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Die Nachhaltigkeitsinitative 'Greening the Blue' der UN: ein erster Ansatz mit großem Entwicklungspotential

Die Initiative 'Greening the Blue' des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) zielt darauf ab, die Nachhaltigkeit innerhalb des UN-Systems zu verbessern. Ein Bericht von 2022 zeigt: Eine Vorreiterrolle im Rahmen von Klimaschutz nehmen die UN im Moment nur eingeschränkt ein.

Auf dem Dach sind Solarmodule installiert, im Hintergrund weht die blaue UN-Flagge.
Auf dem Dach des UN-Hauptgebäudes wurden 2019 Solarmodule installiert. (UN Photo/Mark Garten)

Greening the Blue - so heißt die Initiative des UNEP, die Management und Betriebsabläufe innerhalb der UN nachhaltiger gestalten soll. Es geht also nicht darum, die einzelnen Mitgliedsstaaten und deren Delegationen zum nachhaltigen Handeln aufzufordern, sondern um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UN selbst. Seit 2009 erscheint jährlich der ‚Greening the Blue Report’, in dem die Erfolge und noch vorhandenen Defizite nachgelesen werden können. Der Bericht beleuchtet die Umweltauswirkungen von 307 000 Mitarbeitenden in 53 Einrichtungen von der Zentrale über die Außenstellen bis hin zu Arbeitseinsätzen vor Ort. 

Wie alles begann - Die UN als gewünschter Pionier

2008 wurde innerhalb des UNEP die Fazilität Nachhaltige Vereinte Nationen (Sustainable UN (SUN) Facility) eingerichtet, um interne Bemühungen um ökologische Nachhaltigkeit im UN-System zu koordinieren und die Initiative und den Bericht Greening the Blue zu verwalten. Der aktuellste Bericht aus dem Jahr 2022 zeigt auf, dass die UN und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einigen Aspekten bereits Vorbildcharakter aufweisen. Gleichzeitig treten Defizite hervor. Und: Einige Bereiche sind weder in der Erfassung einsehbar noch in die Kampagne einbezogen, beispielsweise Nachhaltigkeitskriterien bei Unterkünften auf Geschäftsreisen.

Dabei wird das Vorhaben auch von einer Aufforderung des UN-Generalsekretärs António Guterres im Dezember 2018 unterstützt, die internen Anstrengungen zu verstärken, um den Klimawandel zu bekämpfen. Daraufhin wurde eine Nachhaltigkeitsstrategie für das UN-System von 2020-2030 (Strategy for Sustainability Management in the United Nations System 2020-2030) entwickelt. Das Ziel: Die Vereinten Nationen sollen eine Vorreiterrolle einnehmen und mit gutem Beispiel vorangehen. Die Maßnahmen im Rahmen der Initiative Greening the Blue spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Worte, denen auch Taten folgen?

Positiv ist, wie aus dem ‚Greening the Blue Report‘ hervorgeht, dass 97 Prozent der erfassten CO2-Emissionen kompensiert werden. Gleichzeitig ist bei einem Wert von 1,2 Millionen Tonnen erzeugter CO2-Emissionen auch deutlich Potential, die Emissionen zu verringern statt zu kompensieren, um das Klimaneutralitätsziel zu erreichen. Der Energieverbrauch spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Gerade einmal 22 Prozent der im UN-System verbrauchten Elektrizität stammten 2021 aus erneuerbaren Energiequellen.

So richtig nachhaltig elektrisch geht es auch bei den Autos noch nicht: Etwa 310 Millionen Liter Benzin werden unter anderem für die UN-Flotte jährlich eingesetzt. Eine strategische Umrüstung für eine benzinärmere Zukunft lässt sich nicht direkt im Bericht erkennen. Den Bedarf für Veränderung scheint es auch in den Büros zu geben. Während 31 Prozent der in den Gebäuden verwendeten Kühlschränke frei von ozonschädigenden Mitteln sind, enthalten 17 Prozent jedoch genau diese noch – und über die Hälfte der befragten Büros (52 Prozent) konnten schlichtweg keine Angabe dazu machen. Dies zieht sich durch einige Bereiche des Berichts und zeigt ein ganz grundlegendes Defizit auf: das Fehlen einer korrekten und einheitlichen Datenerfassung, die Basis für sinnvolles Handeln.

 

Elektrische Autos stehen vor dem UN-Hauptgebäude in New York City.
Elektrische Autos vor dem UN-Hauptgebäude in New York City. (UN Photo/JC McIlwaine)

Schulungen für alle?

Chaotisch wird es, wenn man die Trainingsmodalitäten betrachtet. Auf meine Nachfrage bei den Verantwortlichen heißt es, dass jede UN-Organisation ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter individuell schulen dürfe. Hierzu wird ein kostenloses Tutorial bereitgestellt, das auch Externe nutzen können. Es gibt jedoch weder ein Feedbacksystem noch eine Erfassung, wie viele das Tutorial bearbeiten. Sinnig wäre es auch, weitere Personengruppen auf das vorhandene Lernmodul aufmerksam zu machen. Bei der Befragung einiger Jugenddelegierten erfahre ich beispielsweise, dass sie keinerlei Schulung zum Thema Nachhaltigkeit erhalten hätten – und von der Existenz dieses Tutorials nichts wüssten. Dies deckt sich mit der bescheidenen Angabe im Report, dass gerade einmal 46 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt zu diesem Themenfeld geschult werden.

Vielleicht ergibt sich auch daraus, dass noch keine kritische Menge an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu aufgerufen hat, das Milchsystem in den Cafeterien umzustellen. Enthalten ist dieses Detail in den Berichten tatsächlich nicht, aber während meines Praktikums im UN-Generalsekretariat fiel mir direkt die Einteilung der Milchfüllstationen zum Selbstbedienen an der Theke auf. Dort besteht nicht etwa die Wahl zwischen tierischer, laktosearmer und pflanzlicher Milch, sondern stattdessen sind die Container gefüllt mit zweiprozentiger, fettreduzierter und fettarmer Milch. Pflanzliche Milchalternativen seien lediglich auf Nachfrage erhältlich. Grund der so wenig prominenten Platzierung der deutlich umweltfreundlicheren Varianten: der Einkaufspreis. Monetäre Faktoren scheinen hier zumindest den umweltfreundlichen Idealen vorzugehen. 

Im gastronomischen Angebot scheint es noch viel Aufholbedarf zu geben. Nicht nur die Süßigkeitenautomaten mit allerlei Plastikverpackungen fielen mir negativ ins Auge, sondern auch die Einweg-Politik an den Getränkeausgaben. Allein beim täglichen Anblick der Kaffeebecher, die bereits vormittags Müllstaus in den Abfallbehältnissen auslösten, ist die Menge von 316 kg Abfall pro Person, wie sie im 2022-Bericht angegeben wird, nicht sonderlich verwunderlich.

Hop-on-Hop-off - Mangel an nachhaltigen Reisepraktiken

Als internationale Organisation sind die Vereinten Nationen entsprechend reiseintensiv. Von der Gesamtsumme an CO2-Emissionen entfallen etwa 56 Prozent auf die Gebäude – der Rest auf Reisetätigkeiten. Umso verblüffender ist es, dass zahlreiche Aspekte im Zusammenhang mit Reisen nicht beleuchtet werden. Selbst im Online-Tutorial wird lediglich darauf verwiesen, Meetings, wenn möglich, virtuell abzuhalten.

Immerhin besteht die Möglichkeit, seinen CO2-Fußabdruck zu berechnen, wenn man doch das Flugzeug wählt – angesichts der Tatsache, dass 29 Prozent der gesamten CO2-Emissionen durch Flugreisen anfallen, ein relevanter Aspekt. Umweltschädliche Aspekte vor Ort, wie der erhöhte Wasser- und Energieverbrauch in Reiseunterkünften, werden nicht beleuchtet. Außerdem werden die verschiedensten Zertifikate im Bereich der Hotellerie nicht vorgestellt. Es fehlt also auch an Orientierung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um sich im Siegeldschungel zurechtzufinden und die nachhaltige Alternative überhaupt zu identifizieren.

Wann nehmen die Vereinten Nationen nun ihre Führungsrolle ernst? 

2023: Das Jahr, in dem wir bei der Halbzeitmarke zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 angelangt sind, und zu einer dringlichen Kurskorrektur aufgerufen wird. Deshalb ist es umso wichtiger, dass internationale Akteure ein Zeichen setzen. Im internen UN-System scheint es hier noch ausreichend zu tun zu geben. Mit dem sich selbst gesetzten Ziel, die Praktiken in den einzelnen UN-Büros zu vereinheitlichen und strengere Aktionspläne zu erstellen, ist zu hoffen, dass bis 2030 sichtbare Fortschritte erzielt werden.

Lilith Diringer


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