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Eine zukunftssichere Ernährung ist pflanzenbasiert

Wir alle müssen essen. Aber die Art und Weise, wie wir essen – speziell in Industrieländern – bringt uns und unseren Planeten um, so die neueste Kampagne des UN-Entwicklungsprogramms: Krankheiten aufgrund von Fleisch- und Milchprodukten nehmen zu, während mehr als 820 Millionen Menschen hungern.

Zwei Frauen stehen bis zu den Knien in einem durchfluteten Feld und ernten Pflanzen.
Reisanbau in Vietnam. (UN Photo/Kibae Park)

Alle Menschen gesund und nachhaltig zu ernähren, ist eine der drängendsten globalen Herausforderungen. Obwohl weltweit noch nie mehr Nahrungsmittel pro Kopf produziert wurden als heute, leiden immer noch hunderte Millionen – jeder neunte Mensch – in Ländern des Globalen Südens an Hunger.

Eine zentrale Rolle für die Welternährung spielt die globale Fleisch- und Milchproduktion. Während sich die Weltbevölkerung in den vergangenen fünfzig Jahren verdoppelte, hat sich die Fleischproduktion mehr als verdreifacht, insbesondere durch den Produktionsanstieg der drei größten Fleischproduzenten JBS, Tyson Foods und Cargill. Die Welternährungsorganisation (FAO) schätzt die weltweite Fleischproduktion derzeit auf über 336 Millionen Tonnen im Jahr, das entspricht mehr als 70 Milliarden getöteter Tiere. Der Produktionsanstieg ist rasant: Seit den 1960er Jahren verzeichnet Geflügelfleisch einen Anstieg um 700 Prozent und Schweinefleisch um 290 Prozent.

Doch anstatt mehr Menschen zu ernähren, bringt der Anstieg der globalen Fleisch- und Milchproduktion und die damit verbundene industrielle Massentierhaltung eine komplexe Verflechtung von dramatischen Problemen mit sich. So gefährdet sie in großem Ausmaß die Welternährung, das Klima, die Biodiversität und Weltgesundheit und wirft darüber hinaus grundlegende Fragen der Gerechtigkeit und Moral auf.

 

Fleisch frisst Land

Für kein anderes Konsumgut der Welt wird so viel Land benötigt wie für die Herstellung von Fleisch und Milch. Besonders mit Blick auf die steigende Weltbevölkerung bedroht der globale Fleischkonsum die weltweite Ernährungssicherheit. Die für die Viehzucht und den Futtermittelanbau benötigten Weide- und Ackerflächen machen nahezu 80 Prozent der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche aus, wohingegen der Kalorienbedarf der ganzen Menschheit derzeit nur zu 17 Prozent von Fleisch und tierischen Produkten gedeckt wird.  

Durch die steigende Nachfrage an Fleisch- und Milcherzeugnissen nimmt der Futtermittelanbau und die damit verbundene Nutzung von Ackerflächen und der Wasserverbrauch drastisch zu: Eine Fläche so groß wie Afrika – 20 Millionen Hektar davon in Südamerika – wurden im letzten Jahrzehnt für die industrielle Massentierhaltung verwendet. Allein die Sojaproduktion wurde in den letzten fünfzig Jahren um das Zehnfache gesteigert. Heute werden mehr als 80 Prozent aller Sojabohnen, die Hälfte allen Getreides der Welt und ein Drittel aller gefangenen Fische an sogenannte „Nutztiere“ verfüttert und damit nicht für die unmittelbare Ernährung von Menschen eingesetzt. Dafür werden hunderttausende Tonnen Tierfutter aus Ländern des Globalen Südens in Industrieländer importiert. Darüber hinaus führt der industrielle Futtermittelanbau durch auslaugende Monokulturen, schwere Landmaschinen und Pflanzengifte zu tiefgreifender Schädigung fruchtbarer Böden, was wiederum Ernteerträge langfristig massiv verringert.

 

Fleisch- und Milchindustrie heizen das Klima an

Die industrielle Massentierhaltung gehört zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Nahezu 70 Prozent der direkten Treibhausgasemissionen (CO2, Methan und Lachgas) in der Nahrungsmittelproduktion sind auf tierische Produkte zurückzuführen. Ein wesentlicher Grund für die hohen Treibhausgasemissionen sind die zum großen Teil illegalen Brandrodungen von Tropenwäldern. Laut Weltbank wird 80 Prozent des gerodeten Amazonas-Regenwaldes für den Anbau von Soja-Monokulturen und Viehzucht verwendet. Da Wälder der größte CO2-Speicher der Erde sind, wäre ihr Schutz eines der wirksamsten Mittel gegen den Klimawandel und die Erhaltung der Biodiversität.

Der Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) über Klimawandel und Land enthält eine politische Empfehlung zur Reduzierung des Fleischkonsums. Über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass die pflanzliche Ernährung eine große Chance zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an ihn ist. Wächst die industrielle Massentierhaltung dagegen entsprechend der Prognosen an, wird der gesamte Viehbestand bis 2050 etwa 80 Prozent des Treibhausgasbudgets der Erde verbrauchen. Der IPCC-Bericht folgert, dass ohne eine drastische Veränderungen der globalen Landnutzung und der menschlichen Ernährung das 1,5-Grad-Ziel keineswegs erreicht werden kann.

 

Effekte auf die Weltgesundheit

Studien weisen darauf hin, dass der langfristige Verzehr von rotem, insbesondere verarbeitetem, Fleisch beim Menschen mit einem erhöhten Risiko für die Gesamtsterblichkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Darmkrebs und Typ-2-Diabetes verbunden ist.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor den Gesundheitsrisiken, die aus der industriellen Massentierhaltung resultieren. Weltweit wird eine doppelt so große Menge an Antibiotika routinemäßig in der Viehzucht eingesetzt, wie zur Behandlung von Krankheiten bei Menschen. Diese Antibiotika sowie resistente und multiresistente Keime gelangen durch die Gülle großflächig in die Umwelt. Schon heute sterben hunderttausende Menschen jährlich, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken. 2050 wird Schätzungen zufolge diese Zahl auf über zehn Millionen Menschen pro Jahr ansteigen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen kritisieren, dass ein so bedeutendes Thema in den UN-Entwicklungszielen (SDGs) keine Erwähnung findet, obwohl es sich dabei nicht nur um eine Frage der Weltgesundheit, sondern auch um eine entscheidende Frage für den globalen Entwicklungsfortschritt handle.

 

Verschärfung der drängendsten Probleme unserer Zeit

Während damit gerechnet wird, dass die Weltbevölkerung bis 2050 um 30 Prozent gegenüber heute auf knapp 10 Milliarden Menschen ansteigt, zeigen Prognosen, dass der weltweite Fleischkonsum im selben Zeitraum um 73 Prozent ansteigen und der Milchkonsum sich verdoppeln wird. Angesichts der dafür benötigten immensen Mengen an Futtermittel stellt diese Entwicklung die weltweite Ernährungssicherung und Ernährungsgerechtigkeit grundlegend in Frage.

Obwohl das UN-Entwicklungsprogramm, das UN-Umweltprogramm, die Weltbankgruppe und der Weltklimarat in klaren Worten vor dem rapiden Anstieg und den Auswirkungen der industriellen Massentierhaltung auf die Welternährung, das Weltklima, die Biodiversität und die Weltgesundheit warnen, bleiben politische Forderungen der Vereinten Nationen diesbezüglich bisweilen aus: In keiner einzigen der 169 SDG-Zielvorgaben erwähnt die Agenda 2030 die Problematik der industriellen Massentierhaltung. Nachhaltige Entwicklung kann jedoch nur Wirklichkeit werden, wenn diese Zusammenhänge anerkannt werden und entsprechend gehandelt wird. Denn eine pflanzenbasierte Ernährung der Menschen im 21. Jahrhundert ist kein Modetrend, sondern ein entscheidender Beitrag zur Lösung zahlreicher der drängendsten und folgenschwersten Probleme unserer Zeit.

Laura Reiner 


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