Kontinuität und Wandel in der Leitung von UN-Friedensmissionen
Die Sondergesandten des UN-Generalsekretärs (Special Representatives of the Secretary-General - SRSGs) sind als Leiterinnen und Leiter der Missionen für die politische Vermittlung, die Missionsverwaltung, die Zusammenarbeit mit Regierungen und die Koordination mit dem UN-Hauptquartier in New York verantwortlich. Sie nehmen damit eine Schlüsselrolle bei der Friedenssicherung ein. In diesem Rahmen müssen die SRSGs auf sich schnell verändernde politische Situationen reagieren, zwischen Konfliktparteien vermitteln und sicherstellen, dass das UN-Personal effektiv arbeitet. Zeitgleich vertreten sie als höchste Repräsentantinnen und Repräsentanten die Prinzipien der UN im Einsatzland.
Doch inwieweit haben frühere berufliche Erfahrungen Einfluss auf ihr Handeln in der Mission?
Der Brite Alan C. Doss und die Dänin Ellen M. Løj sind zwei Beispiele für erfahrene SRSGs, die im Laufe ihrer Karriere verschiedene Friedensmissionen geleitet und unterschiedliche Erfahrungen mit eingebracht haben.
Doss begann seine Karriere im UN-Entwicklungsprogramm (United Nations Development Programme - UNDP) und übernahm später führende Positionen, zunächst als stellvertretender SRSG (Deputy SRSG) in Sierra Leone und Côte d’Ivoire und anschließend als SRSG in UNMIL (United Nations Mission in Liberia, 2005-2007) und MONUC (United Nations Mission in the Democratic Republic of Congo, 2008-2010). Im Gegensatz dazu begann Løj ihre Karriere im diplomatischen Dienst, als Leiterin der dänischen Botschaft, unter anderem als diese die nicht-ständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat innehatte. So wurde sie bereits mit den Entscheidungsprozessen im Sicherheitsrat vertraut, bevor sie die Leitung von UNMIL (United Nations Mission in Liberia, 2007-2012) und UNMISS (United Nations Mission in the Republic of South Sudan, 2014-2016) übernahm. Die unterschiedlichen Erkenntnisse prägten die zentralen Arbeitsbereiche der jeweiligen Mission, die sie leiteten.
Verwaltung der Friedensmissionen
In der Verwaltung von Friedensmissionen konnte Doss seine Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit nutzen, indem er MONUC auf Naturkatastrophen besser vorbereitete. So gelang es ihm, Maßnahmen für den drohenden Vulkanausbruch in der Region Nord-Kivu einzuleiten. Gleichzeitig musste er feststellen, dass sich seine Arbeitsmethoden aus dem humanitären Sektor nicht direkt auf die langwierigen Entscheidungsprozesse in Friedensmissionen übertragen ließen. Dabei etablierte er das Konzept der „strategischen Geduld“.
Løj hingegen setzte während ihrer Zeit als Leiterin der Mission UNMIL einen anderen Schwerpunkt. Ihr Fokus lag auf der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen des UN-Personals, insbesondere für Frauen, die in den Friedensmissionen eingesetzt waren. So trat sie unter anderem für separate sanitäre Einrichtungen ein und versuchte zudem, mehr Frauen für Truppenkontingente zu gewinnen.
Zusammenarbeit mit dem Missionsleitungsteam und Institutionen im Einsatzland
Sowohl Løj als auch Doss versuchten, eine offene Teamkultur zu fördern. Løj bemühte sich beispielsweise, dass diplomatische Termine je nach Kontext strategisch zwischen ihr und ihren Stellvertretungen aufgeteilt wurden. Ziel war es, je nach Persönlichkeit das bestmögliche Ergebnis zu erreichen. Doss wiederum erkannte, dass Veränderungen innerhalb der Mission behutsam eingeführt werden mussten. Dabei galt es interne Widerstände zu vermeiden und so die Balance zwischen innovativen Ansätzen und Akzeptanz innerhalb der Mission zu wahren.
Was beide SRSGs gemeinsam hatten, war das zentrale Ziel, nachhaltige (Verwaltungs-)Strukturen aufzubauen, damit lokale Regierungen nach dem Abzug der UN eigenständig arbeiten konnten. Friedensprozesse dauern oft Jahrzehnte und UN-Missionen können diese Entwicklungen nicht vollständig begleiten, stellte Løj in diesem Zusammenhang fest. Doss musste zu seiner Zeit in UNMIL unter anderem darauf achten, aufgrund seiner früheren beruflichen Kontakte zur damaligen Präsidentschaftskandidatin und späteren liberianischen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, nicht als parteiisch wahrgenommen zu werden.

Zusammenarbeit mit der UN-Zentrale und Mitgliedsstaaten
Die Zusammenarbeit der SRSGs mit der UN-Zentrale und den Mitgliedsstaaten trägt maßgeblich zum Erfolg einer Mission bei. Løj konnte hierbei auf ihre Erfahrung als dänische UN-Botschafterin zurückgreifen, was ihr den Umgang mit dem Sicherheitsrat und anderen UN-Institutionen deutlich erleichterte. Doss wiederum lernte, als stellvertretender SRSG in Sierra Leone, dass schnelle Kommunikation mit der UN-Zentrale entscheidend ist. Berichterstattungen über politische Entwicklungen können nicht bis zum nächsten Tag warten, sondern erfordern schnelles Handeln, welches auch zu seiner Zeit als SRSG in UNMIL und MONUC gefordert war.
Ein besonders heikles Thema in der Zusammenarbeit zwischen den Sondergesandten, der UN-Zentrale und den Mitgliedsstaaten war der Umgang mit Fällen sexueller Gewalt durch Peacekeeper, unter anderem in den Missionen UNMIL und MONUC. Da die Truppensteller die juristische Gewalt über ihre Truppen haben und nicht die UN, setzte sich Doss in vielen Fällen mit den Staaten in Verbindung, um das Vorgehen mit ihnen zu planen. Dieser Prozess gestaltete sich als sehr kompliziert, da die Ermittlungen vor Ort für den truppenstellenden Staat schwierig und Rechtsprechung über die Truppen für die Mission nicht möglich sind. Doss konnte allerdings in einem Fall erreichen, dass ein Truppensteller einem Kontingentskommandeur die Befugnis erteilte, in Liberia ein Militärgerichtsverfahren einzuleiten. Das führte dazu, dass die Soldaten für schuldig befunden und aus dem Militär entlassen wurden. Das Ergebnis war letztendlich der intensiven Zusammenarbeit zwischen Doss als SRSG und den truppenstellenden Staaten zu verdanken.
Erfolge und Grenzen der individuellen Führung
Die Fälle von Alan Doss und Ellen Løj zeigen, dass die Sondergesandten durch ihre persönlichen Erfahrungen wesentliche Veränderungen in UN-Missionen bewirken können, allerdings nicht alle Praktiken universell übertragbar sind. Während ihrer Zeit in UNMISS stieß Løj an Grenzen, als sie ihre erfolgreichen Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen einführen wollte – was jedoch an begrenzten Ressourcen scheiterte. Doss‘ Ansatz zur Bekämpfung sexueller Ausbeutung durch UN-Personal funktionierte in UNMIL vor allem durch eine günstige Konstellation mit unterstützenden truppenstellenden Staaten, ließ sich in der DR Kongo aber nicht gleichermaßen durchsetzen.
Die beiden Beispiele veranschaulichen, dass der Erfolg eines Führungsstils stark von den politischen und institutionellen Rahmenbedingungen abhängt. Die beruflichen Hintergründe von SRSGs können eine zentrale Rolle dabei spielen, wie sie ihre jeweiligen Missionen leiten, indem die Erlebnisse aus vorherigen Positionen ihr Handeln beeinflussen. Jedoch lassen sich nicht alle Erkenntnisse gleichermaßen auf neue Kontexte übertragen, wodurch ein stetiger Wechsel zwischen Kontinuität und Wandel in der Leitung von UN-Friedensmissionen entsteht.
David Teiner und Maike Schimmel
Dieser Beitrag basiert auf dem Forschungsartikel „Persistent Practices? Understanding Continuity and Change in SRSGs’ Leadership of UN Peace Operations”, der in der Fachzeitschrift “International Peacekeeping” erschienen und hier abrufbar ist.