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Kommt die Wüste, geht der Mensch?

Diese Woche begehen die Vereinten Nationen den „Welttag zur Bekämpfung von Wüstenbildung und Dürren“ sowie den Weltflüchtlingstag. Dabei liegen die beiden Tage nicht nur zeitlich eng beisammen – vieles spricht auch für eine kausale Nähe von Wüstenbildung und Migration. Eine Kolumne des DIE.

Frauen in der Region Dadaab in Kenia tragen Wasser nach Hause.
Frauen in der Region Dadaab, Kenia, tragen Wasser nach Hause.

(Riyaad Minty/flickr/CC BY-NC 2.0/Ladies in Dadaab)

Laut Angaben der Vereinten Nationen sind etwa 60 Millionen Menschen alleine in den Dürregebieten Subsahara-Afrikas in den nächsten Jahrzehnten von Wüstenbildung so sehr bedroht, dass sie nach Nord-Afrika oder Europa ziehen müssten. Auch wird in den Medien und der Politik immer wieder auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Dürren und dem Ausbruch von bewaffneten Konflikten hingewiesen, die wiederum neue Fluchtbewegungen in Gang setzen. Werden also Dürren und eine fortschreitende Wüstenbildung die nächste Flüchtlingswelle in Richtung Europa hervorrufen? Und was sagt eigentlich die Wissenschaft zum Zusammenhang zwischen Dürren, Wüstenbildung und Flucht? Wie sollte die Politik mit dieser „Dürremigration” umgehen?

Wüstenbildung ist nicht gleich Wünstenbildung

Die Zahl der Menschen, die rund um den Globus in Trockengebieten lebt, wird auf etwa 2 Milliarden geschätzt, viele davon in Afrika. Nun ist es keineswegs so, dass diese riesige Anzahl an Menschen unmittelbar davon bedroht wäre, bald von einer Wüste „geschluckt“ zu werden. Der Begriff „Desertifikation“ ist nämlich nicht gleichzusetzen mit der Ausbreitung oder Wanderung vorhandener Wüsten. Vielmehr beschreibt er den Prozess der (schwerwiegenden) Bodendegradation. Das umfasst zum Beispiel zunehmende Bodenunfruchtbarkeit oder eine Versalzung und Versiegelung von Böden. Dies betrifft nicht nur Trockengebiete, sondern unter anderem auch Savannen. Die Ursachen von Desertifikation können dabei klimatischer Natur sein – vor allem durch häufige und langanhaltende Dürren. Sehr oft sind sie aber auch menschgemacht, zum Beispiel durch eine übermäßige Anwendung anorganischer Düngemittel, Überweidung oder Brandrodung. Diese, die Wüstenbildung befördernden Prozesse, sind meist komplex und eng miteinander verwoben.

Ebenso komplex ist auch der Zusammenhang zwischen Bodendegradation beziehungsweise Wüstenbildung und Migration. Zwar ist die Datenlage zu menschlicher Mobilität in diesem, wie auch in anderen Zusammenhängen, eher dürftig. Trotzdem ergeben zahlreiche Studien ein einigermaßen klares Bild. Es ist keineswegs so, dass die Degradation von Böden oder langanhaltende Dürren aufgrund ihrer Auswirkungen wie Missernten oder Wasserknappheit Menschen unmittelbar und massenhaft zur Flucht zwingen – vor allem nicht in Richtung Europa. Vielmehr setzen viele betroffene Familien auf zirkuläre Migration, und dieses zumeist innerhalb des eigenen Landes oder in einem Nachbarland. Das heißt, dass einzelne Familienmitglieder für eine gewisse Zeit migrieren, um im informellen Sektor der Städte oder in der kommerziellen Landwirtschaft Geld zu verdienen. Gelingt ihnen dies – und das ist aufgrund der generell harschen Arbeits- und Lebensbedingungen für Migranten keine Selbstverständlichkeit –, so können mit diesem Geld die durch Dürre und Degradation entstandenen Schäden durchaus kompensiert werden. Fluchtmigration ist dabei vor allem in den Gebieten ein verbreitetes Phänomen, in denen neben Dürren oder Wüstenbildung auch politische Instabilität oder Gewaltkonflikte herrschen, wie etwa am Horn von Afrika. Andererseits sind viele von Bodendegradation und Dürren Betroffene auch zur Immobilität verurteilt, weil ihnen die nötigen Ressourcen zur Migration schlichtweg fehlen oder durch den ökologischen Wandel geraubt werden. Dies betrifft etwa neben armen, kleinbäuerlichen Haushalten besonders auch Viehnomaden.

Positive Wirkungen der Migration

Leider betrachten nationale Regierungen und Regionalorganisationen in den betroffenen Weltregionen oder auch die Entwicklungszusammenarbeit Migration oft noch pauschal als eine der schlimmsten Folgen von Desertifikation oder Umweltwandel im Allgemeinen. Klar ist, dass mit aller Entschiedenheit Menschen in vulnerablen Kontexten so unterstützt werden müssen, dass sie gar nicht erst fliehen müssen. Dennoch sollten politische Akteure anerkennen, dass bestimmte Migrationsformen in diesem Zusammenhang auch positive Effekte nach sich ziehen können (etwa durch Geldtransfers). Diese ermöglichen es den Menschen, sich besser auf die Folgen des ökologischen Wandels einzustellen. Um diese positiven Effekte politisch zu fördern und negative abzumildern, braucht es eine bessere Datenlage zu menschlicher Mobilität in ökologisch vulnerablen Kontexten. Auch bedarf es eines Dialoges zwischen allen relevanten Politik- bzw. Handlungsfeldern der internationalen Zusammenarbeit – von Migration über humanitäre Hilfe bis hin zu Landwirtschaft und ländlicher Entwicklung. Ziel muss ein gemeinsames und differenziertes Verständnis für die Herausforderung der „Dürremigration“ sein. Das ist sicherlich noch keine Lösung, aber immerhin ein Anfang.


Dr. Benjamin Schraven und Stephen Adaawen
Dieser Beitrag ist eine "Aktuelle Kolumne" des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). In Zusammenarbeit mit dem DIE veröffentlichen wir ausgewählte Kolumnen mit UN-Bezug.


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