Menü

Nachhaltige Kühlung?

Hitzewellen, Dürren, steigende Temperaturen: Klimaanlagen gelten Vielen als pragmatische Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Doch angesichts des enormen Energiebedarfs sind sie keine nachhaltige Lösung. Dabei gibt es längst Alternativen, wie die „Cool Coalition“ des UN-Umweltprogramms zeigt.

Morgennebel bedenkt eine Landschaft, die aufgehende Sonne färbt alles rötlich.
Hitzewellen werden länger, heißer und häufiger auftreten, sagt das IPCC voraus – auch in Pennsylvania, USA. (UN Photo/John Isaac)

Als Indien im Frühjahr 2022 eine Hitzewelle mit Jahrhundert-Rekordwerten erlebte, liefen Klimaanlagen und Ventilatoren auf Hochtouren. Dies führte zu Überlastungen in der Energieversorgung. Denn Klimaanlagen verbrauchen enorm viel Strom. In Indien werden 70 Prozent des Stroms aus Kohle gewonnen und während der Hitzewelle konnte nicht schnell genug Nachschub geliefert werden. Die Folge: Stromausfälle – wo dann auch Klimaanlagen nicht mehr helfen.

Dieses Szenario führt vor Augen, wie weitreichend die Folgen des Klimawandels nicht nur in Indien sein können, sondern auch in anderen Teilen der Welt. Mit der zunehmenden Erderwärmung werden nach Voraussagen des Weltklimarates (IPCC) Hitzewellen länger und heißer ausfallen, und sie werden häufiger auftreten. Für Mensch und Natur führt extreme Hitze zu gesundheitlichen Belastungen und kann sogar lebensbedrohlich werden. Dieses Jahr sind bereits 1,2 Milliarden arme Menschen einem hohen Risiko ausgesetzt, weil sie keinen Zugang zu Kühlung haben – 28 Millionen mehr als noch im Jahr 2021.

Immer öfter besteht die Gefahr, dass durch Hitzewellen wie in Indien auch die Energieversorgung beeinträchtigt wird. Wenn beispielsweise Flüsse nicht mehr ausreichend für Kühlung sorgen können, müssen Kernkraftwerke heruntergefahren werden. Niedrige Wasserstände können zudem die Flussschifffahrt zum Erliegen bringen und die Stromproduktion an Talsperren deutlich verringern.

Wachsende Nachfrage nach Kühlung

Funktionierende Kühlung wird immer notwendiger, um das Wohlergehen – und in Extremfällen das Überleben – der Menschen zu sichern. In einigen Ländern wie den USA, Japan und Südkorea, aber auch in China, sind Klimaanlagen als „Quick Fix“ in Privathaushalten gang und gäbe. In Indien, wo bislang erst etwa acht Prozent der Haushalte über Klimaanlagen verfügen, dürfte nach Schätzung des India Cooling Action Plan (ICAP) die Nachfrage in den kommenden 15 Jahren um das Elffache zunehmen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) geht auch weltweit von einer enormen Zunahme aus – bis 2050 um etwa das Dreifache. Die Zahl der in Gebäuden installierten Klimaanlagen könnte von 1,6 Milliarden weltweit auf 5,6 Milliarden steigen. Auf den Betrieb von Klimaanlagen und Ventilatoren zur Raumkühlung entfallen nach Schätzung der IEA bereits rund zehn Prozent des weltweiten Energieverbrauchs.

Effizienzgewinne realisieren

Durch den Einsatz hocheffizienter Komponente und Systeme ließe sich der Energieverbrauch erheblich senken, und damit auch die CO2-Emissionen. ‘Smarte‘ Energiemanagement-Systeme können helfen, Einsparpotenziale zu maximieren. Sie arbeiten mit maschinellem Lernen und diversen Datensätzen, zum Beispiel zur Thermodynamik, zum Wetter und zu Verbrauchsmustern. Für Indien schätzt die IEA, dass sich der auf das Jahr 2050 hochgerechnete Energiebedarf des Landes durch die Erhöhung der Effizienz von Klimaanlagen um 46 Prozent reduzieren ließe.

Allerdings besteht bei Effizienzsteigerungen auch die Gefahr von Rebound-Effekten, die dann auftreten, wenn zwar Effizienzgewinne realisiert werden, es aber gerade deswegen zu einem Mehrverbrauch kommt. In einer Studie aus Japan zeigten sich zum Beispiel Verhaltensänderungen: Bei effizienteren Anlagen tendierten die Nutzerinnen und Nutzer dazu, die Temperatur weniger energiesparend einzustellen.

Kältemittel als Klimakiller

Neben dem hohen Stromverbrauch sind Klimaanlagen auch aus einem anderen Grund oft problematisch: die in vielen Anlagen derzeit noch weit verbreitet eingesetzten halogenierten Kältemittel sind extrem umweltschädlich. Solche fluorierten Treibhausgase (F-Gase) haben eine hundert- bis mehrere tausendfache Klimawirkung als Kohlendioxid. Durch Leckagen in Klimaanlagen können sie in die Atmosphäre gelangen.

Zum Klimaschutz wurde deshalb 2016 das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, um das “Kigali Amendment“ ergänzt. Mit dieser rechtsverbindlichen Änderung soll innerhalb von 30 Jahren die Verwendung von teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffen (HFKW) auf 15 bis 20 Prozent des Basiswertes reduziert werden. Durch die Umsetzung des Kigali Amendments sollen bis zum Jahr 2050 bis zu 80 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden.

Damit dies gelingt, müssen die heute üblichen Kältemittel durch halogenfreie, natürliche Kältemittel ersetzt werden. Die gibt es bereits, allerdings weist das Umweltbundesamt darauf hin, dass sie entflammbar, brennbar oder gesundheitsschädlich sein können. Zur Installation und für einen sicheren Betrieb seien neue Techniken erforderlich.

Passive Gebäudekühlung

Neben der Verbesserung von Klimaanlagen konzentriert sich die Forschung zur Gebäudekühlung auf die klimafreundlichere passive Kühlung von Gebäuden. Dazu gehört die Verwendung von Baumaterialien mit besseren Isoliereigenschaften, eine verbesserte Dämmung, zum Beispiel auch durch Dach- und Fassadenbegrünung, die Verschattung, hitzereflektierende Fenster, die klimaeffiziente Ausrichtung von Gebäuden und eine architektonische Gestaltung, die natürliche Ventilation fördert. Aber auch schon mit einfachen Maßnahmen wie Rollläden, Rollos, Jalousien oder Vorhängen lässt sich der Bedarf an energieintensiver Kühlung deutlich reduzieren.

Besonders dringend sind kostengünstige Maßnahmen für arme Bevölkerungsgruppen, die kaum Möglichkeiten haben, sich vor großer Hitze zu schützen. In Bangladesch wird mit heller, hitzereflektierender Farbe als Dachanstrich experimentiert und es wurde ein einfacher „Eco-Cooler“ entwickelt, der aus Plastikflaschen und einem Brett selbst gebaut werden kann. Er benötigt keinen Strom und soll in Wellblechhütten in den Slums um bis zu fünf Grad Kühlung ermöglichen.

Klimaangepasste Stadtplanung

An steigende Durchschnittstemperaturen ebenso wie an zunehmende Hitzeextreme müssen sich Menschen, Flora und Fauna dauerhaft anpassen. Besonders wird es die Städte treffen, die sich nach UN-Schätzungen bis Ende des Jahrhunderts um vier Grad – und damit überdurchschnittlich – aufheizen könnten. Deshalb hat die Cool Coalitionunter Federführung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) 2021 ein Handbuch erstellt, das Anregungen für sozial gerechte, nachhaltige und ganzheitliche Ansätze zur Verringerung städtischer Wärmeinseln gibt. Darin wird gewarnt, dass Klimaanlagen auch Abwärme erzeugen und die städtische Umwelt zusätzlich aufheizen – zu Lasten der Armen ohne Zugang zu Kühlung.

Ökosystembasierte Maßnahmen eröffnen Spielraum, das Mikroklima zu regulieren und Frischluftschneisen zu sichern. Garten- und Parkanlagen, Straßenrandbepflanzungen, Dachbegrünung und begrünte Gebäudeteile gehören zu den stadtplanerischen Lösungen, ebenso wie der Verzicht auf Flächenversiegelung.

Ob mit kühlender Holz- und Lehmbauweise, weiß gestrichenen Häusern oder engen Gassen in vielen Altstädten – in heißen Regionen der Welt ist die traditionelle Architektur und Stadtplanung dem Klima oft gut angepasst. Das Wissen darum kann heute Lösungsansätze auch für Regionen bieten, die bislang kaum mit Extremhitze umzugehen hatten, aber in Zukunft nicht davon verschont bleiben werden.

Der Handlungsbedarf ist enorm und er ist dringend. Auch in Deutschland hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Anzahl der Hitzetage gegenüber den 70er Jahren verdoppelt. Extreme in der Gegenwart könnten zukünftig immer mehr zur Normalität werden, bei weiter steigenden Energiepreisen und wachsendem Zeitdruck, den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu senken.

Christina Kamp


Das könnte Sie auch interessieren


  • Internationales Jahr des Planeten Erde:

    Drei Berichte zur LageInternationales Jahr des Planeten Erde:

    19.02.2008
    Buchbesprechung von: Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen (IPCC): Klimaänderung 2007: Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger, Bern, Wien, Berlin 2007; Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP): Bericht über die… mehr

  • Das Cover des neuen Berichts des Weltklimarates zeigt eine Weltkarte in changierenden Rot- und Violetttönen

    Fünf nach zwölf: Bericht des Weltklimarats warnt vor gravierenden Folgen der Erderwärmung

    16.08.2021
    Überschwemmungen, Waldbrände, Hitzerekorde, Wirbelstürme – der Klimawandel ist längst bittere Realität. Das belegt auch der Weltklimarat in seinem neuesten Bericht. Und er zeigt: Eine Erderwärmung von 1,5°C wird sich kaum noch verhindern lassen. mehr

  • Luftansicht eines ausgetrockneten Bodens, in dem sich Risse zeigen

    „Es reicht nicht aus, ein paar Bäume zu pflanzen“

    17.06.2023
    Höhere Temperaturen, stärkere Niederschläge, längere Dürrezeiten: Anlässlich des „Welttags für die Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürre“ erklärt die Meteorologin und IPCC-Koordinatorin Roxana Bojariu, warum sich wüstenähnliche Gebiete weltweit… mehr