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Eine starke Zivilgesellschaft: Trumpf beim Schutz der Menschenrechte

Die Sprecherin für Menschenrechtspolitik der Bundestagsfraktion der Grünen, Margarete Bause, spricht über die aktuelle Menschenrechtspolitik der Bundesregierung und fordert, Deutschland solle auf der Ebene der Vereinten Nationen als starke Stimme für den Menschenrechtsschutz auftreten.

Ein Porträt im Profil von Margarte Bause
„Für uns geht es um ein Menschenrechts-Mainstreaming – ein durchgängiges Konzept in allen Bereichen.“ Bild Margarete Bause, ©Bündnis 90/Die Grünen, © Stefan Kaminski.

Katja Philipps (KP): Frau Bause, auf der Homepage Ihrer Partei ist zu lesen: „Die Universalität und Unteilbarkeit der Menschenrechte ist für uns der rote Faden grüner Politik.“ Finden wir diesen roten Faden auch in der aktuellen Menschenrechtspolitik der Großen Koalition?

Margarete Bause (MB): Leider nicht so, wie wir uns das wünschen würden. Einer unserer größten Kritikpunkte ist die mangelnde Kohärenz zwischen den verschiedenen Politikbereichen und Ministerien. Insgesamt ist die Menschenrechtspolitik der Bundesregierung wenig ambitioniert. Beim Thema Seenotrettung sehe ich sogar eine gravierende Verletzung von Menschenrechten. Im Koalitionsvertrag ist einiges vereinbart, z.B. die Ratifizierung des Zusatzprotokolls zum UN-Sozialpakt – aber passiert ist da seit Monaten nichts.

KP: Sehen Sie ein strukturelles Problem beim Thema Menschenrechtsschutz innerhalb Deutschlands, wenn Sie mangelnde Kohärenz zwischen den Politikbereichen und Institutionen kritisieren?

MB: Das ist ein wichtiger Punkt. Ich schätze die Arbeit der Menschenrechtsbeauftragten Bärbel Kofler sehr, aber ihre Stelle ist personell viel zu dünn ausgestattet. Außerdem ist sie im Auswärtigen Amt angesiedelt, dabei ist Menschenrechtspolitik eine Querschnittsaufgabe, die sich durch alle Bereiche zieht. Deswegen schlagen wir als Grüne vor, das Amt im Bundeskanzleramt anzusiedeln, um die Zuständigkeit auch auf die nationale Menschenrechtspolitik auszuweiten.

KP: Im kürzlich veröffentlichten World Report 2019 fordert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine führende Rolle Deutschlands bei der Verteidigung der Menschenrechte weltweit. Wie kann das im UN-Sicherheitsrat aussehen, in dem Deutschland gerade einen Sitz innehat?

MB: Aus meiner Sicht sollte Deutschland hier drei Themenschwerpunkte setzen: Erstens die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, zweitens die Gleichbehandlung von Frauen in Form einer feministischen Außenpolitik nach schwedischem Vorbild, drittens die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung.

KP: Das heißt, Sie würden den Fokus im Sicherheitsrat nicht konkret auf Menschenrechte legen?

MB: Frauenrechte sind Menschenrechte, die nachhaltigen Entwicklungsziele sind in gewisser Weise in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte abgebildet und Klimaschutz bedeutet das Recht auf Leben, auf Wasser und Nahrung, auf den Erhalt unserer Lebensgrundlagen.

Zwei Männer beugen sich in einem Sitzungssaal zueinander und sprechen. Sie sitzen nebeneinander und sind von hinten zu sehen.
Deutschland und Frankreich widmen beide ihren Vorsitz im UN-Sicherheitsrat der „Stärkung des humanitären Systems“ (UN Photo/Eskinder Debebe).

KP: Die Menschenrechtsituation in Deutschland stand ebenfalls kürzlich im Rahmen des UPR-Verfahrens im UN-Menschenrechtsrat auf dem Prüfstand. Kritisiert wurden insbesondere der Fremdenhass und Rassismus im Alltag. Im World Report von Human Rights Watch wird Bundesinnenminister Horst Seehofer explizit zu den Politikern gezählt, die sich einer Hass- und Spaltungsrhetorik bedienen. Wie können wir dem Rassismus in unserer Gesellschaft begegnen, wenn sich selbst Mitglieder der Bundesregierung einer solchen Rhetorik bedienen?

MB: Es ist ein gravierendes Problem, wenn der Diskurs in Deutschland nach rechts verschoben wird – gerade auch durch Verstärker in demokratischen Parteien oder gar durch Kabinettsmitglieder. Stattdessen müssen wir dem Rassismus entschieden entgegentreten, rassistische Äußerungen oder Taten dürfen keinen Resonanzboden in unserer Gesellschaft finden. Nötig sind Bildungsoffensiven, Anlaufstellen für Opfer von Gewalt im Netz, die Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen gegen Rassismus… es gibt viele Handlungsmöglichkeiten.

KP: Sie haben in einem anderen Zusammenhang gesagt: „Menschenrechte sind nicht nur etwas, was in UN-Deklarationen niedergeschrieben ist, sondern sie finden in unserem Alltag statt. Jeder kann selbst aktiv werden.“ Das passt auch hier sehr gut, oder?

MB: Ganz genau. Wir haben hier in Deutschland eine sehr starke Zivilgesellschaft. Sie ist unser größter Trumpf bei der Verteidigung der Demokratie, beim Kampf gegen Rassismus. Die Politik kann den notwendigen gesetzlichen Rahmen zur Verfügung stellen, aber die Menschen müssen es auch in die eigene Hand nehmen und sagen: Wir stehen für Toleranz, wir lassen unsere Nachbarn nicht beleidigen, wir engagieren uns für Geflüchtete, um nur einige Beispiele zu nennen.

Schwarze Menschen sitzen in einer Reihe nebeneinander auf Plastikstühlen an einem langen Tisch. Die beiden Frauen am Anfang im Fokus tragen Tücher auf dem Kopf und bunte Gewänder
Zivilgesellschaftliche Gruppen (hier in Sierra Leone) spielen beim Menschenrechtsschutz eine große Rolle (UN Photo/Eskinder Debebe).

KP: Im UPR-Verfahren wurde neben dem Rassismus in Deutschland auch der Menschenrechtsschutz im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Aktivitäten kritisiert. Sehen Sie hier ebenfalls Handlungsbedarf?

MB: Unbedingt. Es hat sich gezeigt, dass das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Durchsetzung von Menschenrechten entlang der Lieferkette nicht funktioniert. Deswegen braucht es hier verbindliche gesetzliche Vorgaben. Leider gibt es starke Kräfte in der Bundesregierung, die eben diese verbindlichen Regelungen verhindern wollen. Dabei haben selbst viele Unternehmen längst verstanden, dass es der Wirtschaft insgesamt zugutekommt, wenn alle unter den gleichen Rahmenbedingungen arbeiten. Auch der Außenminister hat kürzlich noch einmal betont, dass Deutschland eine starke Stimme für die Menschenrechte sein soll – wunderbar. Dann sollte man das beim Menschenrechtsschutz in der Wirtschaft  auch endlich anpacken.

KP: Zum Abschluss: Wo stände Deutschland in Sachen Menschenrechtsschutz, wenn die Grünen heute regieren würden?

MB: Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete sind mit uns nicht machbar. Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen weltweit bekämen mehr Schutz durch spezielle Programme und entsprechende Anlaufstellen in unseren Botschaften. Das UN-Zusatzprotokoll zum Sozialpakt und die ILO-Konvention zum Schutz indigener Völker wären ratifiziert. Der Kampf gegen Rassismus hätte oberste Priorität. Insgesamt geht es um ein Menschenrechts-Mainstreaming – ein durchgängiges Konzept in allen Bereichen.

KP: Frau Bause, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Das Interview führte Katja Philipps


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