhang A genannt.
Neue Chemikalien in die Stockholmer Konvention aufgenommen
Im Vorfeld der Konferenz hatte das wissenschaftliche Expertengremium der Stockholmer Konvention (Persistent Organic Pollutants Review Committee - POPRC) empfohlen, alle drei Chemikalien wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung nicht länger zuzulassen. Dennoch wurden auf der Konferenz zahlreiche Ausnahmeregelungen vorgeschlagen, was die Verhandlungen erheblich erschwerte und für Unruhe unter den Delegierten sorgte. Am Ende konnte jedoch eine Einigung erzielt werden.
„Es war ermutigend zu sehen, wie Vertragsstaaten Führungsstärke zeigten und sich für langfristigen Schutz statt kurzfristiger Eigeninteressen einsetzten“, sagte Giulia Carlini, Leiterin für Umwelt und Gesundheit der Nichtregierungsorganisation Center for International Environmental Law (CIEL). In Genf hätten Staaten Maßnahmen beschlossen, für die sie zum Teil jahrelang gekämpft hätten. Solche Erfolge, so Carlini, zeigten, dass multilaterale Zusammenarbeit funktioniere und Wirkung entfalte.
Aufweichen des Abkommens knapp verhindert
Doch es gab auch Rückschritte: Für die Chemikalie UV-328, die 2023 in die Stockholmer Übereinkommen aufgenommen wurde, wurde eine Ausnahme eingeräumt. Der Lichtstabilisator, der vor allem in Kunststoffen verwendet wird, darf in kleiner Menge weiter bis 2030 in der Luftfahrt eingesetzt werden. Fachleute warnten vor einem Präzedenzfall. Es könne der Eindruck entstehen, ein einmal beschlossenes Verbot könne später wieder aufgeweicht werden. Um dem entgegenzuwirken, hielten die Staaten im Beschluss fest, dass es sich um einen außergewöhnlichen Einzelfall mit sehr geringen Mengen handelt.
Chemikalien nicht ausreichend reguliert
34 Stoffe werden in Anhang A des Stockholm-Übereinkommens genannt – nur ein Bruchteil aller gefährlichen Stoffe. Laut einem Bericht des UN-Umweltprogramms (United Nations Environment Programme - UNEP) sind weltweit schätzungsweise 40.000 bis 60.000 Industriechemikalien im Umlauf. Der Grund: Immer mehr chemieintensive Produkte wie Smartphones, Möbel oder Kosmetika kommen auf den Markt. Zwar machen nur rund 6.000 dieser Stoffe den Großteil des weltweiten Chemikalienvolumens aus, doch viele dieser Substanzen – ebenso wie die daraus entstehenden Abfälle – sind hochproblematisch. Sie können giftig, krebserregend oder hormonell wirksam sein, Böden und Gewässer belasten und gravierende Schäden für Umwelt und Gesundheit verursachen. Weil sie oft nicht ausreichend reguliert oder kontrolliert werden, bleibt ihr Risiko vielerorts unsichtbar – jedoch mit teils weitreichenden Folgen.
Bei den zweiwöchigen Verhandlungen, die bis zum 9. Mai dauerten, ging es neben dem Verbot von langleben Schadstoffen auch um den internationalen Handel mit gefährlichen Chemikalien (Rotterdamer Übereinkommen) sowie den Im- und Export gefährlicher Abfälle (Basler Übereinkommen). Obwohl jedes der drei Übereinkommen eigenständig ist, verfolgen sie gemeinsam das Ziel, Schäden durch Chemikalien für Gesundheit und Umwelt zu mindern. Alle zwei Jahre finden die Konferenzen der Vertragsstaaten deshalb zusammen statt.
Konvention zum Handel um zwei Chemikalien erweitert
Das Rotterdamer Übereinkommen soll den Handel mit gefährlichen Chemikalien und Pestiziden sicherer machen. Sie verpflichtet inzwischen 167 Staaten, Informationen bereitzustellen und Importe nur mit vorheriger Zustimmung (‚Prior Informed Consent‘) zuzulassen – ein wichtiges Verfahren vor allem für Länder mit begrenzten Ressourcen zur Chemikalienbewertung.
Längst wird jedoch über den Sinn des Rotterdamer Übereinkommens gestritten, da größere Organisationen den Einflussbereich des Abkommens überlagern. So stuft etwa die UN-Ernährungsorganisation FAO alle Pestizide, die in Anhang III des Rotterdamer Übereinkommens gelistet sind, als besonders gefährlich ein.
Umso überraschender war, dass die Delegierten in Genf nach jahrelangen Auseinandersetzungen zwei Pestizide – Fenthion und Carbosulfan – neu in die Konvention aufnahmen. Acht weitere Chemikalien, darunter Asbest, Methylbromid, Quecksilber und Chlorpyrifos, wurden hingegen erneut vertagt – obwohl sie in anderen Abkommen bereits verboten sind. Besonders unverständlich schien, dass Chlorpyrifos zwar wenige Tage zuvor im Rahmen der Stockholmer Übereinkommen weltweit verboten wurde, sich die Staaten unter Rotterdam aber nicht auf einen Informationsaustausch zum Handel einigen konnten.
Geringe Fortschritte beim grenzüberschreitenden Chemikalien-Transport
Als umfassendstes internationales Umweltabkommen im Bereich gefährlicher Abfälle gilt das 1989 geschlossene Basler Übereinkommen über den grenzüberschreiten Transport von Abfällen, die mit 191 Vertragsstaaten nahezu universell anerkannt ist.
Die geplante Überarbeitung von Anhang IV des Basler Übereinkommens sollte eigentlich mehr Klarheit bei der Abfallverwertung schaffen – etwa beim offenen Verbrennen oder beim Export scheinbar reparierbarer Geräte wie defekter Elektrogeräte. In beiden Streitfragen konnten sich die Staaten nicht einigen; die Diskussion über mögliche Schlupflöcher und fragwürdige Entsorgungspraktiken wurde auf das nächste Treffen vertagt. Außerdem haben die Staaten einen neuen Arbeitsbereich zu gebrauchten Textilien und Textilabfällen eingerichtet. Er soll die Auswirkungen des internationalen Handels mit diesen Stoffen untersuchen und mögliche Handlungsoptionen aufzeigen. Auch ein strategischer Rahmen für die Umsetzung des Übereinkommens von 2025 bis 2031 wurde verabschiedet.
Die Konferenz in Genf befasste sich zudem mit der Frage, wie der Globale Chemikalienrahmen vorangebracht werden kann – ein umfassendes Abkommen aus dem Jahr 2023, das den Schutz von Menschen und Umwelt vor den Gefahren durch Chemikalien und Abfälle verbessern soll. Zur Erreichung der darin festgelegten Ziele leisten die Basler, Rotterdamer und Stockholmer Übereinkommen einen zentralen Beitrag.
Sandra Kirchner